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«Im Urlaub will ich mich wohlfühlen. Da lese ich gern etwas Unterhaltsames mit grossen Emotionen.»

Erfahren Sie im exklusiven Interview, wie Tabea Koenig ihre Liebe zu Italien in ihrem neuen Buch «Amore in italiano» einfliessen lässt und warum sie zum ersten Mal einen zeitgenössischen Roman geschrieben hat.

Tabea Koenig hautnah

Interviewt von Ex Libris

03. März 2025
Porträt Tabea Koenig
Bild: © Tabea Koenig

«Famiglia über alles!» – Was verbinden Sie mit diesem Satz?
Familie – oder eben Famiglia – ist Liebe. Das muss nicht zwingend die genetische Familie sein, sondern kann sich auch auf die erweiterte Familie beziehen, die man sich selbst aussucht oder erst gründet. Sie bedeutet für mich Halt, Sicherheit, Akzeptanz und Wachstum. Sie ist mein sicherer Hafen, der Ort, an dem ich immer mit offenen Armen aufgenommen werde, an dem ich bedingungslos so sein darf, wie ich bin, Support erhalte, aber auch all das wieder zurückgebe. Sie ist das Beste, was dir passieren kann, und bereitet dir gleichzeitig mehr Kopfzerbrechen als alles andere. Familie ist nicht immer einfach, sie bedeutet auch Arbeit und teilweise schmerzhafte Auseinandersetzung mit sich selbst. Wenn du diese Art von Familie gefunden hast, ist das wie ein Sechser im Lotto. Eine solche Familie wünsche ich jedem. Sie ist mir so wichtig, dass ich ihr ein ganzes Buch gewidmet habe.

Ihr neues Buch heisst «Amore in italiano». Worum geht es?
Der Roman beginnt 1955 mit dem letzten Abend, den Alberto und seine frisch angetraute Frau Christina in Venedig verbringen. Einen ganzen Sommer lang sind die beiden durch Italien gereist und haben jeden Winkel ihrer Heimat erkundet. Es war eine Art Abschiedsreise, bevor sie in ein unbekanntes Leben nach Deutschland aufbrechen. Mehr als vierzig Jahre später steckt Christinas Tochter Lucia in einer Lebenskrise. Sie steht vor den Trümmern ihrer Ehe und muss jetzt auch noch mit ihren beiden Töchtern im Schlepptau ihrem Vater und dem hilfsbedürftigen Bruder hinterherreisen, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Italien aufgebrochen sind. Dabei kommt Lucia ihrer Familie und deren Geschichte zwischen Deutschland und der italienischen Heimat näher als je zuvor. Vor allem aber wird der turbulente Roadtrip für sie zu einer Reise zu sich selbst, die ihr das Herz für die Schönheit des Lebens öffnet.

Was ist Ihnen an dieser Geschichte besonders wichtig?
Ein Roman, der eine Liebesgeschichte beinhaltet, endet meist damit, dass das Liebespaar am Ende zusammenkommt. Aber was passiert danach? Was für Geschichten hält das Leben noch bereit, wenn das Happy Ever After eben doch eines Tages vorbei ist und man plötzlich wieder allein dasteht? Woher schöpfen wir die Kraft, wenn wir uns noch einmal neu erfinden müssen? Die Geschichte soll Mut machen, sich genau diesen Fragen zu stellen und Herausforderungen im Leben nicht nur als Problem zu sehen, sondern auch als Möglichkeit, um gemeinsam daran zu wachsen. Abgesehen davon soll der Roman auch einfach Spass machen, unterhalten und die Sehnsucht nach Italien wecken.

Warum haben Sie sich Italien als Schauplatz ausgesucht?
Weil es ein wunderschönes Land ist und als Handlungsort die ganze Zeit vor meiner Nase lag. Seit meiner Kindheit bin ich, bis auf wenige Ausnahmen, einmal im Jahr in Italien. Am Strand macht das Leben einfach mehr Spass. Die Wärme, das Licht, das Rauschen des Meeres, die salzige Luft, der Geruch von den Pinienwäldern, das Lärmen der Zikaden und die Rufe der Händler auf dem Mercato … Hier kann ich abschalten. Gleichzeitig wird es nie langweilig, weil Italien neben den Stränden und dem tollen Essen eine unglaublich vielfältige Kulturgeschichte hat. Italien abseits vom touristischen Mainstream habe ich durch meine Schwiegerfamilie kennengelernt. Mein Mann hat eine Nonna, wie sie im Bilderbuch steht. Sie stammt aus der Nähe von Venedig und kam in den 1950er-Jahren in die Schweiz. Ihr kulturelles Erbe ist fester Bestandteil unseres Familienbewusstseins. Und: In Italien hatte ich immer die besten Eingebungen, was das Schreiben betrifft. Von daher war es naheliegend, auch mal einen Roman in Italien spielen zu lassen.

Welche Orte aus «Amore in italiano» sollte man auf jeden Fall auf seinem eigenen Roadtrip durch Italien einplanen?
Aus kultureller Sicht auf jeden Fall Rom, eine Stadt, die mich mit ihrer immensen Kulturgeschichte überwältigt hat und selbst nach Jahren mit solcher Klarheit in meinen Erinnerungen nachhallt, dass es mir noch immer ein Lächeln ins Gesicht zaubert, wenn ich an sie denke. Wenn es aber um die Landschaft und die Magie in der Ruhe geht, dann würde ich jedem die Toskana mit seinen malerischen Hügellandschaften ans Herz legen.

Was macht eine gute Ferienlektüre aus?
Im Urlaub will ich mich wohlfühlen. Da lese ich gern etwas Unterhaltsames mit grossen Emotionen. Etwas, das ich verschlingen kann, ohne viel darüber nachzudenken. Die Lektüre darf nicht zu dick sein, weil ich paradoxerweise gerade im Urlaub weniger zum Lesen komme als zu Hause.

Welches Buch nehmen Sie garantiert in Ihre nächsten Ferien mit und warum?
So genau kann ich das jetzt noch nicht sagen. Ich habe zu Hause keinen SuB (Stapel ungelesener Bücher), viel mehr gehört es zu meiner Ferienvorbereitung, kurz vor der Abreise eine Buchhandlung oder eine Bibliothek zu besuchen und mich spontan für einen Kauf zu entscheiden. Aber in der Regel nehme ich mehr als ein Buch mit, damit ich etwas auf Reserve habe, sollte ich die Lektüre zu rasch beenden oder sie mir nicht gefallen. Und ich bin Team «gedrucktes Buch», auch wenn das eBook gerade im Urlaub durchaus seine Vorteile hätte.

Bisher haben Sie historische Romane geschrieben, «Amore in italiano» hingegen spielt in der Gegenwart. Wie hat sich das auf Ihre Herangehensweise an das Buch ausgewirkt?
Zunächst einmal muss ich gestehen, dass «Amore in italiano» ebenfalls als historischer Roman angedacht war, in dem der Vater Alberto die Hauptrolle einnimmt und seine Liebesgeschichte mit Christina im Vordergrund steht. Das Ganze hätte in den 1920ern gespielt. Meine Agentin legte mir nahe, dass es schwierig sei, diesen Stoff zu vermitteln, und hat mich gefragt, ob ich mir eine ähnliche Geschichte in einer moderneren Zeit vorstellen könnte. Ich hätte es natürlich trotzdem mit diesem Setting probieren können und wahrscheinlich eines Tages, unter Umständen erst nach vielen Jahren, einen Verlag gefunden, habe aber auf ihre Expertise vertraut. Meine einzige Bedingung: Moderner als die 1990er-Jahre darf es nicht sein. Bei einem stundenlangen Brainstorming haben wir viele Elemente aus der alten Version recycelt und eine neue Protagonistin geschaffen: Albertos Tochter Lucia. Ansonsten hat sich kaum etwas an der Herangehensweise geändert: Den Roman vorab plotten, Exposé und Leseprobe verfassen und dann mit dem Schreiben beginnen. Auch hier musste ich vieles Recherchieren. Es waren zwar weniger Sachbücher als bei den historischen Romanen, dafür war ich mehr auf Google Street View und Tripadvisor unterwegs.

Was ist schwieriger zu schreiben – ein historischer oder ein zeitgenössischer Roman?
Ich höre oft, dass der historische Roman das anspruchsvollere Genre ist, allerdings bin ich darin sehr geübt. Nicht das Schreiben ist die Herausforderung, sondern die umfassende Recherche, die Genauigkeit und das ständige Abwägen, ob und in welchem Ausmass ich der Handlung zuliebe auch mal von den Fakten abweichen kann oder wo ich Spielraum habe, Raum für Interpretation zu lassen. Das ist sehr zeitaufwendig und begrenzt die Möglichkeiten der Handlung. Der zeitgenössische Roman ist in dieser Hinsicht zwar offener, doch zu viele Möglichkeiten können ebenso überfordern. Die Ausdrucksweise ist zwar einfacher, schien mir dafür aber weniger schön als die ältere Sprache meiner früheren Romane. Der Wortschatz ist geschrumpft und das kam mir plump vor. Ein Vorteil beim historischen Roman ist auch, dass ich einen Zeitsprung von mehreren Jahren einbauen kann, um die Handlung und die Entwicklung der Figuren voranzubringen. Bei «Amore in italiano» hatte ich diese Möglichkeit nicht, da die ganze Geschichte innerhalb von drei Wochen spielt. Auch habe ich es vermisst, ausführlich über die opulente Kleidung oder die aufwendige Frisur zu schreiben, wie ich es bei meinen historischen Romanen gern mache. Von daher hat mich der zeitgenössische Roman ganz schön aus der Reserve gelockt.

Nach Ihrem Studium haben Sie als Bibliothekarin und später im Verlagswesen gearbeitet. Wie haben diese Tätigkeiten Ihr Schreiben beeinflusst?
Sie haben für mich das Schreiben normalisiert. Das musste es, damit das Schreiben in meinen Alltag einfliesst. Wenn Schreiben etwas so Aussergewöhnliches ist, dass ich allein damit dastehe, fehlt mir der Diskurs und dadurch die Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln. Ausserdem sind mir Menschen einfach sympathischer, die Bücher lieben. Daher musste ich mein Umfeld anpassen und ein Arbeitsklima schaffen, in dem sich meine Mitmenschen ebenfalls der Welt der Bücher verschreiben, sei es lesend oder schreibend. Ich muss einfach von Büchern umgeben sein.

Was hat Sie dazu bewegt, Ihr erstes Buch zu schreiben?
Das war 2014. Ich war 22 Jahre alt und ein absoluter Fan vom viktorianischen Zeitalter. Mich faszinierte die Stellung der Frau und die Ambivalenz der gesellschaftlichen Strukturen und ich verschlang alles, was in dieser Zeit spielte. Gleichzeitig habe ich im Studium ein Modul besucht, das sich mit aussergewöhnlichen Lebenslagen beschäftigte. Eine Sexarbeiterin war zu Gast und erzählte von ihrem Leben und den Herausforderungen, wie etwa der Stigmatisierung ausserhalb ihres Berufsalltags. Dann machten mein Mann und ich im selben Jahr eine Reise durch Schottland. Da stand ich irgendwo in den schottischen Highlands und überall waren diese Ruinen von verlassenen Gehöften. Die Reiseführerin erklärte, dass im 19. Jahrhundert während der sogenannten «Highland Clearances» viele Bauern von Landbesitzern vertrieben wurden, um lukrativen Schafweiden Platz zu machen. Und da hatte ich auf einmal eine vage Romanidee im Kopf, die mit den Highland Clearances, einem Mord und einer starken Protagonistin aus dem Rotlichtmilieu zu tun hatte. Die genaue Geschichte kannte ich noch nicht, es waren mehr Eckpfeiler, um diese herum ich in einem langen Prozess eine Geschichte gestrickt habe. So entstand mein erster Roman «Hurentocher - Die Distel von Glasgow», der im viktorianischen Schottland von der Tochter einer ermordeten Prostituierten handelt, die zuerst einen gesellschaftlichen Aufstieg bestreiten muss, ehe sie den Mord an ihre Mutter rächen kann.

England, Frankreich und nun Italien – über welches Land oder welche Stadt möchten Sie unbedingt auch noch eine Geschichte schreiben und warum?
Schauplätze müssen für mich Sehnsuchtsorte sein, damit ich wenigstens im Kopf auf Reisen gehen kann, denn beim Schreiben starrt man überwiegend in den Laptop und sieht nicht viel von der Welt. Meist lasse ich damit alte Urlaubserinnerungen wieder aufleben, denn es ist mir wichtig, die Schauplätze zu kennen. Es müssen Orte sein, die mir etwas bedeuten und aus denen ich Kraft schöpfe. Das könnte in der Schweiz auch das Tessin oder in Deutschland der Schwarzwald sein. Zu beiden Gegenden habe ich konkrete Ideen. Vielleicht ist es aber auch ein mir noch völlig unbekannter Ort, den ich erst in ein paar Jahren kennenlerne, und der die nächste Geschichte für mich bereithält.

Sie selbst stammen aus der Schweiz. Wie erleben Sie die Schweizer Literaturlandschaft?
Ich nehme sie als sehr facettenreich und bereichernd wahr. Wir haben viele tolle Schriftsteller*innen und spannende Festivals. Es ist leichter, sich in der Schweiz zu vernetzen, als in Deutschland, wo der Markt so viel grösser ist. Ich lerne durchs Band tolle, ambitionierte Menschen kennen und nehme die Stimmung als sehr offen und wohlwollend wahr. Auch schätze ich die Möglichkeit, mich mit anderen Autor*innen aus der Region zu treffen, etwa durch den Verein lokal lesen, der sich dafür einsetzt, die Literaturszene rund um Basel sichtbarer zu machen. Inhaltlich finde ich gut, dass bei Verlagen und im Buchhandel auch mehr für ein jüngeres Publikum, etwa im New-Adult-Bereich, gemacht wird. Das hatte mir bisher gefehlt.

Auf welches Projekt freuen Sie sich als nächstes? Wird aus «Amore in italiano» vielleicht auch eine neue Reihe?
«Amore in italiano» ist ein in sich abgeschlossener Einzelband. Aber es gibt Elemente, an die ich wieder anknüpfen werde. Mit jedem Roman wachse ich und stosse auf neue Interessen. Bei «Amore in italiano» habe ich gemerkt, dass die Geschichte von Gianni, Lucias Bruder, der mit einer Behinderung lebt, noch nicht zu Ende erzählt ist. Inklusion ist ein Thema, das mich noch lange beschäftigen wird. Nicht zuletzt auch deswegen, weil meine Nichte mit einem zusätzlichen Chromosom auf die Welt gekommen ist. Denn wie in meinem Roman gilt auch im echten Leben: Famiglia über alles!

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