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Mikropolitik der Gewalt
Welchen Einfluss haben Macht- und Herrschaftsverhältnisse, die sich im Zuge eines gewaltsamen Konfliktaustrags neu herausbilden, auf den Verlauf und die Ergebnisse von Friedensprozessen? Am Beispiel des philippinischen Mindanao zeigt Sonja Grigat, wie friedenspolitische Maßnahmen Konfliktakteuren zu Machtmitteln werden, mithilfe derer sie Herrschaftsansprüche durchzusetzen versuchen. Anders als häufig angenommen richtet sich ihr Kampf dabei auf die Etablierung staatlicher Herrschaft. Zudem wird die Aufmerksamkeit wieder stärker auf die Herausforderungen gelenkt, die sich aus der politischen Dimension konstruktiver Konfliktbearbeitung ergeben.
Vorwort
Mikropolitik der Gewalt
Autorentext
Sonja Grigat, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Magdeburg.
Klappentext
Welchen Einfluss haben Macht- und Herrschaftsverhältnisse, die sich im Zuge eines gewaltsamen Konfliktaustrags neu herausbilden, auf den Verlauf und die Ergebnisse von Friedensprozessen? Am Beispiel des philippinischen Mindanao zeigt Sonja Grigat, wie friedenspolitische Maßnahmen Konfliktakteuren zu Machtmitteln werden, mithilfe derer sie Herrschaftsansprüche durchzusetzen versuchen. Anders als häufig angenommen richtet sich ihr Kampf dabei auf die Etablierung staatlicher Herrschaft. Zudem wird die Aufmerksamkeit wieder stärker auf die Herausforderungen gelenkt, die sich aus der politischen Dimension konstruktiver Konfliktbearbeitung ergeben.
Leseprobe
Viele innerstaatliche bewaffnete Konflikte widersetzen sich hartnäckig einer Lösung. Die meisten Kontrahenten versuchen, ihre Auseinanderset-zungen auf dem Verhandlungswege beizulegen; oftmals gelangen sie aber erst nach langjährigen, von vielen Unterbrechungen gekennzeichneten Verhandlungen zu Friedensabkommen, deren Umsetzung in vielen Fällen scheitert. Mittlerweile wurde eine Vielzahl von Faktoren identifiziert, die zu Erfolg und Scheitern von Friedensprozessen beitragen können. In Forschungen zu Friedensverhandlungen wurde herausgearbeitet, dass diese beispielsweise erschwert werden durch konfrontative Verhand-lungsstrategien (Zartman/Faure 2005), eine schwache Legitimation der Verhandelnden (Ferdowsi/Matthies 2003), eine mangelnde Kompromiss-fähigkeit aufgrund von "pathologies of leadership" (King 1997: 30) oder Aktionen von so genannten Spoilergruppen (Newman/Richmond 2006; Stedman 1997). Positive Effekte haben dagegen der Einsatz von Media-tion (Crocker u.a. 2001a; Bercovitch/Gartner 2009; Kressel 2006; Berco-vitch/Rubin 1992; Touval/Zartman 1985) und die Einbindung zivilgesell-schaftlicher Akteure in den Verhandlungsprozess (Diamond/McDonald 1996). Potenziell kriegsverlängernde und Friedensprozesse behindernde Fak-toren werden in den sozialwissenschaftlichen Debatten um die "neuen Kriege" (Kaldor 1999; Münkler 2002; Kalyvas 2001; Schlichte 2006a) , Kriegsökonomien (Ehrke 2002; Ruf 2003; Jean/Rufin 1999) , "fragile" Staatlichkeit (Schneckener 2006) und Staatszerfall (Rotberg 2003) reflek-tiert. Positiv dagegen wirken sich die Wiederherstellung funktionierender Staatlichkeit (Schneckener 2007) unter Einsatz von Power-Sharing-Mechanismen zwischen den Konfliktparteien (Hartzell/Hoddie 2007) sowie Maßnahmen zur Lösung des Sicherheitsdilemmas (Hartzell 1999) und zur Förderung sozioökonomischer Entwicklung aus (Ferdowsi/Matthies 2003). Die meisten dieser Faktoren verweisen auf eine Problematik, die in der Friedens- und Konfliktforschung bei der Beschäftigung mit Friedens-prozessen bislang noch nicht ausreichend berücksichtigt wird: die mit gewaltsamem Konfliktaustrag, politischen Verhandlungen und friedenspo-litischen Maßnahmen einhergehenden Veränderungen von Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Deshalb wird in dieser Arbeit ein analytisches Instrumentarium vorgestellt, mithilfe dessen diese Dimension von Friedensprozessen untersucht werden kann. Das Instrumentarium wird am Beispiel des Friedensprozesses im philippinischen Mindanao erprobt. Friedensprozess in Mindanao In den südlichen Philippinen kämpfen die Moro National Liberation Front (MNLF) und die Moro Islamic Liberation Front (MILF) seit Anfang der 1970er Jahre gewaltsam um politische Autonomie und kulturelle Selbstbe-stimmung für die dort lebende muslimische Minderheit. Die philippinische Regierung und die MNLF einigten sich grundsätzlich auf die Einrichtung einer autonomen Region im südwestlichen Mindanao zur Verregelung ihres Konflikts. Der erste Versuch, diesen durch eine Autonomieregelung zu beenden, scheiterte allerdings, weil sich die Parteien zwar im Jahr 1976 mit dem Tripoli Agreement auf ein Abkommen verständigten, sich aber nicht darüber einig wurden, wie die darin ausgeführte Autonomieregelung umgesetzt werden sollte (Pangarungan 1985; Diaz 1995). Einen zweiten Versuch unternahmen sie mit dem Final Peace Agreement (FPA) im Jahr 1996 (Aguirre 2006; Bertrand 2000; Chalk 1997). Dieses erschien zunächst für beide Parteien als verbindlich zu gelten; aber auch in diesem Fall traten bei der Umsetzung Differenzen auf, diesmal hinsichtlich der vollständigen Umsetzung und der Kompetenzverteilung zwischen Autonomieregion und Zentralstaat (Institute for Bangsamoro Studies 2006; Coronel Ferrer 2006; Lubang 2000). Die MNLF übernahm im Zuge des FPA in dreizehn Provinzen Mindanaos die entwicklungspolitische Gestaltung. Ihr Führer, Nur Misuari, wurde im Jahr 1996 zum Gouverneur der seit 1989 existierenden Autonomous Region in Muslim Mindanao (ARMM) gewählt. Nach dem Ende der autokratischen Herrschaft von Ferdinand Marcos war mit der neuen Verfassung von 1987 die Möglichkeit eingeräumt worden, Autonomieregelungen für Minderheitengruppen zu erlauben. Mit der ARMM wurde eine solche für die mehrheitlich muslimischen Gebiete Mindanaos geschaffen. Durch die Vereinbarungen im FPA sollten deren Kompetenzen erweitert werden, um eine noch größere Autonomie zu gewährleisten. Substanziell hat die MNLF seitdem wenig dazu beigetragen, die Mängel bei der Umsetzung des FPA zu beheben. Sie ist seit spätestens 2001, nachdem Nur Misuari als Gouverneur der ARMM ausschied, poli-tisch marginalisiert. Teile der Befreiungsfront haben sogar derweil wieder den bewaffneten Kampf aufgenommen. Die MILF, die sich Anfang der 1980er Jahre unter anderem wegen Streitigkeiten über die politische Ausrichtung und die Umsetzung des Tri-poli Agreement von der MNLF abgespalten hatte, intensivierte als Reaktion auf das FPA ihren gewaltsamen Kampf. Die philippinische Regierung und die MILF nahmen aber im Jahr 1997 Friedensverhandlungen auf. Seitdem haben die Vertreter der beiden Parteien eine Reihe von Zwi-schenabkommen unterzeichnet, in denen sie friedenspolitische Maßnah-men in den Bereichen Sicherheit und Wohlfahrt vereinbart haben (Abubakar Uy 2008; Abubakar 2004). Im Jahr 2008 sah es zunächst so aus, als würde mit dem Memorandum of Agreement on Ancestral Domain (MoA-AD) eine grundsätzliche Einigung über die Erweiterung der bereits existierenden Autonomieregion erzielt, die es der MILF ermöglicht hätte, in deren Institutionen zu partizipieren (PCID/MKFI/KAS 2010). Das Zwischenabkommen wurde aber, begleitet von Protesten von Vertretern der Autonomieregion und Vertretern anderer betroffener Interessengruppen, vom philippinischen Verfassungsgericht als nicht verfassungskonform verworfen. In Reaktion auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts eskalierte die Gewalt in Zentralmindanao, als frustrierte MILF-Kommandeure mit ihren Einheiten die philippinische Armee in Gefechte verwickelten und mehrheitlich von Christen bewohnte Dörfer plünderten. Erst im Dezember 2012 gelangten Regierung und MILF mit dem Framework Agreement on the Bangsamoro zu einer verfassungskonformen und von beiden Seiten tragbaren Teileinigung. Dieses Zwischenabkommen gilt als Meilenstein auf dem Weg zu einem Friedensabkommen (Liow/Franco 2013, Franco 2012). Die MILF, w…
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