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Alles, was ich lese und sehe, inspiriert mich irgendwie

Autorin Megan Miranda ist für ihre spannenden Thriller bekannt, die regelmässig auf den Bestsellerlisten stehen. Erfahren Sie im Interview mehr über ihr neustes Werk, den Schreibprozess der Schriftstellerin und ihre Buchtipps.

Megan Miranda hautnah

Interviewt von Ex Libris

1. Dezember 2023
Portrait Megan Miranda
Bild: © Ashley Elston

Am 2. Januar 2024 erscheint Ihr neuer Thriller «Der Pfad». Worum geht es in dem Buch?
Die Geschichte handelt von einer kleinen Stadt in den Bergen namens Cutter’s Pass, die vor allem dadurch bekannt wurde, dass dort in den letzten 25 Jahren sieben Wanderer verschwanden. Was mit ihnen geschah, wurde nie geklärt. Bei dem letzten Vermissten handelte es sich um einen Journalisten, der herausfinden wollte, ob es Zusammenhänge zwischen den Fällen gab. Er hatte sich für seine Recherchen im örtlichen Berggasthof eingemietet. Der Roman wird von einer Frau namens Abby erzählt, die seit zehn Jahren in der Stadt lebt und das Hotel leitet. Sie ist die einzige Person, die bereit ist, in die verborgenen Geheimnisse der Stadt einzutauchen.

Sie leben in North Carolina – genau dort, wo «Der Pfad» spielt. Warum haben Sie gerade dieses Setting gewählt?
Die Berge hier haben etwas so Schönes und Unheimliches an sich. Es ist eine meiner liebsten Gegenden und ich bin immer wieder von dieser Dualität inspiriert. Es wirkt wie ein Ort, an dem Legenden real sein könnten – und in meinem Thriller werden viele Legenden über die Stadt Cutter’s Pass erzählt. Die Umgebung fühlt sich für mich lebendig an, als wäre sie aus einem Stück Wildnis herausgearbeitet worden, mit einer Landschaft, die in sich selbst eine Gefahrenquelle darstellen könnte. Obwohl Cutter’s Pass fiktiv ist, gibt es hier viele reale Orte mit einer ähnlichen Geografie. Ich liebe es, Bücher in Kleinstädten anzusiedeln, wo jeder denkt, er wüsste alles über den anderen, ob das stimmt oder nicht. Cutter’s Pass ist ein Ort, der seine Geheimnisse für sich behält.

Ist die Landschaft in Wirklichkeit so unheimlich, wie das Cover es einen vermuten lässt?
Das kann durchaus sein, besonders nachts! Während ich an dem Buch schrieb, habe ich die Gegend immer wieder zu verschiedenen Jahreszeiten besucht, um zu sehen, wie sich die Landschaft verändert. Ich neige dazu, zu glauben, dass jede Umgebung entweder der schönste oder der schrecklichste Ort der Welt sein kann, je nachdem, was eine Figur in diesem Moment fühlt oder erlebt. Der Wald fühlt sich für viele der Figuren dieser Geschichte wie ein Zuhause an. Aber wenn etwas schiefgeht, kann sich all das, was sich vorher sicher angefühlt hat, plötzlich gegen einen wenden. Ich liebe es, wie das Cover eine so eindringliche und doch wunderschöne Landschaft einfängt.

«Der Pfad» ist nicht Ihr erster Thriller. Was hat Sie am Schreiben dieser Geschichte besonders gereizt?
Meine Kinder, die im Teenageralter sind, haben einige Schulausflüge in historische Städte unternommen, und am besten gefielen ihnen diese «Geistertouren», bei denen sie anhand von Geschichten und Legenden etwas über die Historie des Ortes erfahren haben. So kam ich darauf, meinen Thriller an einem Ort anzusiedeln, der mit einer berüchtigten Vergangenheit konfrontiert ist. Dann begann ich darüber nachzudenken, wie es wohl wäre, wenn diese Geschichte noch gar nicht so lange her ist. Oder sich vielleicht immer noch abspielt, und sie dennoch Touristen anzieht. Ich wollte erkunden, wie sich das auf die Bewohner auswirkt – die das einzige verbindende Element zwischen all den verschwundene Personen darstellen.

Hat man einen Thriller fertig gelesen, ist das immer auch eine Erleichterung, weil die Spannung endlich aufgelöst wurde. Wie fühlt es sich an, einen Thriller fertig zu schreiben?
Es fühlt sich oft wie eine Erleichterung an, besonders nach den letzten, hochspannenden Schlussszenen! Da ich aus der Ich-Perspektive schreibe, versuche ich, mich in den Kopf dieser Figur zu versetzen und die Spannung und Gefahr zu kanalisieren, die sie empfindet. Deshalb verspüre ich immer ein grosses Gefühl der Erleichterung, wenn ich sie heil durch die Story gebracht habe. Es ist auch aufregend und ungemein befriedigend, das Ende zu erreichen und zu sehen, wie die letzten Teile des Puzzles ihren Platz finden.

Wie gehen Sie bei der Entwicklung Ihrer Charaktere vor? Haben Sie bestimmte Techniken oder Strategien?
Ich bin jemand, der die Charaktere am besten kennenlernt, indem er beobachtet, wie sie miteinander interagieren. Ich denke viel darüber nach, wovor eine Figur Angst hat – nicht nur äusserlich, sondern auch innerlich: was sie fürchtet, das andere über sie erfahren könnten. Ich habe das Gefühl, dass sich Handlung und Figur auf diese Weise Hand in Hand entwickeln. Das ist auch der Grund, warum ich vor Beginn nicht viel über die Handlung nachdenke, weil ich zu Beginn des Buches oft nicht weiss, welche Entscheidungen eine Figur treffen wird. Ich entdecke das immer erst im Laufe des Schreibens, und ich versuche, die Figuren mir den Weg für die Geschichte weisen zu lassen.

Welche Art von Recherche betreiben Sie für ein neues Buch?
Jedes Buch ist anders. Manchmal spreche ich mit Leuten, die in der Strafverfolgung oder im juristischen Bereich arbeiten. Für «Der Pfad» habe ich ungelöste Fälle von Menschen, die in der Wildnis verschwunden sind, recherchiert und geschaut, was in verschiedenen Szenarien bei der Suche nach ihnen eine Rolle spielen könnte. Ich habe auch in mehreren Gasthäusern in den Bergen von North Carolina und Virginia übernachtet, die in unmittelbarer Nähe des Appalachian Trail liegen, und habe sie zu verschiedenen Jahreszeiten besucht, um das richtige Gefühl einzufangen. Der Besuch von Orten, die Inspiration für meine Settings sind, ist normalerweise die beste Art Recherche für mich. Allein durch das Eintauchen in diese Welt lerne ich so viel und bekomme so viele neue Ideen.

Was für Herausforderungen bringt das Thriller-Genre mit sich?
Für mich besteht eine der Herausforderungen des Genres darin, sicherzustellen, dass das Ende und die dorthin führenden Enthüllungen sowohl überraschend als auch befriedigend sind. Wenn ich schreibe und überarbeite, denke ich oft darüber nach, was der beste Zeitpunkt sein könnte, Informationen offenzulegen. Ausserdem möchte ich wirklich, dass meine Hauptfigur die Geschichte vorantreibt und die Autonomie hat, den Kurs festzulegen. Besonders herausfordernd ist es deswegen manchmal, wenn die Untersuchung von Strafverfolgungsbehörden durchgeführt wird und meine Figur nicht dort arbeitet.

Welchen Charakter aus «Der Pfad» würden Sie am liebsten im realen Leben als Nachbar*in haben, und warum?
Ich glaube, ich hätte gerne Celeste als meine Nachbarin. Sie ist die Besitzerin des Gasthauses und behandelt Abby mit «tough love». Aber sie ist so kompetent und fähig, dass ich denke, sie hat immer Antworten parat und weiss in jedem Fall, was zu tun ist. Und ihr liegt das Gasthaus, das sie zu ihrem Zuhause gemacht hat, sehr am Herzen.

Gibt es eine Schriftstellerin oder einen Schriftsteller, deren oder dessen Werke Sie noch heute beeinflussen?
Alles, was ich lese und sehe, inspiriert mich irgendwie. Ich bin mit vielen Krimis und Thrillern aufgewachsen, von Mary Higgins Clark bis Dean Koontz. Und ich glaube, die Lektüre von Edgar Allan Poe hat mich dazu inspiriert, über Kadenz, Stimmung und Ton nachzudenken.

Wenn Sie einen Tag mit einem Charakter aus einem Buch oder Film verbringen könnten, wer wäre es und was würden Sie unternehmen?
Als ich jünger war, habe ich Krimis geliebt; ich wollte immer Teil der Ermittlungen sein und sie lösen. Also würde ich sagen «Nancy Drew». Das waren die Bücher, die mich mit dem Mystery-Genre bekannt gemacht haben.

Auch wenn einem nach «Der Pfad» vielleicht erst mal nicht nach Bergdörfern zumute ist, welchen Ort sollte man sich bei einer Reise durch North Carolina auf keinen Fall entgehen lassen?
Eines der grossartigen Dinge an North Carolina ist, dass es eine so grosse Vielfalt an Landschaften zu besuchen gibt. Von den Outer Banks Barrier Islands an der Küste bis hin zu den Bergdörfern in den Smoky Mountains ist wirklich für jeden etwas dabei.

Welches Buch empfehlen Sie jedem Thriller-Fan?
Ich bin ein grosser Fan des Thriller-Genres und habe mich von den Werken vieler anderer Autoren inspirieren lassen. Aber ich empfehle immer wieder Tana Frenchs «Dublin Murder Squad»-Reihe, beginnend mit «Grabesgrün». In jedem Buch der Reihe steht ein anderer Ermittler im Zentrum, aber Figuren aus früheren Büchern tauchen immer wieder auf. Der Schreibstil ist atemberaubend, die Handlung überraschend und die Charakterentwicklung ist unglaublich. Es fühlt sich an, als würde der Leser selbst die Geheimnisse des Erzählers und des Falls enthüllen.

Auf welches Projekt freuen Sie sich als Nächstes?
Ich habe kürzlich meinen jüngsten Thriller fertig geschrieben, der an der Küste spielt. Aber derzeit freue mich erst mal, für meinen gerade in den USA erschienen Thriller «Daughter of Mine» wieder zurück in den Bergen zu sein. Er spielt in einer anderen Kleinstadt mit verborgenen Geheimnissen, aber dieses Mal konnte ich die Dynamik einer Familie sowie die Geheimnisse der Stadt selbst erkunden.

Hinweis: Der Thriller wird voraussichtlich Anfang 2025 auf Deutsch im Penguin Verlag erscheinen.

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