Sie gärtnern in grob gezimmerten Hochbeeten aus Holzresten oder in mit Wellpappe ausgelegten Plastikkisten, sie bepflanzen Baumscheiben und winzige Beete zwischen Bürgersteig und Parkstreifen - die neuen urbanen Gärtner sorgen für Farbe in Deutschlands Städten. Die Bewegung ist heterogen und unübersichtlich. Doch ob Nachbarschafts-, Kiez- oder Tafelgärten, ob in Hamburg, Berlin oder München, eins haben alle Initiativen gemeinsam: das Vergnügen an der elementaren Erfahrung, einen Garten zu bestellen, etwas wachsen zu sehen, teilzuhaben am Kreislauf der Natur und nicht zuletzt: sich einen Teil der eigenen Nahrung selbst zu beschaffen. Martin Raspers Buch ist ein kundiger Führer durch die neue urbane Gartenszene. Neben der Vorstellung wichtiger Protagonisten und Initiativen erläutert er Hintergründe: die Herkunft des Gartens als Abgrenzung zur Wildnis; seine Verwurzelung in unserer Kultur und die komplexen Beziehungen im Ökosystem Garten und seinem wichtigsten Bestandteil, dem Boden. Für all diejenigen, die am liebsten sofort loslegen wollen, gibt es zahlreiche Praxistipps. Ein unerlässlicher Ratgeber für alle Stadtgärtner.
Martin Rasper hat vom Kleingarten über Guerilla Gardening bis zum Hausgarten viele Formen des Gärtnerns selbst praktiziert. Er war langjähriger Redakteur bei 'natur+kosmos' und Autor u.a. für die Süddeutsche Zeitung, das SZ Magazin, Merian und die schweizer Kulturzeitschrift Du. Er studierte Geologie, Philosophie und Journalismus in München und Berlin.
Autorentext
Martin Rasper hat vom Kleingarten über Guerilla Gardening bis zum Hausgarten viele Formen des Gärtnerns selbst praktiziert. Er war langjähriger Redakteur bei 'natur+kosmos' und Autor u.a. für die Süddeutsche Zeitung, das SZ Magazin, Merian und die schweizer Kulturzeitschrift Du. Er studierte Geologie, Philosophie und Journalismus in München und Berlin.
Leseprobe
Prolog
Sun Dogs Irrtum
Ein Gespenst geht um in Europa, ein fröhliches buntes Gespenst mit Dreck unter den Fingernägeln: der Neue Gärtner. Aufgetaucht aus dem Nichts, hat er in kürzester Zeit die Städte erobert. Die Illustrierten überschlagen sich mit Geschichten über coole Guerilla-Gärtner und urbane Gemüsezüchter, Designer entwerfen futuristische Hängebeete und Gartengeräte aus Recyclingmaterial. Gärtnern ist hip, ist "der neue Rock'n Roll", wenn nicht gar, wie aus London zu hören war, "der neue Sex". Die Musikzeitschrift Spex nennt die Gründer des Berliner Prinzessinnengartens "Bauern von Kreuzberg" und zeigt einen der beiden auf einem historisierenden Schwarz-Weiß-Foto mit Zigarette im Mundwinkel und Tweedmütze auf dem Kopf, wie er lässig mit der Brause die Hochbeete wässert, eine skurrile Mischung aus James Dean und Henry David Thoreau.
Was ist da passiert? Urbanes Gärtnern ist doch ein Widerspruch in sich, sollte man meinen. Waren die Städte nicht immer ein Synonym für Naturferne - oder jedenfalls für eine Lebensweise, in der ganz andere Koordinaten zählten? Steingewordene Geschichte, geball tes Leben, Kino, Kneipe, Kultur, einerseits. Aber auch Verkehrschaos, Menschenmassen und Gewalt, schlechte Luft; für diesen Teil des Großstadtbildes stand "Die Unwirtlichkeit unserer Städte", Alexander Mitscherlichs Abrechnung mit dem naiv-bornierten Aufbruchsgeist der Wirtschaftswunderzeit.
Anfang der neunziger Jahre lebte ich eine Zeitlang in einer Aussteigerkommune im Regenwald von Costa Rica. Wir bauten Ananas und Bananen an, pflegten Brotfrucht-, Mango- und Kakaobäume, backten unsere Brotfladen am offenen Feuer und liefen einmal die Woche ins acht Kilometer entfernte Städtchen, um Reis, Öl und die einzige verfügbare Zeitung zu kaufen. Alle dort waren überzeugt, dass die überdrehte Zivilisation, aus der wir kamen, keine Zukunft haben würde. Statt dessen würde es künftig darum gehen, irgendwo auf dem Land sich selbst zu versorgen, möglichst wenig Energie und Rohstoffe zu verbrauchen und überhaupt mit der Welt sorgsam umzugehen. Wie aber würde die aussehen? Und was würde mit den Städten geschehen, aus denen die meisten von uns stammten? "Cities", dozierte da ein rauschebärtiger, in der Wolle gefärbter kalifornischer Hippie, der sich Sun Dog nannte - "cities will just vanish". Die Städte werden einfach verschwinden. Es war keine Meinung, sondern eine Feststellung.
Diese Haltung war seinerzeit durchaus populär. Der amerikanische Historiker Mike Davis hatte gerade sein Traktat City of Fear veröffentlicht, in dem er wortreich den Untergang von Los Angeles an die Wand malte; und wie um ihn zu bestätigen, waren kurz darauf in der Stadt heftige Rassenunruhen ausgebrochen. Auch Sun Dog wusste, wovon er sprach, er stammte aus San Diego, er kannte den Smog und zwölfspurige Freeways und das Gefühl, mit leerem Tank in einer feindlichen Gegend zu stranden. "Die Städte werden an ihrer eigenen Scheiße ersticken", prophezeite er, "an ihrem Müll, ihrem Verkehr, ihren Abgasen, ihrer Gewalt. Sie werden sich in einem logistischen, sozialen, infrastrukturellen Chaos einfach auflösen." Und wann so? Irgendwann nach dem Jahr 2000. Das schien damals noch ziemlich weit weg zu sein.
" 'Die Städte werden verschwinden',
sagte Sun Dog. Es war keine Meinung,
sondern eine Feststellung. "
Es kam bekanntlich anders. Städte sind lebendiger als je zuvor. Seit dem Jahr 2008 lebt nach offizieller Schätzung der Vereinten Nationen mehr als die Hälfte der Menschheit in Städten - erstmals überhaupt in der Geschichte. Städte sind attraktiv, und sei es aus purer Not. Und so sehr sich Orte wie München oder Warschau von den wuchernden Megacities in Afrika und Asien unterscheiden, haben sie doch vieles gemeinsam: die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Stadt und Land. Eine Stadt hat gegenüber ihrer Umgebung einen vielfach erhöhten
Inhalt
1;Vom Gärtnern in der Stadt;1
2;Inhalt;5
3;Prolog. Sun Dogs Irrtum;9
4;Kapitel 1. Das soll ein Garten sein?;19
4.1;Was sind das alles für Gärten?;24
4.2;Was sind Selbsterntegärten?;31
4.3;Stiftung Interkultur - der gute Geist der Gartenprojekte;37
4.4;Kurse machen, Praktika machen;42
4.5;Lob der Felsenbirne;46
4.6;Wie komme ich an einen Garten?;50
5;Kapitel 2. Unterm Pflaster liegt das Beet;53
5.1;Ein Hochbeet anlegen;58
5.2;Bienen halten;62
5.3;Kann man dem Boden trauen?;72
5.4;Kartoffeln im Kübel;80
5.5;Tipps für den Balkon;86
5.6;Rezepte;92
5.7;Schadstoffe im Stadtgemüse;96
6;Kapitel 3. Der politische Garten;99
6.1;Zehn Fragen zum Guerillagärtnern;104
6.2;Die Geschichte vom Korbiniansapfel;110
6.3;Saatgut gewinnen;116
6.4;Alte Sorten, biologisches Saatgut: kaufen oder tauschen?;123
6.5;Aus dem Manifest zur Zukunft des Saatguts;132
6.6;Was sind samenfeste Sorten, was sind F1-Hybriden?;144
7;Kapitel 4. Den Garten verstehen;147
7.1;Artenvielfalt fördern;152
7.2;Lob der Ringelblume;157
7.3;Kräuterbeet;160
7.4;Einfache Regeln zur Mischkultur;164
7.5;Kein Garten ohne Kompost;165
7.6;Umgraben oder nicht?;170
7.7;Was ist Permakultur?;174
7.8;Zehn Thesen;194
8;Ausblick: Ideen für die grüne Stadt;177
9;Urbane Gartenprojektein Deutschland;196
10;Kommentierte Literaturliste;201
11;Dank;205