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Weise Zauberer, ein Mensch aus Glas, grobschlächtige Riesen und zwei sprechende Hunde: Cervantes' Werk ist wahrlich eine Fundgrube an Merkwürdigkeiten.
Sowohl Don Quijote de la Mancha als auch die Novelas ejemplares reflektieren dabei ein Bild der Gesellschaft, wie es die Forschung bis vor kurzem nicht für möglich gehalten hätte. Mitnichten konnte nach Ende des gottesfürchtigen Mittelalters die Rede davon sein, dass der Glaube an die Existenz von Zauberern und Fabelwesen gänzlich vernichtet worden war. Der Aberglaube hatte in den Köpfen des Volkes überlebt und wurde im Siglo de Oro durch die Wiederentdeckung antiker und arabischer Schriften, die eine vergessen geglaubte Vielfalt an mythischen Wesen und Göttern offenbarten, wieder von Neuem entfacht. Der Glaube an Wunder, Weissagungen und die Wirkkraft magischer Handlungen zog sich dabei durch alle Gesellschaftsschichten - vom Bauer bis hin zum Priester - und war Teil der zeitgenössischen Realität.
In Cervantes' Werk erleben wir eine für die Zeit bemerkenswert kritisch-parodistische Auseinandersetzung mit dem kontroversen Gebiet des Aberglaubens und seinem Einfluss auf Mensch und Kultur.
Autorentext
Janina Klinck, geboren 1985 in Kiel, entdeckte während eines Au-Pair-Aufenthalts in Madrid ihre Leidenschaft für die spanische Sprache, Geschichte und Kultur. Wieder zurück in Deutschland, nahm sie an der Ruhr-Universität Bochum ihr Studium der Romanischen Philologie und Anglistik auf und wechselte zwei Jahre später in ihre Heimatstadt an die Christian-Albrechts-Universität, wo sie 2013 erfolgreich ihren Master of Arts absolvierte. Während ihres Studiums beschäftigte sich die Autorin eingehend mit der Literatur des Siglo de Oro, ihren bedeutenden Vertretern und der vielfältigen Kultur, die diese faszinierende Epoche der spanischen Geschichte hervorbrachte. Das kontroverse Gebiet der (Un-)Vereinbarkeit von Gottes- und Aberglauben motivierte sie schließlich, sich mit den zeitgenössischen kulturhistorischen Hintergründen und ihrer kritisch-parodistischen Aufarbeitung im cervantinischen Werk auseinanderzusetzen. Nach mehreren Praktika im Verlagswesen, arbeitet Janina Klinck heute als freischaffende Autorin und Lektorin.
Leseprobe
Weise Zauberer, mächtige Zaubertränke, verzauberte Hofdamen, ein Mensch aus Glas, grobschlächtige Riesen, feilschende Wahrsagerinnen, himmelreitende Pferde und zwei sprechende Hunde: Cervantes' Werk ist wahrlich eine Fundgrube an Merkwürdigkeiten.
Dabei ist nicht alles, was wir in Cervantes' Geschichten erleben reine Phantasterei. Die Erzählungen, allen voran die über das Leben des Ingenioso hidalgo don Quijote de la Mancha, aber auch jene über das Zigeunermädchen La gitanilla, den eifersüchtigen Extremadurer, Campuzano und seine zwei Hunde, den Glasmenschen El licenciado Vidriera und La española inglesa; sie alle thematisieren den zeitgenössischen Umgang mit abergläubischen Handlungen, magischem Wunderglauben und der Angst vor furchterregenden Dämonen. Denn entgegen der noch von Menéndez Pelayo (1856-1912) geäußerten Einschätzung, Magie habe zu Zeiten des Siglo de Oro keine ernstzunehmende Rolle mehr gespielt, geht die neuere Forschung davon aus, dass sich das Magieverständnis sogar bis in die klerikalen Kreise hinein erstreckte . Von der Bäuerin, die auf Vorzeichen vertraute; dem König, der zum Schutz vor dem bösen Blick Amulette umlegte; der Arzt, der versuchte die Heilung mittels Segensprüchen zu unterstützen und dem Priester, der in der Eucharistie eine tatsächliche Verwandlung sah. Sie alle teilen den Glauben an das Wundersame.
Das Mittelalter war kaum überwunden, da entfachten die durch die Renaissance reaktivierten antiken und arabischen Schriften voller mystischer Fabelwesen und mythologischer Götter den durch die Kirche verdrängt geglaubten Aberglauben erneut. Obwohl sich die Gesellschaft des 16. und 17. Jahrhunderts vom christlichen Glauben geleitet sah, so fehlte es dem Volk in einigen Bereichen des Lebens offenbar an überzeugenden Erklärungsmustern. Weder der religiöse Diskurs noch die sich erst langsam emanzipierenden empirischen Wissenschaften waren in der Lage, das Universum in all seinen Facetten zu erklären. Ein Defizit, welches der Aberglaube aufgrund seiner Vielfalt und Vielseitigkeit schon immer auszufüllen wusste. Der böse Blick der Nachbarin sorgte für die Erkrankung des Kindes, der Zauber missgünstiger Wetterhexen verdarb die Ernte und ein Poltern im Haus bei Nacht hatte ganz sicher der Teufel verursacht. Alte Sagen und Legenden belebten die Fantasie und formten die Kultur.
Einige von diesen Sagen werden uns in Cervantes Quijote vorgestellt. Don Quijote, der wunderliche Ritter von der traurigen Gestalt, erzählt von dem legendären König Artus, der, wie man sagt, "no murió, sino por arte de encantamento se convirtió en cuervo", weshalb "desde aquel tiempo a éste haya ningún inglés muerto cuervo alguno" (DQ I, 13: 111) . Dieser insbesondere bei den Briten gepflegte Brauch, entspringt der Annahme, König Artus habe tatsächlich existiert. Tatsächlich aber ist dies bis heute nicht bewiesen. Die Artussage ist eine mit zahlreichen Details ausgeschmückte Legende .
Ruy Pérez de Viedma - oder auch el capitán cautivo, dessen Geschichte im Quijote wiedergegeben wird - erwähnt in seinem Fluchtbericht die Legende der Cava Rumía. In dieser Bucht, so glaubten die Mauren, "está enterrada la Cava, por quien se perdió España, porque cava en su lengua quiere decir 'mujer mala', y rumía, 'cristiana'" (DQ I, 41: 431). Der historische Kern dieser Sage geht auf die Legende um König Rodrigo zurück, der die Tochter des Conde don Julián schwängerte, woraufhin sie Selbstmord beging und ihr Vater sich mit den Mauren verbündete, die ab 711 unter Tariq ibn Ziyad die iberische Halbinsel einnahmen und über Jahrhunderte hinweg besetzt halten sollten. Eine Sage über die wir heute nur spekulieren können.
Und schließlich erfahren wir von Sancho Panza - don Quijotes treuem Gefährten - von den Fabeln des griechischen Dichters Äsop. Sancho wünscht sich, während seines von Don Quijote angeordneten Redeverbots, "que los anima