Was, wenn wir nicht nur niemals modern gewesen sind, sondern Geisterwesen, Ahnen und Götter nach wie vor unter uns leben? Dann würde es sich bezahlt machen, von jenen zu lernen, die ihre Existenz immer schon anerkannt haben: immanentistische Gesellschaften. Mit diesem Begriff bezeichnet Marshall Sahlins Gesellschaften, die sowohl historisch als auch geografisch den größeren Teil der Menschheit ausmachen und die Geister als reale Personen betrachten, als Metamenschen, die mit den Menschen in einer kosmischen Gemeinschaft leben, mit ihnen interagieren und ihr Schicksal beeinflussen. Marshall Sahlins liest ältere und neuere Ethnografien und nimmt uns so mit auf eine Reise um die Welt, von den Inuit am Polarkreis bis zu den Dinka in Ostafrika, von den Arawete-Schwemmgärtnern in Amazonien bis zu den Gartenbauern auf den Trobriand-Inseln. Und er zeigt, dass in den meisten Kulturen auch heute noch die Menschen nur ein kleiner Teil eines verwunschenen Universums sind, das durch die transzendenten Kategorien der »Religion« missverstanden wird.

»Zu behaupten, dass die Menschen die Geister erfunden beziehungsweise die Götter nach ihrem eigenen Bild geschaffen haben, wäre also schon deshalb falsch, weil man ihnen damit gewissermaßen die ultimative Macht über die Mächte zusprechen würde. Die Menschen haben die Götter nicht aus dem Nichts erschaffen. Es waren reale, empirische, lebensspendende und todbringende Kräfte. Die Menschen gaben ihnen lediglich greifbare Eigenschaften, die ein Verhandeln mit ihnen ermöglichten, oder sie zumindest verstehbar machten: Bewusstsein, Einsicht, Wille, Absicht.«

Vorwort

**Die Rückkehr der Geister in die Geisteswissenschaften

Autorentext
Marshall Sahlins, geboren 1930, gilt als einer der einflussreichsten und originellsten US-amerikanischen Sozialanthropologen der Gegenwart. Er lässt sich auf keine Schule festlegen und vertritt substantivistische, formalistische, strukturalistische, marxistische und neoevolutionistische Standpunkte.