Als die 13-jährige Jenny behauptet, ihr Stiefvater habe sie vergewaltigt, steht die routinierte Oberkommissarin Friederike Weber vor einem schwierigen Fall. Die Aussagen sind widersprüchlich und Weber vermag kaum noch, Wahrheit und Lüge voneinander zu unterscheiden. Was verbirgt Jenny, die sich heimlich mit einem Studenten traf, der plötzlich unter mysteriösen Umständen zu Tode kommt?
Autorentext
Gabriele Wolff wurde 1955 in Düsseldorf geboren. Sie studierte Jura und wurde zunächst Rechtsanwältin, 1985 dann Staatsanwältin. Seit 1994 ist sie als Oberstaatsanwältin in Neuruppin tätig. In ihrem "zweiten Leben" ist sie schon etliche Jahre erfolgreiche Autorin, u. a. schrieb sie die Beate-Fuchs-Trilogie (1990-1993) und "Der falsche Mann" (2000). Für ihren Kriminalroman "Das dritte Zimmer" erhielt sie 2004 den Friedrich-Glauser-Preis, die höchste Auszeichnung für deutschsprachige Krimiautoren. Wolff, die als Juristin seit 2001 für Sexualdelikte und Jugendschutzrecht zuständig ist, weiß auch in ihrem neuen Roman, wovon sie spricht. Nach eigenen Angaben behandelt sie im Schnitt monatlich 35 Fälle. Von der großen Berufserfahrung profitieren die authentischen Romanwelten Wolffs.
Klappentext
Authentisch und hochaktuell: der neue Roman der Glauser-Preisträgerin! Als die 13-jährige Jenny behauptet, ihr Stiefvater habe sie vergewaltigt, steht die routinierte Oberkommissarin Friederike Weber vor einem schwierigen Fall. Die Aussagen sind widersprüchlich und Weber vermag kaum noch, Wahrheit und Lüge voneinander zu unterscheiden. Was verbirgt Jenny, die sich heimlich mit einem Studenten traf, der plötzlich unter mysteriösen Umständen zu Tode kommt? Mit der psychologischen Raffinesse einer Patricia Highsmith. "Liebhaber anspruchsvoller und psychologisch überzeugender Kriminalliteratur werden bei Wolffs neuem Roman einmal mehr auf ihre Kosten kommen." Der Bund "Der neue Roman der deutschen Oberstaatsanwältin: Es geht um Vergewaltigung einer Minderjährigen und den seltsamen Tod eines unauffälligen jungen Mannes. Sehr raffiniert erzählt." Wien Live. Das Stadtmagazin "Überhaupt hat Gabriele Wolff in "Ein dunkles Gefühl" wie immer klug beobachtet, die Geschichte stimmt, ist klar erzählt, ein richtig guter Krimi." Der Tagesspiegel
Leseprobe
Sonntag, der 1. Mai / / Es waren dumme Gedanken, die ihr durch den Kopf schossen. Wie kann die Sonne scheinen, wenn hier ein Toter liegt? Ein zwanzigjähriger Mensch stirbt doch nicht einfach so. Warum habe ich nicht auch einmal einen ruhigen Bereitschaftsdienst wie Bühlow, in dessen Schichten nie etwas passiert? Ob es was bringen würde, wenn der Chef immer nur Bühlow einteilte? Wäre der unnatürliche Tod am Wochenende damit abgeschafft? / Friederike Weber unterdrückte ein Lachen. Hein räusperte sich. Nett, daß der Kollege sie wieder an ihre Pflichten erinnerte. Und so diskret auch noch ... / »Was meinst du?« fragte sie. »Ich finde, wir sollten das volle Programm fahren. Hier stimmt etwas nicht. Dieser Markus Vierling war kein Junkie, gesund bis auf den grippalen Infekt vor fünf Wochen, er trank nicht, rauchte nicht, war ein strebsamer Student und ein zuverlässiger Nachhilfelehrer für Latein, und auf Selbstmord deutet nun gar nichts hin. Oder siehst du hier Tablettenschachteln, Gläser, Alkohol, einen Abschiedsbrief?« Sie sah sich um in dem aufgeräumten Zimmer. Es war groß, die Wände weiß gestrichen, abgeschliffene Dielenbretter und wenig Mobiliar: ein Klavier, zwei Stehregale mit Büchern und Aktenordnern, in der Ecke ein Schreibtisch mit Computer, eine Couch, ein Sessel, ein Tisch. / »Ich sehe mal in Bad und Küche nach«, meinte Peter Hein. Er strich über seinen Schnauzbart, wie immer, wenn er ratlos war. Friederike nickte und wandte sich dem leblosen Körper auf der Couch zu. Er war so schön, daß man an den Tod nicht mehr glauben konnte. Nicht als an etwas Schreckliches, Endgültiges, Zerstörendes. Der junge Mann, mittelgroß, schlank, lag da, als ob er schliefe, auf dem Rücken, die Beine lang ausgestreckt. Der rechte Arm hing leicht angewinkelt herab. Der Handrücken der wie eine Schale geformten Hand berührte den Boden. Der linke Unterarm lag quer über der Brust. Der Kopf des Toten war zur Seite gesunken, so daß seine langen dunkelblonden Haare ein Auge fast bedeckten. Das andere war nur halbgeschlossen und zeigte eine blaue Iris und mittelweite Pupillen. Die Nase ragte spitz aus dem sanft gerundeten bartlosen Gesicht, wie bei allen Toten. Der Mund war wie in einem leichten Lächeln erstarrt. Die Schneidezähne sahen gesund und kräftig aus. Es war wohl das Lächeln, das den Jungen so verschönte. Und die immer noch glänzenden, weich fallenden Haare, die bald spröde und struppig aussehen würden. Er trug ein weißes, sauberes T-Shirt und schwarze Jeans, die Füße steckten in grauen Socken. Markus hätte ihr Sohn sein können. Die Eltern! Das war ja immer das Schlimmste. Wie sollte sie es denen beibringen? Und nebenan, beim Nachbarn, wartete das Mädchen . / »Nichts«, sagte Hein. »Alles aufgeräumt und gespült, keine Gläser, außer einer angebrochenen Packung Aspirin und irgendwelcher Antibiotika keine Tablettenschachteln, auch nicht im Abfall, kein Abschiedsbrief. Nun ja, den Kasten da müßte man natürlich überprüfen. Mord ist es jedenfalls nicht. Keine Kampfspuren, keine äußere Gewalt .« / »Wir haben ihn noch nicht umgedreht. Du kennst ja die Geschichten, der Arzt kreuzt natürlicher Tod an, die Typen vom Bestattungsinstitut heben die Leiche hoch, und schon klirrt es. Messer, Kugel oder was auch immer fallen in die Blechwanne. Wir sollten nachsehen. Sicher ist sicher.« Sie grinste ihn aufmunternd an. Hein packte die Schultern und sie die Beine des Toten. Sie drehten die Leiche auf die Seite. Nichts, kein Blut, das T-Shirt war unversehrt. Sie betteten ihn sanft in die Ausgangslage. Friederike Weber zog sein T-Shirt aus dem Hosenbund und streifte es hoch. / »Keine Hämatome, keine Läsionen, nichts. Ein Rätsel.« Glatte, leicht gebräunte Haut, die sich warm anfühlen sollte. Keine Totenflecke, jedenfalls nicht auf dieser schönen unbehaarten Brust. Den Rücken wollte sie sich lieber nicht ansehen. Die Totenstarre hatte entweder noch nicht eingesetzt oder sich schon wieder