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In zwölf weihnachtlichen Kurzgeschichten erzählt die Autorin davon, wie im Alltag kleine und große Wunder geschehen und Weihnachtswünsche unerwartet wahr werden. Es sind unterhaltsame, humorvolle und zu Herzen gehende »Miniaturen«, die von Mitmenschlichkeit und Freundschaft, von der Liebe zu Menschen und Tieren oder von den Segnungen und Herausforderungen des Familienlebens handeln. Und vom Glück der Welt, das nur in der Krippe unter dem Christbaum zu finden ist ...
Autorentext
Yvonne Beer arbeitete viele Jahre im sozial-diakonischen sowie kirchlichen Bereich, zum Schluss mit Menschen, die eine körperliche oder geistige Behinderung hatten. Heute ist sie Rentnerin und lebt am Niederrhein.
Leseprobe
Wo bleibt der Weihnachtsmann? Sie leben auf dem Lande? Nein? Ach, in der Stadt! Oh na, das macht aber nichts. Ich lebe auch in der Stadt. Dennoch, die folgende Geschichte hat sich auf dem Lande zugetragen. In der »guten alten Zeit«, als die Welt noch in Ordnung schien. Da hatten wir noch kein Handy, das immerzu unsere Aufmerksamkeit forderte, von Smartphone und Laptop ganz zu schweigen. Und die lieben Kleinen wünschten sich noch eine Ritterburg zu Weihnachten oder die Mädchen eine schöne Puppenstube und kein Tablet oder gar eine Spielekonsole. Aber lassen wir die gute alte Zeit lieber aus dem Spiel beziehungsweise aus dieser Geschichte heraus. Also, ich war damals noch ein recht junger Mann und hatte gerade meinen Wehrdienst erfolgreich beendet. Nun wollte ich mich voll und ganz in mein Jurastudium stürzen. Doch unversehens steckte ich in einem Weihnachtsmannkostüm und landete dann auf Ach ja Sie haben vollkommen recht, ich fange lieber ganz von vorne an. Karl Eisenstein, der während meiner Bundeswehrzeit mein Stubenkamerad war und nach nur zwei Tagen mein bester Freund wurde, hatte mich gebeten, in diesem Jahr für seine Familie den Weihnachtsmann zu spielen. Ich als Weihnachtsmann? Ich war doch so froh gewesen, nicht mehr jeden Tag die Uniform der Bundeswehr tragen zu müssen! Und nun sollte ich gleich in die nächste Uniform und sei es auch die eines Weihnachtsmannes schlüpfen? Nein danke! Aber Karl ließ nicht locker. Er könne das nicht machen, sagte er mir. Seine kleineren Geschwister (Karl hatte fünf davon) würden ihn erstens vermissen und zweitens sofort an seiner Stimme wiedererkennen. Und dann wäre der ganze Zauber dahin, das müsste ich doch verstehen! Außerdem sei es ganz einfach. Karl würde mir sogar das Kostüm besorgen und mir alle notwendigen Ortskenntnisse vermitteln. Also ließ ich mich überreden. Denn was tut man nicht alles für seinen besten Freund, mit dem man einst Seite an Seite durch Schlamm und Staub über den Truppenübungsplatz gerobbt war? Karl versicherte mir, dass er mir mittags auch die entsprechenden Geschenke vorbeibringen würde, die ich dann alle in einem großen braunen Jutesack verstauen sollte, um damit zur vereinbarten Zeit in die familieninterne Weihnachtsfeier zu platzen. Schließlich waren alle nötigen Vorbereitungen getroffen. Jetzt gab es kein Zurück mehr für mich. Mittags hatte Karl mir wie verabredet die Geschenke vorbeigebracht, die wir dann gemeinsam im Jutesack verstauten. Am Heiligen Abend machte ich mich also gegen achtzehn Uhr auf den Weg. Mein altes Auto hatte ich weit genug vom Grundstück der Familie Eisenstein entfernt abgestellt. Denn das Haus der Familie lag etwas außerhalb. Die Gegend war so einsam und verlassen, dass man jedes Motorengeräusch schon von Weitem hören konnte. Und ein Weihnachtsmann kam bekanntlich nicht in einer quietschgelben Ente daher (die das einzige Auto war, das ich mir damals leisten konnte). Entweder kam der Weihnachtsmann mit einem großen von vier Rentieren gezogenen Schlitten, oder aber der gute alte Mann fiel einfach vom Himmel und durch den Schornstein direkt ins weihnachtliche Wohnzimmer. Ich aber hatte keinen Schlitten, von Rentieren ganz zu schweigen. Und durch einen Schornstein wollte ich mich erst recht nicht hindurchzwängen, geschweige denn mich in ihn hineinfallen lassen. Nach dem Besuch der Christmette fand sich die ganze Familie im gemütlichen Kaminraum ein. Am großen Tannenbaum wurden nach und nach die Kerzen angezündet. Elektrische Kerzen, wie wir sie heute kennen, waren damals noch nicht so weitverbreitet. Der Baum war mit roten Äpfeln und unzähligen Strohsternen und sehr viel Lametta geschmückt. Damit sah er wunderschön aus. Bereits Wochen zuvor hatten die Kinder mit dem Basteln der Strohsterne begonnen. Der Baum war sehr edel, ganz gerade gewachsen, einfach wunderschön. Eine Nordmanntanne wie aus dem Bilderbuch. Zuerst wurden einige Weihnachtslieder gesungen, wobei der Gesang von der Frau des Hauses auf dem Klavier und von Karl auf der Geige begleitet wurde. Die Kinder spielten fehlerfrei Flöte und sagten brav Gedichte auf. Der Großvater, Ernst Eisenstein, las wie in jedem Jahr die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium vor. Der Kaminraum, der zugleich auch Wohnzimmer war, lag im Erdgeschoss der großen Villa. Eine Flügeltür führte auf die große Südterrasse heraus. Dieser Ausgang war aber, um die Kälte abzuhalten, hinter einem schweren und blickdichten Vorhang verborgen. Von der Terrasse gelangte man über eine breite Natursteintreppe in den herrlich weitläufigen Garten hinaus, der wie eine gepflegte Parkanlage wirkte. Durch diesen Garten und dann die besagte Natursteintreppe hinauf sollte ich kommen, pünktlich um achtzehn Uhr dreißig an der Terrassentür poltern und mir Einlass verschaffen. Karl würde früh genug heimlich die Flügeltür für mich aufschließen. Als der Großvater die Weihnachtsgeschichte gelesen hatte und behutsam die alte Familienbibel schloss, stieg augenblicklich die Spannung, besonders bei den Kindern. Sie wussten ganz genau: Nach der Weihnachtsgeschichte würde der Großvater das Lied »Stille Nacht« anstimmen. Und dann, nach diesem Lied, würde endlich das folgen, worauf die Jüngsten schon den ganzen Tag fieberhaft gewartet hatten die Bescherung. Meist lagen alle Geschenke gut sichtbar, bunt eingewickelt und mit Schleifen versehen unter dem Tannenbaum verteilt. Aber an diesem Platz lagen am heutigen Heiligen Abend nur einige ganz große Pakete, keine von den vielen kleinen, die es sonst zusätzlich gab. Es musste also noch etwas ganz Besonderes kommen! Die Familie sang mittlerweile die letzte Strophe und Karl blickte nervös immer wieder zur Terrassentür hinüber. Jeden Augenblick musste ich mich doch durch Poltern bemerkbar machen und dort auftauchen! Aber ich tauchte nicht auf. Auch nicht, nachdem alle noch »O Tannenbaum« gesungen hatten. Zur Überbrückung durfte Heidemarie noch ein Gedicht aufsagen. Das fand sie, so wurde mir später erzählt, gar nicht so gut. Danach schlug Karl vor, noch »Leise rieselt der Schnee« zu singen. Und als ich am Ende dieses Liedes immer noch nicht aufgetaucht war, schlug Opa kein weiteres Lied mehr vor, sondern er schlug sich stattdessen energisch auf sein rechtes Knie und meinte laut: »Genug!« Alle schauten das Familienoberhaupt erstaunt an. Dieses aber brüllte nun: »Wo ist er?« »Wo ist wer?«, wollte Karls Mutter, Frau Emilie Eisenstein, nun wissen. Der Großvater erhob sich aus seinem ledernen Ohrensessel, sah seinen Enkelsohn Karl eindringlich an und fragte ihn: »Wo bleibt der Weihnachtsmann?« Die anderen Familienmitglieder staunten nicht schlecht. Ah! Der Weihnachtsmann wurde also heute erwartet. Das hatte es noch nie gegeben. Sicher hatte Karl etwas damit zu tun. Oder damit, dass er nicht kam? Nein, daran war Karl eigentlich nicht schuld. Oder doch? Also, an mir lag es auf jeden Fall nicht! Ganz bestimmt nicht! Denn ich hatte um achtzehn Uhr zwanzig meine erste Hürde, die nicht gerade niedrige Gartenmauer, erfolgreich überwunden. Danach wollte ich schnell den weiten Rasen überqueren, um dann die breite Treppe zur Terrasse hinaufzueilen und schließlich durch die Terrassentür aber so weit kam ich gar nicht erst. Ernst Eisenstein hatte also gefragt, wo der Weihnachtsmann bleibt. Aber bevor jemand aus de…