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Jeden Tag nach den eigenen Wünschen und Vorlieben leben? Die Freiheit, zu bleiben oder zu gehen, wie es einem beliebt? Im eigenen Tempo reisen, ohne Kompromisse eingehen zu müssen? Diese Autorinnen und Autoren erzählen vom Reisen mit sich selbst und wie es die eigene Wahrnehmung verändert. Denn das Solo-Reisen öffnet verborgene Türen und fremde Herzen, es macht verwundbar, aber auch empfänglich für die Wunder der Ferne. Diese Geschichten zeugen von der Lust, einfach allein loszuziehen und doch nicht einsam zu sein. Für Alleinreisende und all jene, die es werden wollen.
Johannes Klaus liebt das Reisen. Und Geschichten, die etwas von dieser schönen Welt erzählen. Das aufregende und manchmal sogar lebensverändernde Abenteuer, die Erde zu bereisen, vermittelt er Tausenden Lesern als Herausgeber der Reiseblog-Plattform reisedepeschen.de und seit 2015 multimedial auf travelepisodes.com. Er wurde mit dem renommierten Grimme Online Award ausgezeichnet und gründete 2018 den Reisedepeschen Verlag. Johannes Klaus lebt mit seiner Familie in Berlin.
Autorentext
Johannes Klaus liebt das Reisen. Und Geschichten, die etwas von dieser schönen Welt erzählen. Das aufregende und manchmal sogar lebensverändernde Abenteuer, die Erde zu bereisen, vermittelt er Tausenden Lesern als Herausgeber der Reiseblog-Plattform reisedepeschen.de und seit 2015 multimedial auf travelepisodes.com. Er wurde mit dem renommierten Grimme Online Award ausgezeichnet und gründete 2018 den Reisedepeschen Verlag. Johannes Klaus lebt mit seiner Familie in Berlin.
Leseprobe
Draußen ruft der Muezzin, die Klimaanlage rauscht. Zwischen gestern und heute liegt ein ganzer Kosmos, so scheint es. Aus meinen Haaren rieseln Sandkörner auf das weiße Laken. Irgendetwas hat sich verändert in mir. Eine Schwingung, ein Gefühl.
Seit ich aus der Wüste zurückgekehrt bin, brüllt die Welt. Und obwohl mein Fenster geschlossen ist, höre ich das Hupen und das Rattern und denke an das Schweigen in Wadi Rum. An die Sonne und wie sie die Wildnis in Goldpapier wickelte, denke an die Kamele mit ihren langen Wimpern und an ihre Fußspuren im Sand.
Rostrote Berge standen wie Schachfiguren um uns herum, unbeweglich seit Ewigkeiten, und wir schaukelten langsam vorbei.
Wadi Rum überstieg meine Vorstellungskraft. Weitläufig, einsam und gottähnlich sei sie, schrieb T. E. Lawrence über jene Landschaft, die mich berührte, ja, die aufrührte. Ich glaube nicht an Gott, und gleichwohl hat der Mann recht.
Zwei Tage ritt ich mit einem Beduinen durch die Wüste. 48 Stunden. 2880 Minuten. Das ist nicht viel, und doch schien die Zeit an jenem Ort bedeutungslos. Niemand war in Eile, niemand lebte schnell, bevor er alt wurde. Klar, auch bei den Beduinen hatte die Moderne Einzug gehalten. Sie benutzten Smartphones und bewarben ihre Touren im Internet. Sie schauten YouTube-Videos und posteten Selfies auf Instagram. Trotz alledem war ihre Lebensweise seltsam archaisch geblieben, war weiterhin an Tradition und Religion gebunden, im Guten wie im Schlechten.
Omar sammelte Zweige, machte Feuer, und wir kochten gezuckerten Tee in einer verrußten Kanne aus Gusseisen, während die Kamele uns dabei zuschauten. Bei Sonnenuntergang kehrten wir ins Camp zurück und aßen zusammen mit anderen Beduinen Fladenbrot und Reis, sangen arabische Lieder und trommelten dazu. Nur Ramiz sprach Englisch. Um seinen Kopf war ein weiß-roter Shemagh geschlungen, der im Schein der Flammen leuchtete, und wir scherzten, und Ramiz lachte, als ich erzählte, wie unbequem ein Kamelrücken doch sei. Der Beduine war cool und leise und frei und übermütig, als wäre er erfüllt von Naturgewalten. Und schön war er. Irgendwann verließen wir das Zelt, gingen ein paar Schritte in die dunkle Wüste hinein und starrten in den Sternenhimmel. Die Nacht war kalt, und wir froren ein wenig, als wir uns küssten.
Aqaba ist nicht schön. Die Stadt lärmt und stinkt nach Abgasen. Am nächsten Morgen erwische ich den Bus zurück nach Amman, und noch immer hängt Wadi Rum unter meinen Nägeln und zwischen meinen Schnürsenkeln.
»Gestern war ein wunderbarer Tag, da ich die Wüste entdeckte«, schrieb die große Orientreisende Freya Stark. Jetzt habe ich den Satz verstanden.
Der Busfahrer gibt Gas, am Fenster wehen Berge vorbei, Ödnis, eine Tankstelle, Gemüseverkäufer am Straßenrand. Zigarettenpause.
Jordanien bewegt. Die Menschen sind würdevoll und bescheiden, die Landschaft erdet.
Im wahrsten Sinne. Ich bleibe sitzen, betrachte meine Fingernägel und spüre den Sonnenbrand auf meinen Wangen. Und dann ist da dieser Wachstumsschmerz, weil sich das Herz weitet.
Bald einen Monat bin ich schon unterwegs, am Ende werden es zehn Wochen und vier Tage sein. Jordanien, Kuwait, Bahrain, Vereinigte Arabische Emirate, Oman, Katar. Allein. Wie immer. Es geht nur so. Und stets ernte ich verdatterte Blicke, und die Gesellschaft bescheinigt mir Verwegenheit, weil ich, eine Frau, alleine losziehe. Als wäre ich ein Unikum, ein seltenes Exemplar, obwohl das Bullshit ist.
Wenn eine Frau ohne Begleitung reist, wird sie als mutig bezeichnet, als tapfer. Ein Etikett, das an ihr klebt wie nasse Kleidung. Ich verstehe die Aufregung darum nicht. Männer gelten nicht als mutig, wenn sie sich alleine auf den Weg machen, eher als abenteuerlustig. Oder selbstbestimmt. Sie sind die einsamen Wölfe, nicht die schrulligen Tanten. Kein Mensch wundert sich über männlichen Pioniergeist.
Macht es d