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1941/42: Das Jahr 1941 endet mit einem Paukenschlag: dem Angriff auf Pearl Harbour. Und auch die Philippinen werden bombardiert ausgerechnet jetzt, wo Blair dort ist. Sie wollte einen letzten, verzweifelten Versuch unternehmen, ihre Ehe zu retten. Deshalb folgte sie ihrem Mann in ein Pulverfass. Jetzt muss Blair nicht nur um ihre Ehe, sondern auch ums Überleben kämpfen. Währenddessen sehen ihre Schwestern sich in Russland und den USA mit ganz eigenen Problemen konfrontiert. Wo werden die drei Halt finden in einer Welt, die auf den Abgrund zutaumelt?
Autorentext
Judith Pella studierte Sozialwissenschaften und gilt als Meisterin des historischen Romans. Sie liebt es, gründlich zu recherchieren und in verschiedene Zeitepochen einzutauchen. Zusammen mit ihrem Mann lebt sie in Oregon.
Leseprobe
1 Kuibyschew, Sowjetunion Dezember 1941 Als Cameron an diesem Abend des 7. Dezember ins Restaurant des Grand Hotels in Kuibyschew trat, erschien ihr der Anblick von Johnny Shanahan und Alex Rostow, die zusammen an einem Tisch saßen und sich angeregt unterhielten, so natürlich. Es dauerte ein paar Herzschläge, bis sie begriff, was an dieser Szene falsch war. Oder so wunderbar richtig! Alex war in Moskau gewesen, als sie vor mehreren Wochen Kuibyschew verlassen hatte, um ihre Familie in den Staaten zu besuchen. Damals hatte es so ausgesehen, als wären sie für sehr lange Zeit voneinander getrennt. Alex!, rief sie aus. Sie vergaß alle Zurückhaltung, vergaß, dass der Raum voll neugierig gaffender Journalisten war, die plötzlich das Interesse an ihrem Essen verloren hatten, und eilte zum Tisch der beiden Männer. Alex stand schnell auf und kam ihr auf halbem Weg entgegen. Er nahm sie in die Arme und hob sie vom Boden hoch. Sie küssten sich verliebt, bis die spottenden Bemerkungen der anderen Anwesenden an Camerons Ohren drangen. Johnny Shanahans Stimme war es, die sie schließlich aus ihrem verliebten Traumzustand riss. Äh ... ich verderbe euch ja nur ungern die Stimmung, aber hieß es nicht, dass ihr beide euch nicht treffen dürft ... Schon vergessen?, mahnte er vorsichtig, aber mit dem üblichen Anflug von Sarkasmus in seiner Stimme. Zum Kuckuck mit der Polizei!, entgegnete Alex und küsste sie erneut. Aber Cameron entzog sich seiner Umarmung. Sie hatte die Polizei tatsächlich vergessen, so hypnotisiert war sie von Alex' intensivem Blick gewesen, der sie wie ein von der Sommersonne erwärmter, kristallklarer, blauer Fluss durchströmte. Die Probleme mit Oleg Gorbenko hätten ihr beinahe eine Ausweisung beschert und hatten ihre Rückkehr nach Russland verzögert. Sie hatte eine Weile warten müssen, bis ihr Visum schließlich doch verlängert worden war. Die paar Wochen in Amerika hatten sie die Gefahren fast vergessen lassen, die es mit sich brachte, wenn man zu einem russischen Staatsbürger engeren Kontakt oder gar eine Liebesbeziehung hatte. Was machst du hier, Alex?, murmelte sie. Du beklagst dich doch nicht, oder? Oh, nein ... bestimmt nicht. Seufzend versank sie in einem weiteren liebevollen Kuss. Endlich wurde sie sich der Pfiffe und des Lachens von ihren Kollegen bewusst. Was ist denn mit euch?, fragte sie gespielt beleidigt. Habt ihr überhaupt keinen Anstand? Was?, lachte Donovan, der Korrespondent der New York Tribune. Wir knutschen doch nicht mitten in einem öffentlichen Restaurant herum! Dann sollten wir uns wohl lieber einen Ort suchen, an dem wir ungestörter sind, schlug Cameron vor. Sie ergriff Alex' Hand und zog ihn zur Tür, was eigentlich nicht nötig gewesen wäre, da dieser es selbst kaum erwarten konnte, mit ihr allein zu sein. Der einzige ungestörte Ort, den sie finden konnten, war Camerons winziges Hotelzimmer, das genau so war, wie sie es vor mehreren Wochen verlassen hatte. Eine gewisse Unsicherheit legte sich über beide. Cameron vermutete, dass dies nicht nur daran lag, dass sie in ihrem Zimmer waren, sondern auch daran, dass sie zum ersten Mal wieder zusammen waren, seit sie sich in dem Moskauer Krankenhaus, in dem Alex arbeitete, ihre Liebe gestanden hatten und kurz danach durch die Kriegsumstände und den NKWD wieder auseinandergerissen wurden. Seitdem hatte sie sich oft gefragt, wie es wohl wäre, unter diesen neuen Umständen mit Alex zusammen zu sein, oder ob sie überhaupt je eine Gelegenheit dazu bekämen. Jetzt waren sie unerwartet zusammen und Cameron wurde plötzlich schüchtern. Ein Gefühl, das sie normalerweise überhaupt nicht kannte. Ihr fiel nicht einmal eine lockere, oberflächliche Bemerkung ein. Vor ihr stand der Mann, den sie liebte. Der erste Mann, zu dem sie je gesagt hatte, dass sie ihn liebe. Selbst zu Johnny Shanahan hatte sie diese Worte nie gesagt. Andererseits war ihr immer bewusst gewesen, dass sie Johnny nie wirklich geliebt hatte. Erst bei Alex hatte sie erlebt, zu welch einer tiefen Liebe sie fähig war. Wenn überhaupt, dann liebte sie das, was Johnny für sie als Journalist repräsentierte, jemand, von dem sie viel lernen konnte, was das Schreiben betraf. Sie waren zwar ähnlich gesinnte Seelen, aber ihre Herzen waren einander nie nahegekommen. Bei Johnny hatte etwas Elementares gefehlt, auch wenn sie nicht beschreiben konnte, was es war. Er hatte Camerons Seele nicht erfüllen können. Dieses Etwas sie war immer noch nicht ganz sicher, was es genau war hatte Alex. Er schien etwas in ihr zu vervollständigen oder versprach eine solche Vervollständigung. Plötzlich musste Cameron an den Schlüssel denken, den sie an einer Kette um den Hals trug. Alex hatte ihn ihr gegeben, als er erfuhr, dass die Polizei ihnen verbieten würde, sich zu treffen. Er hatte Alex' Mutter gehört und war der Schlüssel zu ihrem Haus in Leningrad. Die Frau war gezwungen worden, ihr Zuhause vor dem Großen Krieg zu verlassen. Sie hatte ins Exil gehen müssen, weil sie als Revolutionärin gegolten hatte, und war gestorben, bevor sie nach Russland hatte zurückkehren können. Alex hatte Cameron den Schlüssel als ein Versprechen gegeben, dass sie eines Tages den Traum seiner Mutter wahr machen und dieses Haus besuchen würden. Gemeinsam. Dieser Traum schien jetzt völlig unrealistisch zu sein, da Leningrad von den Deutschen besetzt war. Die Stadt litt unter Bombardierungen und Hunger und nur Gott wusste, unter welchen anderen Grausamkeiten noch. Ausländern war der Zutritt in die Stadt verwehrt und nur diejenigen Russen, die an der Blockade vorbeigeschmuggelt werden konnten, um den Bewohnern zu helfen, bekamen die Erlaubnis, die Stadt zu betreten. Ja, es bestand nur eine geringe Hoffnung. Aber Alex war da, trotz aller widrigen Umstände. Es musste also wahr sein: Alles war möglich. Sogar in Russland. Wie lang bleibst du hier?, brach Cameron schließlich das Schweigen, das sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte. So lange sie in Moskau ohne mich auskommen können, antwortete er. Wie du dir vorstellen kannst, nimmt die Zahl der Verletzten ständig zu. Aber der Krieg läuft gut, oder? Die Rote Armee scheint den deutschen Versuch, Moskau einzunehmen, abgewehrt zu haben. Wenigstens vorerst. Aber die Machtverhältnisse an der Wolga können sich jederzeit ändern. Trotzdem ist die Moral in der Stadt groß. Ein russischer Gegenangriff hat begonnen. Der Winter wird Russlands Verbündeter sein. Alex zuckte mit wenig Begeisterung die Achseln. Der Winter trifft die russische Armee genauso wie die Deutschen. Was viele Ausländer nicht erkennen: Mit dem Wintereinbruch und Frost wird es sogar leichter. Der Schlamm und Regen sind eigentlich ein größeres Hindernis als der Schnee. Täusche dich nicht: Alles, was den Deutschen das Leben schwer macht, ist auch für die Russen ein Nachteil. Sie schaute ihm forschend ins Gesicht, wo die Anspannungen der letzten Wochen unübersehbare Spuren hinterlassen hatten. Das Jungenhafte an seinem faszinierend guten Aussehen war fast völlig verschwunden. An seine Stelle waren eine Anspannung und Müdigkeit getreten, die ihr bei der ersten Freude über ihr Wiedersehen entgangen waren. War es sehr schlimm für dich, Alex? Ein leichtes Zittern ging seiner Antwort…