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Wo waren Sie, als die Mauer fiel? Dieser Aufruf des Internet-Zeitgeschichteportals Einestages von Spiegel Online zeigt exemplarisch, dass erstens Zeitzeugen die Geschichtsschreibung der Gegenwart dominieren und zweitens die Mediengesellschaft des 21. Jahrhunderts auf die suggestive Kraft der Zeitzeugenschilderung setzt. An Beispielen von FAZ, Spiegel Online und ZDF geht die vorliegende Studie dem von Zeitzeugen beherrschten Modus der Geschichtsschreibung empirisch nach. Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt: • Wie konstruieren geschichtskulturelle Leitmedien im Zeitalter von Web 2.0 breit anschlussfähigen Sinn? • Welche Geschichtsbilder werden von geschichtskulturellen Leitmedien im Web 2.0 aus welchem Grund konstruiert? • Wer schreibt in der Mediengesellschaft des 21. Jahrhunderts Geschichte, wenn im Web 2.0 nun auch die Nutzer neben geschichtskulturellen Medieninstitutionen und Professionen aktiv an massenmedialen Sinnbildungsprozessen partizipieren dürfen? Die Analyse konzentriert sich jedoch nicht nur auf Medieninhalte, sondern bietet auch Einblicke in deren medienspezifische Produktions- und Aneignungsprozesse.
Autorentext
Andrea Kolpatzik, Dr. phil., forschte, lehrte und promovierte am Institut für Didaktik der Geschichte der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Sie ist als Studienrätin im Schuldienst tätig und hat in den Jahren 2015 und 2016 Lehraufträge in der Geschichtsdidaktik wahrgenommen.
Inhalt
Vorwort Einleitung: Forschungslage, Fragestellung, Fallbeispiele 1. Geschichtsdidaktik und Geschichtsdarstellungen im Web 2.0: Normative Analysezugänge und Beurteilungsmaßstäbe 2. Analysezugänge aus interdisziplinärer Perspektive: Diskussion epistemologischer Potenziale und Grenzen 2.1 Geschichtsdidaktik: Narrativität und Geschichte' 2.2 Kulturwissenschaft: Identität und Geschichte' 2.3 Geschichtswissenschaft: Mediengesellschaft und Geschichte' 2.4 Visual History: Visualität und Geschichte' 2.5 Kommunikationswissenschaft: Massenmedien und Geschichte' 2.6 Soziologie: Geschichte' als sozio-kulturelles Diskursprodukt 2.7 Synopse: Zum epistemologischen Potenzial eines interdisziplinären Analysezugangs 3. Theoretische Rahmung 3.1 Forschungskonzept Geschichtskultur: Heuristische Potenziale und Leerstellen 3.1.1 Makroebene: Geschichtskultur als soziales System eine systemtheoretische Modellierung 3.1.2 Mesoebene: Geschichtskulturelle Sinnbildung als narrativer Konstruktionsprozess 3.1.3 Mikroebene: Disziplinäre Matrix' Strukturanalytische Heuristik zur Mikroanalyse von Interessen, Perspektiven, Darstellungen und Funktionen geschichtskultureller Konstruktion von Geschichte' im Web 2.0 4. Methodendesign 4.1 Framing als integratives und mehrdimensionales Untersuchungskonzept 4.1.1 Untersuchungsebene I: Binnenperspektive geschichtskultureller Medieninstitutionen und Professionen 4.1.2 Untersuchungsebene II: Kategoriale Struktur- und Inhaltsanalyse geschichtskultureller Online-Medienangebote 4.1.3 Untersuchungsebene III: Online-Diskursanalyse geschichtskultureller Anschlusskommunikation 4.2 Datenkorpus der Untersuchung 4.3 Methodendiskussion 5. Medienökonomischer und geschichtspolitischer Kontext: Freiheit' und Einheit' als geschichtskulturelles Programm 6. Fallbeispiel I 6.1 Anklage, Aufklärung, Aufarbeitung: NS-Vergangenheit als Streitgeschichte 6.1.1 Exkurs: Von der Fach- zur Mediendebatte Kontroversen über NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik seit 1949 6.1.2 Frankfurter Allgemeine Zeitung: Zeitgeschichte als Streitgeschichte 2.0 Produktionskontext einer virtuellen geschichtskulturellen Kontroverse 6.1.3 Historikerstreit und Generationenkonflikt reloaded? Status und Funktion der mitdiskutierenden Zeitgenossen 6.2 Inszenierung von Zeitgeschichte als Streitgeschichte 2.0: Geschichtskulturell imprägnierte Begriffe, Deutungen und Vergleiche 6.2.1 Geschichtskulturelle Chiffre als Diskursrahmen: Das Beispiel Holocaust' 6.2.2 Alles authentisch?: Personalisierung und Fiktionalisierung des Holocaust' als geschichtskulturelles Diskursfeld 6.2.3 Hitlers Opfer, Stalins Opfer: Opfer- und Vergangenheitskonkurrenzen als geschichtskulturelles Diskursfeld 6.3 Zwischenfazit: Zeitgeschichte als Streitgeschichte 2.0 Universalisierung, Personalisierung und Moralisierung von NS-Vergangenheit 7. Fallbeispiel II 7.1 ZDF-Redaktion Zeitgeschichte: Produktionskontext von Unsere Geschichte' 7.1.1 Vom Fernsehen ins Internet: DDR-Geschichte' als geschichtskulturelles Event 7.1.2 Gedenktag-Agenda-Setting: Friedliche Revolution' und Deutsche Einheit' als geschichtskulturelles Programm 7.1.3 Zwischen exklusiver Quelle und exklusivem Erlebnis: Status und Funktion von Zeitzeugenerinnerungen 7.2 Erinnern oder Vergessen? Vergegenwärtigung von DDR-Vergangenheit als Nationalgeschichte 7.2.1 Friedliche Revolution 1989/90: Wegmarken der Deutschen Einheit 7.2.2 Von der Friedlichen Revolution' zur Deutschen Einheit': Ereignisgeschichtliche Konstruktion einer nationalen Erfolgsgeschichte von Freiheit' und Einheit' 7.2.3 Erinnern oder Vergessen? Leitlinien eines Revolutions- und Diktaturnarrativ 7.3 Formen der Darstellung: Alles Authentisch? DDR-Geschichte als Erfahrungs- und Mediengeschichte 7.3.1 Einheit trotz Vielfalt: Vielstimmigkeit als zentrale Personalisierungsstrategie 7.3.2 Opfer, Helden und Bystander: Dichotomie als zentrale Dramatisierungsstrategie 7.3.3 Konservierung und Kanonisierung: Aktualisierung von Archiv- und Agenturmaterial als zentrale Visualisierungsstrategie 7.4 Exkurs: Die Friedliche Revolution' 1989/90 als Höhe- und Endpunkt des 20. Jahrhunderts 7.4.1 Mikrogeschichte: Die Friedliche Revolution' 1989/90 als nationale Zäsur 7.4.2 Makrogeschichte: Von der Stunde Null' (1945) zur Deutschen Einheit' (1990) Das Epochenjahr 1989 als nationaler Gründungsmythos 7.4.3 Zwischenfazit: Erinnern oder Vergessen? Re-Nationalisierung der Erinnerung 8. Fallbeispiel III 8.1 Spiegel Online: Produktionskontext von Einestages 8.1.1 Zeitgeschichte als Epoche der Mitlebenden: Einestages als medialer Diskurs- und Erfahrungsraum 8.1.2 Agenda-Setting: Strategien der Vergegenwärtigung von Vergangenheit 8.1.2.1 Offizielle Gedenk- und Jahrestage 8.1.2.2 Alltags- und Popkulturgeschichte(n) 8.1.3 Zwischen Aufmerksamkeits- und Arbeitsökonomie: Status und Funktion von Zeitzeugenerinnerungen 8.1.4 Zwischen Gatekeeping und Gatewatching: Qualitätssicherung im Web 2.0 8.1.4.1 Gatekeeping: Recherche, Auswahl und Prüfung von Erfahrungsgeschichte(n) 8.1.4.2 Gatewatching: Kollaborative Formen der Triftigkeitsprüfung 8.2 Wie wir wurden, was wir sind: Erfahrungsgeschichtliche Konstruktion einer nationalen Erfolgsgeschichte mit den Jahren 1945 und 1989 als Zäsuren 8.2.1 Die andere Erinnerung? Kondensierte Narrative oder: Das Dilemma des negativen Gedächtnisses bei der Vergegenwärtigung von NS-Zeit 8.2.2 Wem gehört 1989? DDR-Vergangenheit als umkämpftes geschichtskulturelles Diskursfeld 8.3 Zentrale Darstellungsformen von NS- und DDR-Vergangenheit 8.3.1 Vielstimmigkeit als zentrale Personalisierungsstrategie 8.3.1.1 Hitler und die Nazis: Prototypische Darstellung der NS-Täter? 8.3.1.2 Opferzentrierte Erinnerung: Holocaust ohne Täter? 8.3.1.3 Generationenkonflikt reloaded? Die NS-Täterkinder 8.3.1.4 Gesichter der Revolution: Die Helden des Mauerfalls 8.3.1.5 Wo waren Sie, als die Mauer fiel?: Die Friedliche Revolution' als Regional- und Lokalgeschichte 8.3.2 Von Helden, Opfern, Tätern: Dichotomisierung als zentrale Dramatisierungsstrategie 8.3.3 Dokumentation, Musealisierung, Erlebnis: Zentrale Visualisierungsstrategien von NS- und DDR-Vergangenheit ..... 8.3.3.1 Urlaubsfotos aus der Hölle: Der Zweite Weltkrieg als exklusives Erlebnis 8.3.3.2 Gesichter der Revolution: Visualisierung von Opposition und Widerstand 8.3.3.3 No Satisfaction an der Mauer: Dokumentation des Repressionscharakters des SED-Regimes 8.3.3.4 Wie wir wirklich lebten: Musealisierung der DDR 8.3.3.5 Alltag in der SED-Diktatur: Leben in einer durchherrschten Gesellschaft 8.4 Exkurs: Akkorde für die E…