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Seit Jahren blickt Wolfgang Koydl aus der Ferne auf Deutschland. Mit feiner Ironie lotet er die Untiefen der deutschen Seele aus; er bietet unentbehrliche Tipps für den richtigen Umgang mit dieser eigentümlichen Nation von Bausparern, ADAC-Mitgliedern und Schnäppchenjägern. Ob als Heimat oder Reiseziel, für Einheimische oder Fremde - dieser Band enträtselt urdeutsche Geheimnisse: die Ordnungsliebe und den typisch deutschen Humor, die Dialekte, den Lokalpatriotismus und das scharfe 'ß', Karnevalsprunksitzungen, Verkehrsregeln und Paragrafenreiterei, die Fußgängerzonen mit ihrem nicht tot zu kriegenden Sommerschlussverkauf und die deutsche Küche zwischen Döner Kebab und Sushi, Toast Hawaii und handgekneteter sardischer Fischpaste.
Geboren 1952, er war Redakteur beim 'Münchner Merkur', Reporter für die 'BBC' und ist seit 1996 Auslandskorrespondent für die 'Süddeutsche Zeitung'. Nach Stationen in Istanbul, Washington, Kairo und Moskau berichtet Koydl seit 2005 für die SZ aus London. Er ist Autor mehrerer Bücher, zeitweise unter dem Pseudonym Maxim Gorski. Zuletzt veröffentlichte er den Bestseller 'Fish and Fritz. Als Deutscher auf der Insel'. Mit seiner Familie lebt Wolfgang Koydl in dem Londoner Vorort Kingston upon Thames.
Vorwort
Von Riesling bis Riesterrente.
Autorentext
Geboren 1952, er war Redakteur beim "Münchner Merkur", Reporter für die "BBC" und ist seit 1996 Auslandskorrespondent für die "Süddeutsche Zeitung". Nach Stationen in Istanbul, Washington, Kairo und Moskau berichtet Koydl seit 2005 für die SZ aus London. Er ist Autor mehrerer Bücher, zeitweise unter dem Pseudonym Maxim Gorski. Zuletzt veröffentlichte er den Bestseller "Fish and Fritz. Als Deutscher auf der Insel". Mit seiner Familie lebt Wolfgang Koydl in dem Londoner Vorort Kingston upon Thames.
Leseprobe
Prolog:
Eine Beichte
Was ist schon exotisch an Deutschland? Ja, die Fezzan-Ebene in Libyen vielleicht, oder die Vulkane von Kamtschatka, die sind exotisch. Sogar entlegeneren Teilen der Schweiz oder Österreichs wird ein mysteriöser Zauber zugeschrieben. Dem Waldviertel etwa oder auch dem Kanton Zug. Das eine ist undurchdringlich wie ein jungfräulicher Regenwald für Hochdeutschsprecher, der andere für Steuerfahnder. Und für Hochdeutsche natürlich ebenso.
Aber die eigene Heimat? Sie ist so fremd wie das eigene Gesicht im Spiegel jedenfalls an normalen Tagen, denen keine durchzechte Nacht voranging. Jedes Haar kennt man, jede Pore und vor allem jede Falte. Ob fröhlich, traurig, verschlafen oder verkatert letzten Endes guckt einem immer derselbe alte Typ aus dem Spiegel entgegen.
Genauso verhält es sich mit Deutschland. Wer hier geboren und aufgewachsen ist, dem kann man nichts mehr vormachen, den kann man nicht mehr überraschen. Rheinischer Karneval? Entweder ist man so begeistert davon, dass alle Sinne und das Denken ohnehin vorübergehend heruntergefahren werden wie ein Laptop im Hibernation-Modus. Oder man ist von dem merkwürdigen närrischen Treiben derart angewidert, dass sich alle Sinne und das Denken sowieso attackiert fühlen wie von einem trojanischen Pferd, einem Wurm oder einem anderen Computervirus.
Ähnliche Reaktionen lösen (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge und ohne Anspruch auf Vollständigkeit) aus: das Oktoberfest, Berlin und die Berliner, der Muttertag, Oberlehrer in der Schule und im Alltag, Christkindlmärkte, Blasmusik, »Wetten dass« und andere flockig-lockere Fernsehunterhaltung, und nicht zuletzt Glasvitrinen und Kaffeebars in Fußgängerzonen.
In all diesen Fällen hat man als Deutscher eine klare Meinung, oder besser gesagt eine dezidierte Vorliebe oder Abneigung. Eines aber wird sich nicht einstellen: Ein Aha-Erlebnis, eine Überraschung, eine Erkenntnis, etwas Neues kennengelernt zu haben wie dies der Fall wäre, wenn man zum ersten Mal von Rodeo-Ritualen in Arizona, der Teezeremonie in Japan, oder Initiationsriten in Papua-Neuguinea erfährt.
Amerikaner, Japaner oder Papuaner freilich dürften Deutschland, die Deutschen und alles Deutsche wahrscheinlich höchst interessant, neu, amüsant und mitunter wohl auch reichlich befremdlich finden. Aber wie wäre es, wenn man sein eigenes Land auch einmal mit fremden Augen sehen könnte, gleichsam in einer Art von out of body experience. So beschreibt man im Englischen jenen Zustand eines Menschen, der nach einem Herzinfarkt oder einem Unfall gleichsam halb gestorben aus seiner sterblichen, wenn auch noch nicht ganz gestorbenen Hülle geschlüpft ist und bis zu einer Wiederbelebung von einer Warte gleich unter den Halogenlampen in der Klinikdecke aus einen guten Blick auf den eigenen Korpus unten auf dem Operationstisch erhaschen konnte.
Ein frischer Blick auf die eigene Heimat wäre freilich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht so erbaulich wie die Möglichkeit, klammheimlich hinter einem Grabstein versteckt seiner eigenen Beerdigung beiwohnen zu können. Denn bei dieser Gelegenheit würde man wohl kaum ein ehrliches Urteil über sich hören. Nirgends wird mit mehr Überzeugung gelogen als bei Beerdigungen. Und bei Hochzeiten natürlich. Nein, ein Blick durch fremde Augen müsste unweigerlich unangenehme Wahrheiten einschließen.
Mein Gefühl, als ich nach mehr als fünfzehn Auslandsjahren zum ersten Mal wieder für mehr als einen kurzen Urlaub nach Deutschland zurückkehrte, war jedenfalls mit out of body experience nur sehr unzureichend umschrieben. Mir schien es, als ob ich nicht einen Airbus der Lufthansa nach F