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In der klassischen Wissenschaftsphilosophie stellt die Prüfung rekonstruktiver Verfahren anhand der minutiösen Betrachtung von Fallbeispielen aus den Einzelwissenschaften eine verbreitete Methode der Plausibilisierung wissenschaftsphilosophischer Positionen dar, eine Methode, die vor allem im Umkreis Wolfgang Stegmüllers und in der von Wilhelm Kamlah und Paul Lorenzen begründeten «Erlanger Schule» gepflegt wurde. Selten allerdings drangen solche Studien zu einem Vergleich verschiedener rekonstruktiver Methoden vor. Indem Marianne Hänseler die diskurstheoretische Methode auf die Bakteriologie von Robert Koch anwendet, verwendet sie ein Verfahren, das im Ansatz einen Vergleich philosophischer Positionen erlaubt. Im Zentrum der Analyse einer Kulturgeschichte der Bakteriologie stehen die Diskussion und Anwendung philosophischer Metapherntheorien (Hans Blumenberg, Max Black, Mary Hesse, Paul Ricur, Eva Feder Kittay).Mit seinen bahnbrechenden Entdeckungen des Milzbrand- und des Tuberkuloseerregers (1876 bzw. 1882) wurde Robert Koch zum Begründer der Bakteriologie, eines wissenschaftlichen Feldes, für das allererst eine geeignete Terminologie entwickelt werden musste. Erst die metaphorologische Rekonstruktion ihrer Begrifflichkeit erlaubt es aber, die Bakteriologie als eine im letzten Drittel des 19.Jahrhunderts im Spannungsfeld von Naturwissenschaft, Medizin und Politik angesiedelte Disziplin kulturhistorisch einzubetten. Aufschlussreich ist dabei die Umschreibung nicht nur der Struktur dieser Mikroorganismen als Stäbchen, Fäden, Wolken und so fort, sondern auch ihrer Wirkung als Erreger von Infektionskrankheiten in Metaphern des Krieges, der Offensive, der Waffen und der Abwehr.
Metaphern sind in der Philosophie und Wissenschaftstheorie lange als illegitime epistemische Werkzeuge für Aussagen über die Natur der Dinge oder als rhetorische Feuerwerke mit Überraschungseffekt, aber ohne Erkenntnisgewinn verstanden worden. Neuere Theorien (Hans Blumenberg, Max Black, Mary Hesse, Paul Ricoeur, Eva Feder Kittay) schreiben Metaphern demgegenüber eine epistemisch konstitutive Rolle zu. Die vorliegende interdisziplinäre Studie setzt sich mit diesen Ansätzen auseinander und entwickelt sie anhand eines wissenschaftshistorischen Untersuchungsfeldes, der Bakteriologie Robert Kochs, weiter, um die zentrale Rolle von Metaphern in der Forschung aufzuzeigen. Dabei wird einerseits Kochs bekannte Kriegsmetaphorik minutiös analysiert. Aufschlussreich ist beispielsweise die Umschreibung der Wirkung von Bakterien als Erreger von Infektionskrankheiten in Bildern der Invasion und Kriegsführung. Andererseits wird Kochs noch nicht erforschte Alltagsmetaphorik untersucht, die in der frühen Forschungsphase ab 1876 entstanden ist und als innovativ und epistemisch relevant gedeutet werden kann. Bei der sprachlichen Erfassung der noch unbestimmten Mikroorganismen spielen alltägliche Metaphern wie 'Haarwulst ' oder 'Kügelchen' eine wichtige Rolle.Die Arbeit versteht sich zum einen als Teil einer metaphorologischen Philosophie, die Metaphorik, Unschärfe und Unbegrifflichkeit in der Philosophie und in den Wissenschaften untersucht. Zum anderen lässt sie sich in jene Reihe von Arbeiten einordnen, die eine Revidierung der klassischen Epistemologie einfordern und neuere epistemologische Ansätze vorschlagen (Catherine Z. Elgin, Evelyn Fox Keller, Nelson Goodman, Donna Haraway, Mary Hesse, Hans-Jörg Rheinberger).
Autorentext
Marianne Hänseler studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte in Zürich und Barcelona. Sie forschte zu Metaphern in Zürich, Standford und Berlin. Heute arbeitet sie am Zentrum Gender Studies der Universität Basel.
Klappentext
Robert Koch (1843-1910) wurde durch seine Entdeckungen des Milzbrand- und Tuberkuloseerregers zum Begründer der Bakteriologie. In der vorliegenden Studie untersucht Marianne Hänseler Diskussion und Anwendung philosophischer Metapherntheorien in diesem Wissenschaftszweig.
In der klassischen Wissenschaftsphilosophie stellt die Prüfung rekonstruktiver Verfahren anhand der minutiösen Betrachtung von Fallbeispielen aus den Einzelwissenschaften eine verbreitete Methode der Plausibilisierung wissenschaftsphilosophischer Positionen dar, eine Methode, die vor allem im Umkreis Wolfgang Stegmüllers und in der von Wilhelm Kamlah und Paul Lorenzen begründeten "Erlanger Schule" gepflegt wurde. Selten allerdings drangen solche Studien zu einem Vergleich verschiedener rekonstruktiver Methoden vor. Indem Marianne Hänseler die diskurstheoretische Methode auf die Bakteriologie von Robert Koch anwendet, verwendet sie ein Verfahren, das im Ansatz einen Vergleich philosophischer Positionen erlaubt. Im Zentrum der Analyse einer Kulturgeschichte der Bakteriologie stehen die Diskussion und Anwendung philosophischer Metapherntheorien (Hans Blumenberg, Max Black, Mary Hesse, Paul Ricoeur, Eva Feder Kittay).
Mit seinen bahnbrechenden Entdeckungen des Milzbrand- und des Tuberkuloseerregers (1876 bzw. 1882) wurde Robert Koch zum Begründer der Bakteriologie, eines wissenschaftlichen Feldes, für das allererst eine geeignete Terminologie entwickelt werden musste. Erst die metaphorologische Rekonstruktion ihrer Begrifflichkeit erlaubt es aber, die Bakteriologie als eine im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts im Spannungsfeld von Naturwissenschaft, Medizin und Politik angesiedelte Disziplin kulturhistorisch einzubetten. Aufschlussreich ist dabei die Umschreibung nicht nur der Struktur dieser Mikroorganismen als Stäbchen, Fäden, Wolken und so fort, sondern auch ihrer Wirkung als Erreger von Infektionskrankheiten in Metaphern des Krieges, der Offensive, der Waffen und der Abwehr.