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Kaum haben Will Laurence und sein Drache Temeraire ihr Abenteuer im Ottomanischen Reich heil überstanden, da droht bereits das nächste Unheil: In Britannien ist eine verheerende Seuche ausgebrochen, und die Drachen der Feuerreiter siechen hilflos dahin. Niemand weiß, wie lange diese katastrophale Schwäche noch vor dem kriegslüsternen französischen Kaiser Napoleon geheim gehalten werden kann. Und so müssen Will Laurence und Temeraire sofort wieder aufbrechen dieses Mal nach Afrika, wo es das einzige Heilmittel gegen die Seuche geben soll. Doch auf dem schwarzen Kontinent lauern vielfältige Gefahren ...
Eines der besten Bücher, das ich seit vielen Jahren gelesen habe. Eine wirklich originelle, neue Idee.
Autorentext
New-York-Times-Bestsellerautorin Naomi Novik ist in New York geboren und mit polnischen Märchen und den Büchern von J.R.R. Tolkien aufgewachsen. Mit ihrem Debüt, der Fantasyreihe »Die Feuerreiter seiner Majestät«, wurde sie weltbekannt. Inzwischen hat sie zahlreiche Preise erhalten, darunter 2016 den Nebula Award für »Das dunkle Herz des Waldes« und 2019 den Locus Award für »Das kalte Reich des Silbers«. Naomi Novik lebt mit ihrer Familie und sechs Computern in New York.
Leseprobe
Teil eins
1
»Schicken Sie die nächste Rauf«, fuhr Laurence wütend den armen Calloway an, obwohl der seinen Verwünschungen nicht verdient hatte. »Verflucht! Wenn nötig, schicken Sie alle auf einmal rauf.« Der Kanonier feuerte die Leuchtraketen so rasch ab, dass seine Hände längst von schwarzen Verbrennungen überzogen waren. Außerdem war ihm etwas Pulver auf seine Finger gerieselt, und da er sich nicht damit aufgehalten hatte, sie sauber zu wischen, ehe er das nächste Leuchtgeschoss an die Lunte hielt, lösten sich Teile der Haut bereits in hellem Rot ab.
Wieder stürzte einer der kleinen französischen Drachen heran und hieb nach Temeraires Flanke, sodass fünf Männer schreiend abstürzten, als ein Teil des provisorischen Tragegeschirrs sich lockerte. Sofort verschwanden sie aus dem Lichtschein der Laternen und wurden von der Dunkelheit verschluckt. Das lange, aus gestreifter Seide zusammengedrehte Seil - ein Vorhang, den sie irgendwo abgerissen hatten und dessen Fäden von den zerrissenen Kanten flatterten - entfaltete sich sanft im Wind und segelte ihnen hinterher. Ein Stöhnen, auf das gedämpftes, zorniges Murmeln folgte, ging durch die Reihen der übrigen preußischen Soldaten, die sich noch immer verzweifelt an das Geschirr klammerten.
Alle Dankbarkeit, welche diese Männer für ihre Rettung aus dem belagerten Danzig empfunden haben mochten, war längst verflogen. Drei Tage lang waren sie durch eisigen Regen geflogen, und als Verpflegung hatte es nur das wenige gegeben, was sie in jenen letzten, verzweifelten Momenten in ihre Taschen gestopft hatten. Abgesehen von einigen flüchtigen Stunden an einem kalten und sumpfigen Abschnitt der niederländischen Küste waren sie ohne Rast geflogen, nur um seit der vergangenen endlosen Nacht von einer französischen Patrouille gejagt zu werden. Solchermaßen verängstigte Männer waren zu allem fähig, wenn sie in Panik gerieten. Immerhin verfügten viele der über hundert Soldaten, die sich an Bord drängten, noch über ihre Handfeuerwaffen und Klingen, und ihnen standen weniger als dreißig Mann von Temeraires ursprünglicher Besatzung gegenüber.
Angestrengt suchte Laurence erneut mit seinem Teleskop den Himmel ab und hoffte, irgendwo Drachen oder zumindest ein Antwortsignal auszumachen. Das Ufer war in Sicht, die Nacht klar, und er konnte sogar den Schein der Lichter erkennen, mit denen die kleinen Häfen entlang der schottischen Küste gesprenkelt waren. Weiter unten hörte er das beständig lauter werdende Tosen der Brandung. Doch obwohl ihre Leuchtgeschosse bis nach Edinburgh hin deutlich zu sehen sein mussten, war noch keine Verstärkung eingetroffen, nicht einmal einen einzigen Kurierdrachen hatte man zu einem Kundschaftsflug entsandt.
»Sir, das ist das Letzte.« Calloway hustete im grauen Qualm, der seinen Kopf umgab, als das Leuchtgeschoss emporpfiff. Lautlos entlud sich der Pulverblitz über ihren Köpfen und verwandelte die dahinjagenden weißen Wolken in ein leuchtendes Relief, das sich ringsum auf Drachenschuppen widerspiegelte: bei Temeraire ganz in Schwarz, bei den anderen in grellen Farben, die von dem gespenstisch blauen Licht zu verschiedenen Grauschattierungen abgedämpft wurden. Die Nacht war voller Schwingen, ein Dutzend Drachen drehte seine Köpfe, um zurückzuschauen, die leuchtenden Pupillen gegen die Helligkeit verengt. Alle waren über und über von Männern bedeckt, während eine Handvoll französischer Patrouillendrachen sie umschwirrte.
All dies war nur einen Augenblick lang zu erkennen, bevor ein scharfes Krachen und Donnern ertönte; kurz darauf verlosch das Leuchtgeschoss, und alles versank wieder in Schwärze. Laurence zählte bis zehn und noch einmal bis zehn, aber immer noch kam keine Antwort von der Küste.
Und wieder griffen die französischen Drachen, nun mit frischem Mut, an. Temeraire versuchte einen Schlag, der den winzigen Pou-de-Ciel vom Himmel hätte fegen sollen, doch er war zu langsam, da er keine weiteren seiner Mitreisenden abwerfen wollte. Mit verächtlicher Leichtigkeit wich der weitaus kleinere Gegner aus und drehte ab, um auf seine nächste Chance zu warten.
»Laurence«, sagte Temeraire und sah sich um, »wo sind die anderen? Victoriatus befindet sich in Edinburgh; zumindest er sollte inzwischen hier sein. Schließlich haben wir ihm geholfen, als er verletzt war. Obwohl ich natürlich eigentlich gegen diese kleinen Drachen keine Hilfe benötige«, fügte er hinzu, während er seinen Hals streckte, der vor Erschöpfung langsam hinabgesunken war. »Aber es ist einfach so mühsam, wenn man versucht zu kämpfen, während man so viele Leute transportiert.«
Diese Beschreibung beschönigte die Situation zweifellos, denn sie konnten sich nicht einmal anständig verteidigen, und Temeraire trug dabei die Hauptlast. Längst blutete er aus vielen kleinen Schnittwunden am Bauch und den Flanken, die von der Mannschaft nicht verbunden werden konnten, weil sich überall Männer drängten.
»Sorg einfach dafür, dass alle weiter in Richtung Küste fliegen.« Einen besseren Vorschlag hatte Laurence auch nicht. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass uns die Patrouille auch über Land verfolgen wird«, fügte er hinzu, doch Zweifel schwangen in seinem Ton mit, denn er hätte es sich auch nicht träumen lassen, dass eine französische Patrouille so nahe an die Küste herankommen konnte, ohne dass sich ihr jemand entgegenstellte. Wie er unter Feuer eintausend ängstliche und erschöpfte Männer absetzen sollte, wollte er sich im Moment lieber nicht vorstellen.
»Ich versuche es ja«, entgegnete Temeraire erschöpft. »Wenn sie nur mal aufhören würden, sich auf Kämpfe einzulassen.« Dann wandte er sich wieder seinen Aufgaben zu. Durch die beständigen nadelstichartigen Attacken waren Arkady und seine kleine Schar wilder Gebirgsdrachen kurz davor, völlig außer Kontrolle zu geraten. Ständig versuchten sie, sich mitten in der Luft herumzudrehen und den französischen Patrouillendrachen nachzujagen.
Durch ihre Verrenkungen schüttelten sie mehr der bedauernswerten preußischen Soldaten von sich herunter, als es dem Feind durch seine Aktivitäten je hätte gelingen können. In ihrer Unachtsamkeit lag jedoch keine Boshaftigkeit. Menschen kannten die wilden Drachen höchstens als eifersüchtige Wächter von Vieh- und Schafherden. Für sie waren ihre Passagiere nicht mehr als eine ungewohnte Last, aber ob mit oder ohne Absicht - die Männer starben trotzdem. Nur durch ständige Wachsamkeit konnte Temeraire die Wilddrachen von diesem Verhalten abbringen. Im Moment stand er über ihnen in der Luft und trieb die anderen auf ihrem Flug mal mit Schmeicheleien, mal mit Drohungen an.
»Nein, nein, Gherni«, rief er und schoss nach vorn, um der kleinen blauweißen Wilden einen Klaps zu versetzen. Sie hatte sich direkt auf den Rücken eine…