Kann Wissenschaft das Leben lebendig darstellen? Zur Theorie und Praxis der Naturforschung bei Kant, Goethe und Alexander von Humboldt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickeln die Wissenschaften ein Interesse am Lebendigen, das sich nicht zuletzt in neuen Formen des Wissens und wissenschaftlicher Texte artikuliert. Im Anschluss an Kants Ausführungen zur philosophischen und ästhetischen (Nicht-)Darstellbarkeit des Lebendigen verfolgt Michael Bies am Beispiel von Goethes Studien zur Pflanzenmetamorphose und Alexander von Humboldts Arbeiten zur Pflanzengeographie und Pflanzenphysiognomik, wie diese Untersuchungen jeweils bildlich orientierte Präsentationsformen entwickeln. Stärker als auf gesetzmäßige Erklärungen zielen diese Präsentationsformen auf eine Nachbildung von Natur, sie stellen insofern weniger ein begrifflich und kausal begründetes Wissen als vielmehr ein ästhetisches Wissen von der vegetabilen Natur bereit. Darüber hinaus zeigt Bies, dass diese Nähe von Epistemologie und Ästhetik auch konzeptuell fundiert werden kann. Hierzu wird auf den Begriff der »Darstellung« zurückgegriffen, den vor allem Klopstock und Kant in die deutschsprachige Dichtungs-, Kunst- und Erkenntnistheorie eingeführt haben.
»Irmela Marei Krüger-Fürhoff hat die Exegese der verwundeten, versehrten und verstümmelten »Monstra« in der Literatur und Kunst um 1800 unternommen und dort, auf der Höhe der »Kunstepoche«, die »schöne Kunst nicht mehr schöner Körper« entdeckt. Ihre bemerkenswerte Studie verbindet die Diskurse der Ästhetik mit denen der Medizin und des Krieges. Ein Kapitel ist naturgemäß Goya gewidmet, ein anderes dem Schmerz des Laokoon. Ergiebig ist vor allem die Lektüre der ästhetischen Entwürfe von Karl Philip Moritz und ihrer Überarbeitungen. (...) Selten ist die Verbindung von Literaturwissenschaft und Diskursanalyse so fruchtbar geworden wie in Krüger-Fürhoffs Interpretation der Erzählung »Der Zweikampf« von Heinrich von Kleist.« (Lorenz Jäger, Frankfurter Allgemeine Zeitung) »Sie hat damit nicht nur eine äußerst spannende und material- wie aspektreiche Spezialuntersuchungen zur Kultur um 1800 vorgelegt, sondern auch einen zentralen Beitrag zu den aktuellen Körperdebatten geliefert, denn diese beziehen sich an entscheidenden Stellen immer wieder auf die klassizistischen Körperkonzepte.« (Jan Christian Metzler, Zeitschrift für Germanistik)
Autorentext
Michael Bies, geb. 1979, ist Privatdozent am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin und derzeit Gastprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Marx konkret. Poetik und Ästhetik des »Kapitals« (Mithg., 2020); Gattungs-Wissen. Wissenspoetologie und literarische Form (Mithg., 2013); Im Grunde ein Bild. Die Darstellung der Naturforschung bei Kant, Goethe und Alexander von Humboldt (2012).
Klappentext
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickeln die Wissenschaften ein Interesse am Lebendigen, das sich nicht zuletzt in neuen Formen des Wissens und wissenschaftlicher Texte artikuliert. Im Anschluss an Kants Ausführungen zur philosophischen und ästhetischen (Nicht-)Darstellbarkeit des Lebendigen verfolgt Michael Bies am Beispiel von Goethes Studien zur Pflanzenmetamorphose und Alexander von Humboldts Arbeiten zur Pflanzengeographie und Pflanzenphysiognomik, wie diese Untersuchungen jeweils bildlich orientierte Präsentationsformen entwickeln. Stärker als auf gesetzmäßige Erklärungen zielen diese Präsentationsformen auf eine Nachbildung von Natur, sie stellen insofern weniger ein begrifflich und kausal begründetes Wissen als vielmehr ein ästhetisches Wissen von der vegetabilen Natur bereit. Darüber hinaus zeigt Bies, dass diese Nähe von Epistemologie und Ästhetik auch konzeptuell fundiert werden kann. Hierzu wird auf den Begriff der "Darstellung" zurückgegriffen, den vor allem Klopstock und Kant in die deutschsprachige Dichtungs-, Kunst- und Erkenntnistheorie eingeführt haben. Im Mittelpunkt der Studie steht die Relektüre kanonisierter Texte, in denen versehrte Körper zur Sprache kommen - von Winckelmann, Lessing, Herder und Goethe bis zu Moritz, Kleist, Günderrode und Arnim. Um die Verbindung zwischen einer Poetik der Verwundung und einer Geschichte gewaltsam geöffneter Körper zu zeigen, werden Literatur und Kunsttheorie mit anderen Diskursen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts konfrontiert: mit Schlachtberichten der Befreiungskriege, gerichtsmedizinischen Untersuchungen und populären Reiseführern sowie mit antiken Skulpturen, zeitgenössischen Radierungen, Wachstableaus und anatomischen Modellen. Auf diese Weise werden literaturwissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Perspektiven zu einem luziden Beitrag zu aktuellen Debatten in Germanistik, Ästhetiktheorie, Körpergeschichte und Gender Studies verknüpft. Es zeigt sich, daß der ausgegrenzte versehrte Körper zur zentralen Herausforderung, ja zum übersehenen oder verdrängten Ursprung der klassizistischen Ganzheitsästhetik wird. Die Autorin: Irmela Marei Krüger-Fürhoff, geb. 1965; studierte Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, Germanistik und Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin, der amerikanischen Cornell University und der Humboldt Universität zu Berlin. 1996-1998 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität, seit 1998 Lehrbeauftragte in Berlin und Hamburg, seit 2000 Postdoktorandin am Graduiertenkolleg "Codierung von Gewalt im medialen Wandel" der Humboldt-Universität. Mitautorin von "Literarische Intellektualität in der Mediengesellschaft. Empirische Vergewisserungen über Veränderungen kultureller Praktiken" (2000), Mitherausgeberin von "Über Grenzen. Limitation und Transgression in Literatur und Ästhetik" (1999). Prressestimme: "Die Autorin, Lehrbeauftragte der Berliner Humboldt-Universität, revidiert das klassizistische Schönheitsideal, indem sie nachweist, dass der versehrte Männerkörper in seiner ästhetischen Provokation Kunst und Literatur prägte. Von Goyas Torso-Rezeption bis zu Goethes Schönheit unverhüllter Glieder. Ein Buch für Kunstfreunde." (Adam)