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Franz Liszt gilt als eine der Schlüsselfiguren der europäischen Musik. Doch wer war dieser so geniale wie widersprüchliche Pianist und Komponist wirklich? Aus einem gefeierten Pianisten, der das Publikum in Paris und London, in Rom und Wien zu Begeisterungsstürmen hinriss, wurde im Alter ein Menschenfeind, der sich bitter beklagte, dass alle Welt gegen ihn und seine Musik sei. Der erste Popstar der Klassik, Frauenschwarm und Hexenmeister am Klavier - er wurde als Komponist von seinen Zeitgenossen nicht verstanden, seine Musik fand kein Gehör. Erst jetzt wird Liszts visionäres Künstlertum wiederentdeckt: Die fesselnd erzählte Biografie des lange verkannten Genies.
Michael Stegemann, geboren 1956 in Osnabrück, studierte in Münster Musikwissenschaft, Romanistik, Philosophie und Kunstgeschichte sowie Komposition bei Olivier Messiaen in Paris. Der Komponist und Musikpublizist lehrt seit 2002 als Professor für Musikwissenschaft an der TU Dortmund. Er ist Autor zahlreicher Bücher, Hörspiele, CD-Booklets und Sendereihen für den Rundfunk. Bahnbrechend war vor allem seine Glenn-Gould-Biografie, die bei Piper erschien.
Vorwort
Einer der wegweisenden Komponisten des 19. Jahrhunderts, einer der größten Pianisten, die es je gegeben hat
Autorentext
Michael Stegemann, geboren 1956 in Osnabrück, studierte in Münster Musikwissenschaft, Romanistik, Philosophie und Kunstgeschichte sowie Komposition bei Olivier Messiaen in Paris. Der Komponist und Musikpublizist lehrt seit 2002 als Professor für Musikwissenschaft an der TU Dortmund. Er ist Autor zahlreicher Bücher, Hörspiele, CD-Booklets und Sendereihen für den Rundfunk. Bahnbrechend war vor allem seine Glenn-Gould-Biografie, die bei Piper erschien.
Leseprobe
Douze Études (biographiques)
d'exécution transcendante
Vorwort
1885, irgendwo zwischen Rom, Weimar und Budapest. Irgendwo in Europa. Ein alter, vom grauen Star fast erblindeter, von Krankheit und Alkohol gezeichneter Mann schlurft in zerschlissenen Pantoffeln durch eine Wohnung, in der es nach kaltem Zigarrenrauch und schalem Cognac riecht. Immer wieder lässt ihn ein quälender Hustenanfall innehalten; leise stöhnend stützt er sich an einem Sessel ab. Seit einem Treppensturz vor ein paar Jahren bereitet jeder Schritt seinen von der Wassersucht aufgedunsenen Beinen Mühe und Schmerzen, und die Erkältung will und will nicht besser werden. Das immer noch dichte, schlohweiße, schulterlange Haar fällt auf den Kragen einer nachlässig zugeknöpften Soutane. Um die Schultern hat er ein Tuch gelegt: Er friert. Auf dem Tisch im Salon liegen einige Zeitungen und Journale: Berlin, Leipzig, Paris, die Neue Freie Presse aus Wien, der Pester Lloyd. Das Übliche: feindselige Verrisse und gehässiger Spott. Erfolg und Anerkennung? »Ich kann warten«, hat er immer wieder seinen Schülern erklärt. Warten ... Seufzend setzt er sich an den Schreibtisch, um die tägliche Korrespondenz zu erledigen: Briefe an die Tochter, die ihm ganz und gar entfremdet ist, an die frühere Geliebte, die ihre Wohnung nicht mehr verlässt, an Bittsteller, an Freunde.
»Alle sind gegen mich. Die Katholiken, weil sie meine Kirchenmusik profan finden, die Protestanten, weil sie finden, dass meine Musik katholisch ist, die Freimaurer, weil sie meine Musik als klerikal empfinden; für die Konservativen bin ich ein Revolutionär, für die 'Zukunftsapostel' ein falscher Jakobiner. Was die Italiener betrifft, trotz Sgambati: Wenn sie Anhänger Garibaldis sind, hassen sie mich als Frömmler, wenn sie auf Seiten des Vatikan stehen, klagen sie mich an, den Venusberg in die Kirche gebracht zu haben. Für Bayreuth bin ich kein Komponist, sondern bloß ein Werbeträger. Die Deutschen verabscheuen meine Musik als französisch, die Franzosen als deutsch, für die Österreicher schreibe ich Zigeunermusik, für die Ungarn fremdartige Musik. Und die Juden hassen mich und meine Musik ohne jeden Grund.«1
Dieser späte Brief Franz Liszts an seinen ungarischen Freund Ödön Mihalovich ist ein erschütterndes Dokument: Lebensresümee eines vereinsamten, verkannten und verletzten Künstlers, dem doch einmal ganz Europa zugejubelt und zu Füßen gelegen hatte. Wie konnte aus dem glamourösen Pop- und Superstar, der mit seinem Klavierspiel die Massen zu hysterischer Begeisterung hinriss, dieser alte Mann werden, der sich bitter beklagt, dass alle gegen ihn und seine Musik sind? Wie konnte sein Genie derart ins Abseits geraten? Diese Fragen zu beantworten ist eines der Hauptanliegen dieses Buches.
*
»Es ist ganz erstaunlich, daß sich ein erheblicher, ich möchte sagen der überwiegende Teil der Musiker trotz der Neuartigkeit und Großartigkeit der Musik Liszts so wenig mit ihr anfreunden kann«2, stellte Béla Bartók 1911 in einem Aufsatz zum 100. Geburtstag des Komponisten fest. Und daran hat sich auch heute - 100 Jahre später - nicht viel geändert. Tatsächlich gibt es kaum einen bedeutenden Komponisten des 19. Jahrhunderts, der so wenige Freunde zu haben scheint. »Ich weiß, ich kompromittiere mich, indem ich ein Wort für Liszt einlege«, verteidigte sich der Pianist Alfred Brendel 1976 in einem Plädoyer für den Geächteten. Die Vorurteile gegen seine Musik, die Brendel aufzählt - »bombastische Äußerlichkeit, billige Sentimentalität, Formlosigkeit, Wirkung um der Wirkung willen«3, - sind heute so lebendig wie eh und je. In Deutschland kommt noch ein spezifisches Kainsmal hinzu, das Liszt anhaftet: seine Vereinnahmung als »Volksgenosse«4
Inhalt
Inhalt
Douze Études (biographiques) d'exécution transcendante
Vorwort
I Preludio
Kindheit und Virtuosenjahre
II Molto vivace
Im Salon. Marie d'Agoult
III Paysage
Die " Pilgerjahre "
IV Mazeppa
Ungarn
V Feux follets
Die Kinder. Carolyne von Sayn-Wittgenstein
VI Vision
Kapellmeister in Weimar
VII Eroica
Im Dienste der anderen
VIII Wilde Jagd
Von der Kritik gehetzt
IX Ricordanza
Im Schatten des Vatikans
X *. Allegro agitato molto
Das dreigeteilte Leben
XI Harmonies du soir
Die letzten Jahre
XII Chasse neige
Tod und Nachleben
Anhang
Anmerkungen
Bibliografie
Werkverzeichnis
Register (Personen-, Werkregister)
Bildnachweis