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Um es gleich vorwegzunehmen: Niederbayern hat weder Voralpenpanorama noch Fünfseenland, keine einzige Großstadt und keinen Profifußballklub. Aber den Bayerischen Wald und die Donauschleife. Die Herzogsstädte Passau, Deggendorf und Straubing. Die Landshuter Fürstenhochzeit, den politischen Aschermittwoch und das Scharfrichterhaus, die Wiege des bayerischen Kabaretts. Haindling mit seiner Wallfahrtskirche. Das Bäderdreieck Füssing, Griesbach und Birnbach sowie die heilige Dreifaltigkeit. Barocke Opulenz und frommen Klassizismus, Schafkopfen und sinnenfrohes Watten, Fahnenweihen, Volksfeste mit handfesten Raufereien und echten Blaskapellen. BMW, modernste Unternehmen und Privatbrauereien im Überfluss. Und den kleinsten ICE-Bahnhof Deutschlands, den großzügigsten Marktplatz und die besten 'Weiberl', womit keine Frauen gemeint sind ...
Teja Fiedler, 1943 geboren und in Niederbayern aufgewachsen, studierte in München Geschichte und Germanistik. Als Stern-Korrespondent berichtete er viele Jahre aus Rom, Washington, New York und zuletzt aus Mumbai/Indien. Zu seinen erfolgreichen Buchpublikationen gehören 'Die Geschichte der Deutschen', die 'Gebrauchsanweisung für Niederbayern', 'Heydrich. Das Gesicht des Bösen' (als Koautor) und der biografische Roman 'Die Zeit ist aus den Fugen. Vom Kaiserleutnant zum Vertriebenen. Das Leben meines Vaters'. Teja Fiedler lebt mit seiner Frau in Hamburg.
Autorentext
Teja Fiedler, 1943 geboren und in Niederbayern aufgewachsen, studierte in München Geschichte und Germanistik. Als Stern-Korrespondent berichtete er viele Jahre aus Rom, Washington, New York und zuletzt aus Mumbai/Indien. Zu seinen erfolgreichen Buchpublikationen gehören "Die Geschichte der Deutschen", die "Gebrauchsanweisung für Niederbayern", "Heydrich. Das Gesicht des Bösen" (als Koautor) und der biografische Roman "Die Zeit ist aus den Fugen. Vom Kaiserleutnant zum Vertriebenen. Das Leben meines Vaters". Teja Fiedler lebt mit seiner Frau in Hamburg.
Leseprobe
Fahnenweihe
Nein, das hätte keiner geglaubt, daß es der Stieglbauer Heidi so aus der Feder fließen täte, auch wenn sie auf der Kreissparkasse arbeitet:
»Heut ist für unsere Wehr ein großer Tag, vergessen ist die ganze Müh und Plag. Vom Herrgott gesegnet, vom Priester geweiht, soll dieses Band euch begleiten, für die Jahre und die Zeit.«
Da mußte die Mama vor Rührung schnell ein paar Tränen aus dem Augenwinkel wischen, bevor sie hinuntergelaufen wären in den imposanten Ausschnitt ihres Festtagsdirndls. Mei Tochta, dachte sie zärtlich bewundernd. Der Herr Pfarrer nickte wohlgefällig ob der Erwähnung des unbedingt nötigen himmlischen Beistands für die Fahne der Freiwilligen Feuerwehr von Oberhinterbach und für diese selbst.
Dann stimmte die Blaskapelle »D'Hinkofer Wuidschützn« einen frohen, wenn auch, den Umständen angemessen, getragenen Marsch an. Das Band der Festdamen, überreicht von der Stieglbauer Heidi, wurde den übrigen bunten Bändern beigefügt, die das neue Fahnentuch der Feuerwehr für die Jahre und die Zeit begleiten sollten.
Vom Himmel, der so wolkenlos war wie auf einem CSU-Wahlplakat, strahlte die Augustsonne nicht weniger als das Gesicht des Schirmherren, der als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter in Niederbayern unweigerlich der Regierungspartei angehörte. Eine geglückte Fahnenweihe, dachte Josef Wurmbauer und rechnete sich irgendwie das schöne Wetter als Verdienst an: hatte er doch seine Zusage zur Schirmherrschaft unter einem weißblau gerauteten Regenschirm gegeben mit der funkelnden Bemerkung: »Möge er nur gegen Strahlen, nicht gegen Tropfen schützen müssen!«
Wie fast alle Teilnehmer an der Fahnenweihe der Freiwilligen Feuerwehr Oberhinterbach anläßlich ihres 125jährigen Bestehens fühlte er trotz des erhebenden Festgottesdienstes in der frisch renovierten St. Leonhardskirche eine gewisse Mattigkeit. Das machte ihn leicht schuldbewußt. Da erbat der Herr Pfarrer nach altem christlichen Brauch den Segen von oben für das Oberhinterbacher Brandkorps, und ihm brummte leise der Schädel wegen der drei Maß Bier, die er gestern abend im Festzelt beim gemütlichen Zusammensein getrunken hatte, die strafenden Blicke seiner Gattin nicht achtend angesichts der hübschen Dirndlausschnitte diverser Festjungfrauen an seinem Tisch und des Popularitätszuwachses, den ein so volksnaher Auftritt sicherlich bedeuten würde.
Immerhin hatte er schon auch seinen Teil dazu beigetragen, dem Festakt die angebrachte Weihe über das Vorspiel zu einem weiteren gemütlichen Zusammenhocken im Bierzelt hinaus zu verleihen, indem er das Engagement der freiwilligen Feuerwehrmänner lobte »gerade in einer Zeit von um sich greifendem Individualismus und Egoismus«. Da hatten alle beifällig genickt, selbst die, die wo ihn nicht verstanden.
In diese Kerbe schlug dann auch der Herr Pfarrer, natürlich etwas mehr ins Christliche gewendet. Hochwürden erinnerte die Männer an der Spritze daran, daß ihr Kampf gegen die irdische Feuersbrunst im Sinn des Gebots der Nächstenliebe und des traditionellen Feuerwehrmottos: »Gott zur Ehr, den Menschen zur Wehr« in gewisser Weise auch die Flammen der Hölle eindämme. Zu Recht ziere die neue Fahne daher auch ein gesticktes Bild des hl. Florian, der aus einem Eimer Wasser über ein lichterloh brennendes Haus gieße, was sinnbildhaft zeige, wie Dies- und Jenseitiges Hand in Hand gehe.
Niemand in Oberhinterbach konnte sich der Bedeutung und Feierlichkeit dieser großen Stunde im Leben eines kleinen Dorfs entziehen. Selbst ein so Hartgesottener wie der Altbürgermeister Karl Ertl schlug bei seiner Ansprache geradezu lyrische Töne an. Er sprach vom »Wohl und Wehe« der Gemeinde, um die sich »gar manche Stunde« die Feuerwehr tätig sorge, »wo sich derweilen andere auf die Hausbank setzen oder vom Wirtshaus aus zuschauen«.
Nicht nur er fand die richtigen Worte zur richtigen Zeit, nicht nur der Pfarrer,