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Schienenersatzverkehr, defekte Klimaanlagen, Döner im Großraumwagen und Dauertelefonierer im Flüsterabteil: Wer wie Mark Spörrle nicht aufs Zugfahren verzichten kann, kennt die Tücken der Deutschen Bahn. Er weist den richtigen Weg bei Fahrkartenkauf, umgekehrter Wagenreihung und verwirrenden Durchsagen. Er schildert notorische Platzbesetzer; erzählt, wie Mitfahrende von Fremden zur Schicksalsgemeinschaft werden. Lässt sich auf Abenteuer mit Fernbussen ein, erinnert an Nachtreisezüge und andere aussterbende Spezies. Zeigt, wann eine Bahncard 100 sich wirklich lohnt. Warum WLAN im Zug Glückssache und das Bordbistro immer wieder für Überraschungen gut ist. Weshalb man Freitage meiden sollte - und warum Bahnfahren immer noch die kultivierteste Art der Forbewegung ist.
Mark Spörrle, geboren 1967, ist Redakteur bei der Zeit und schreibt satirisch-humorvolle Bücher über den irrwitzigen Alltag. Zu den erfolgreichsten zählen 'Ist der Herd wirklich aus?' und 'Aber dieses Jahr schenken wir uns nichts!'. Der Bahnreiseführer 'Senk ju vor träwelling', den er mit Lutz Schumacher verfasste, stand über ein Jahr unter den Top 20 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Mark Spörrle lebt mit seiner Familie in Hamburg.
Autorentext
Mark Spörrle, geboren 1967, ist Redakteur bei der Zeit und schreibt satirisch-humorvolle Bücher über den irrwitzigen Alltag. Zu den erfolgreichsten zählen "Ist der Herd wirklich aus?" und "Aber dieses Jahr schenken wir uns nichts!". Der Bahnreiseführer "Senk ju vor träwelling", den er mit Lutz Schumacher verfasste, stand über ein Jahr unter den Top 20 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Mark Spörrle lebt mit seiner Familie in Hamburg.
Leseprobe
Sehnsuchtsort, Mythos, Abenteuer - die Magie der Züge
Zum ersten Mal fuhr ich mit der Bahn, da muss ich ungefähr sechs gewesen sein. Mitte der 70er-Jahre reisten meine Eltern mit mir von Flensburg zu den Großeltern ins Rheinland. Ich erinnere mich noch genau an das Sechserabteil mit den geteilten roten Sitzen, die sich so gen Abteilmitte ziehen ließen, dass aus immer zwei gegenüberliegenden jeweils eine Liegefläche entstand. Es war heller Tag, aber ich hatte mir sofort die Liege ganz am Fenster eingerichtet. Und wenn ich nicht gerade den metallenen Tischabfalleimer auf- und zuklappte, zur Freude meiner Eltern und einer Frau von nebenan, die mehrfach schimpfend in der Abteiltür erschien, lag ich gemütlich auf dem Bauch, rhythmisch geschaukelt von den Bewegungen des Zuges, leicht sediert vom »Tatam-tatam-tatam-tatam« der Räder, und las. Für mich gab es damals nichts Schöneres, ich fand es herrlich, einfach da liegen und lesen zu können, und: Ich hatte extra für diese Fahrt zwei neue Bücher bekommen!
Außerdem gab es hart gekochte Eier und den ersten Erdbeerquark meines Lebens, von dem ich so viel aß, dass ich sehr dringend auf die Toilette musste. Es war noch ein Exemplar, bei dem sich nach verrichtetem Geschäft per Hebelzug eine Klappe öffnete, durch die man die dahinjagenden Gleise sah. Weshalb mir meine Eltern vehement einschärften, mich beim Sitzen bloß gut festzuhalten, man konnte ja nie wissen. Bei meinem zweiten Toilettengang fiel ihnen dann ein, dass es noch ein Problem gab: die Hygiene. Also bastelten sie eine behelfsmäßige Toilettenbrille aus Papier und schärften mir ein, mich bloß NICHT festzuhalten. Ich verzichtete dann darauf, den Abort noch ein weiteres Mal aufzusuchen.
Und trotzdem, diese erste Bahnreise meines Lebens war für mich etwas ganz Besonderes: Das große Kofferpacken, die Fahrt zum Bahnhof, ausnahmsweise im schwarzen Taxi, die winkenden Großeltern, die drei neuen Bücher, die meine Mutter mir für die Rückfahrt kaufte, weil ich die zwei anderen schon auf der Hinfahrt ausgelesen hatte - all das ist mir bis heute ungemein präsent. Vielleicht hat Bahnfahren deshalb noch heute für mich diesen Reiz, diese Faszination. Über das Bahngefühl und Sex im Kopf. Eine Beziehungsanalyse
Es gibt natürlich Leute, die suchen für so etwas eine tiefenpsychologische Erklärung. Und meinen, das leichte Schaukeln des Zuges werde deshalb als so angenehm empfunden, weil es unser inneres Ich an die frühkindliche Erfahrung des Schaukelns im Kinderwagen erinnere. Zumal das gedämpfte, monotone »Tatam-tatam-tatam-tatam« der Art ähnle, wie Kinder Geräusche im Mutterbauch wahrnähmen ... Sicher, darüber lässt sich streiten, außerdem sind die Schienen mittlerweile auf den meisten Strecken zusammengeschweißt, sodass das mit dem »Tatam-tatam-tatam-tatam« auch vorbei ist.
Aber so weit müssen wir auch gar nicht gehen, wollen wir das Bahngefühl und dessen Faszination erkunden: Autofahren mag, bei einem entsprechendem Auto, spannend sein, Fliegen schnell, aber Bahnfahren ist ein bequemer und zugleich keineswegs unproduktiver Zustand, denn schließlich kommt man dabei voran, und das, ohne dafür selbst etwas zu tun: Bahnfahren ist mobiler Müßiggang. Mit weit besserer Umweltbilanz, als wäre man im Flugzeug oder im Auto unterwegs. (Zu den Fernbussen, die auch die Bahn losschickt, um sich lieber selbst Konkurrenz zu machen, bevor andere es tun, kommen wir später.)
Auch wenn man einfach nur nüchtern rechnet, spricht viel für die Bahn: Okay, manchmal ist es billiger, nach Köln, Frankfurt oder Düsseldorf zu fliegen. Aber da hetzt man erst zum Check-in oder zur Gepäckabgabe, lässt dann bei der Sicherheitskontrolle fast die Hosen runter und muss, kaum dass man glücklich im Flugzeug sitzt, den Laptop vor die Brust gequetscht hat und vorsichtig versucht, die Ellenbogen so weit auszufahren, dass man einigermaßen die Tastatur bedienen kann, wi