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Jochen Kelters neuer Lyrikband ist ein Rückblick, von 1945 bis ins Heute, eine Bestandesaufnahme politischer und menschlicher Misere im 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts. Die Sammlung umfasst 12 Zyklen mit je sieben Gedichten. Sie ist geprägt von einem Grundton der Trauer: grimmige Trauer im Politischen, stille Trauer im Privaten. Der Autor sieht der Gesellschaft, der Welt beim Entgleisen zu, sieht auch ökologisch ein «allmähliches Weltenende» kommen. Das Rasen der Zeit quält den Beobachter: «wie schnell die Menschheit von einem / Krieg in den nächsten gestiegen ist / wir haben es längst schon vergessen» Glücksmomente in der Schweiz sind selten: «hier eingezäunt ist der Frieden». Dem politisch engagierten Autor, der als Kind in Trümmern spielte, ist der Unterschied sehr bewusst zwischen «vom Krieg wissen» und «den Krieg erfahren». «Unsere Kriege» stehen täglich vor seiner Tür: Flüchtlinge (aus Bagdad, Kabul, Sarajevo), die als Postboten arbeiten. Die «globale Existenz» bedeutet auch: «irgendwo herrscht immer neuer Krieg / irgendwo ist stets eine Pandemie». Zuflucht bietet nur die Poesie, sie ist «täglich Brot», «einzig Licht der Seele», «die Poesie ist die Waffe einer Zukunft / in der wir Brüder und Schwestern sein werden». Zu den versöhnlicheren Texten gehören Naturbeobachtungen und Begegnungen mit «kleinen Leuten», etwa mit einem gelernten Schlosser, der Cicero gelesen hat und den Dichter in ein Gespräch über geschriebenes und gesprochenes Wort zieht, mit einem irischen Tramper oder einem pensionierten Teppichhändler in Paris. Auch «kleine» Begegnungen können Geschichte spiegeln. Der Stil von Kelters neuen Gedichten ist oft prosanah, aber mit vielen Zeilensprüngen, Schachtelsätzen und ambivalenten Bezügen; er zwingt zum Nachlesen und Nachdenken. Aus der Erinnerung evoziert der Autor starke Bilder, die nach der Lektüre weiterwirken.
Autorentext
Jochen Kelter ist 1946 in Köln geboren. Studium der Romanistik und Germanistik in Köln, Aix-en-Provence und Konstanz. Lebt seit 50 Jahren auf der Schweizer Seite des Bodensees in Ermatingen (von 1993 bis 2014 zudem in Paris). Lyriker, Erzähler, Essayist. 1988 bis 2001 war er Präsident des European Writers' Congress, der Föderation der europäischen Schriftstellerverbände, und von 2002 bis 2010 Präsident der Schweizer Urheberrechtsgesellschaft ProLitteris. Jochen Kelter hat Lyrik aus dem Italienischen, Französischen und Englischen ins Deutsche übersetzt.
Leseprobe
Wetterleuchten Am schwarzen Nachthimmel immer wieder das entfernte Leuchten des zuckenden gelben Lichts und dichte Vorhänge schweren Regens undurchdringliche Wände aus Wasser die strömen und strömen unsichtbar rauschen du bist noch immer nicht auf den Grund deiner Seele gelangt undurchschaubar fließendes Selbst das dir zuraunt die Nacht der Regen die Wasser sind nicht von Dauer sie vergehen wir sind noch lange nicht auf den Grund unserer Geschichte gekommen Gespräch mit einem knienden Denker Moment ich kenne Sie doch Sie sind doch ich sitze auf einer niedrigen Bank vor dem Lokal der Mann in Monteurskleidung beugt sich herab kniet mit einem Bein auf dem Boden und fragt Darf ich Sie etwas fragen? Was ist der Unterschied zwischen gesprochenem und geschriebenen Wort? Ich bin gelernter Schlosser habe aber doch Cicero gelesen dem sind seine Worte schlecht bekommen für das geschriebene Wort braucht man länger als für das gesprochene bei Cicero ist das gesprochene Wort oft das zuvor geschriebene aber Gesprochenes Geschriebenes sind heutzutage morgen bereits Schnee von gestern was ich so lese sagt er wo mich umhöre nichts als schwarzer Unsinn Gerüchte Gehörtes von Dritten wir sollten wieder anfangen über das was wir tun wer wir sind mit gesprochenen geschriebenen Worten zu sprechen nicht auf Facebook und Twitter und erhebt sich auf beide Beine