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Buchstaben zusammenfügen und mit ihnen Sprachfäden spinnen, sie zu Gedankenstoffen formen, zu Gefühlsbildern verweben, sie zum Klingen bringen. Das Leben mit Bedacht betrachten, mal heiter, mal besorgt, es mit der Sprache beim Wort nehmen. Im Dasein und Sosein versteckt sich hinter dem Vordergründigen das Hintergründige. Und rundherum ist Leben. Das Schweben dazwischen zeichnet Gisela Salges Lyrik in diesem Gedichtband aus. Beda Johannes Zimmermann
Vorwort
Zunächst ist da nur ein Blatt Papier, das Falz für Falz für Falz neue Form annimmt. Ein vielfältiges Verfahren, im eigentlichen Wortsinn, an dessen Ende ein Gebilde steht. Quasi aus dem Nichts , denn: Was ist schon ein Blatt Papier? Als Origami wird die Kunst des Papierfaltens bezeichnet. Sie erfordert hohe Konzentration und Präzision, Geduld auch, denn nur genaues, ausdauerndes Arbeiten führt zu einem formvollendeten Ergebnis. Ähnlich verhält es sich mit dem Schreiben von Gedichten. Ausgangspunkt ist ein Stück Papier, ein unbeschriebenes Blatt, auf dem Wort für Wort für Wort ein neuer Text entsteht. Ergänzen und Streichen, Umformulieren und Verschieben von Wörtern und Wortgruppen macht die intensive Arbeit am Text aus. Sie wird so lange fortgesetzt, bis ein Gedicht vorliegt, aus dem nichts entfernt und dem nichts hinzugefügt werden kann. Ein Text, der genau so sein muss, weil er nicht anders sein kann. Was damit gemeint ist, zeigen die Gedichte von Gisela Salge. Formal dominieren Kurzzeilen von zwei bis vier Wörtern, auf Endreime wird in der Regel verzichtet, bis auf einzelne Gedankenstriche fehlen die Satzzeichen. Die Worte selbst steuern den Lesefluss und die freien Rhythmen bewegen sich leichtfüssig durch die Verse. Inhaltlich zieht sich das Nachdenken über die Zeit wie ein roter Faden durch den Gedichtband. Manches liest sich als Ermahnung, die Zeit richtig zu nutzen, nicht zu verschwenderisch mit ihr umzugehen, weil sie für uns was wir wissen und doch nicht wahrhaben wollen endlich ist. In vielen Gedichten wird ihr unaufhaltsames Voranschreiten sichtbar gemacht. Frühling, Sommer, Herbst und Winter: der Jahreszyklus, in dem Werden, Sein und Vergehen aufleuchten. Die Schilderung von Naturerscheinungen ist als zweites wiederkehrendes Thema des Gedichtbandes zu nennen. Manchmal verharren die Beobachtungen in der präzisen Beschreibung des Gegenständlichen, häufiger allerdings soll das Sichtbare zu einer weiteren Bedeutungsebene überleiten: Naturkreisläufe werden als sprachliche Bilder eingebracht, um eine Parallele zum menschlichen Dasein zu ziehen. Die in diesen Gedichten angelegte bildhafte Sprache muss entschlüsselt werden. Was von der Autorin an Ideen und Vorstellungen unter grossem Zeitaufwand in die Verszeilen hineingelegt und verdichtet wurde, kann vom Betrachter, von der Betrachterin als herausfordernde Beschäftigung neu interpretiert werden. Was in die Gedichte eingefaltet wurde, kann wieder entfaltet werden. Origami in umgekehrter Schaffensweise, wobei am Ende nicht die Fläche eines Blattes steht, sondern Gedankentiefe. Was, wenn ein Sprachbild nicht dechiffriert werden kann? Was, wenn ein einzelner Vers ungeklärt bleibt? Nicht nur das Schreiben von Gedichten erfordert Geduld, sondern auch das Verstehen. Nimmt man die Verse zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zur Hand, erschliesst sich oft unerwartet ein Sinn. Nicht weil das Gedicht anders geworden wäre, sondern weil wir nicht mehr dieselben sind. Gedichte zu lesen entspricht damit einer Begegnung zwischen dem zeitlosen Text und dem der Zeit unterworfenen Menschen. Die wiederholte Lektüre lässt erkennen, dass sich sowohl unser Blick auf die Welt als auch unser Verständnis für die Welt wandeln. Es ist nicht der einzige Reiz dieser Textgattung. Während ein Roman, den wir lesen, und ein Drama, das wir verfolgen, uns nie ganz gehören werden, können wir uns Gedichte aufgrund ihres bescheidenen Textumfangs und unserer intensiven Auseinandersetzung mit ihnen zu eigen machen. Viele Verse werden erst lebendig durch unsere Interpretation, durch unser Dazutun. Dadurch bleibt ein Sprachbild für immer in Erinnerung, ein einzelner Vers hallt über Jahre nach und ein Gedicht wird zum Begleiter für lange Zeit. Hier warten 94 Gedichte darauf, entdeckt zu werden. Bestimmt kann das eine oder andere zu Ihrem Gedicht werden. Ivo Bizozzero
Autorentext
Gisela Salge, geboren 1943, absolvierte nach dem Besuch der Kunstschule eine Ausbildung zur Goldschmiedin in Bremen. Von 1967 bis 1987 war sie in diesem Beruf in Luzern, Zürich und Rapperswil tätig. Es folgten Ausbildungen zur Sozialbegleiterin und Psychotherapeutin und anschliessend die Tätigkeit in der eigenen Praxis in Zürich. Seit 2004 wohnhaft und schreibend in Mels. Diverse Publikationen.
Leseprobe
Wenn sie uns suchen Unter der Schneedecke im Sommerland zeigten wir uns gelben Mohn hörten die Lerche über den Dächern der Stadt sahen die Insel im aufgehenden Licht Unter der Schneedecke wird man uns im Sommerland nicht finden Alle Tage War gestern schon wird morgen sein war gestern nur wird morgen auch am Jetzt vorbei im Zeitenklau sind alle Tage grau