Immer schneller, immer mehr - diese Maxime ist mittlerweile zum Credo unserer Zeit geworden. Doch was, wenn das schnelle Leben immer mehr zur Last wird, wenn immer mehr Menschen darüber klagen, keine Zeit mehr zu haben für die Familie, Freunde oder für sich selbst und immer öfter das Stresssymptom 'Burnout' diagnostiziert wird? Dann ist es höchste Zeit für ein Umsteuern, denn offensichtlich ist diese Tempofahrt nicht zukunftsfähig. 'Wir müssen unseren Umgang mit Zeit überdenken und revidieren', empfiehlt der Zeitexperte Karlheinz A. Geißler - und zeigt, warum wir Langsamkeit, Wiederholung und Warten wieder schätzen sollten. Denn es sind diese Zeiten des 'Dazwischen', die die Dinge und Abläufe auf Abstand bringen und so für den Rhythmus im Leben sorgen. Es sind die 'kleinen Sonntage unseres Daseins', die uns die Freiräume schaffen, darüber nachzudenken, was war und was kommen wird, die Zwischenzeiten fürs Nachdenken, Vordenken, Abschalten und Verarbeiten. Die Zeit ist reif für ein Innehalten, das Buch 'Lob der Pause' liefert hierzu wertvolle Denkanstöße.
Karlheinz A. Geißler ist einer der bekanntesten Zeitforscher der Gegenwart. Er hat zahlreiche Bu cher zum Thema Zeit publiziert und ist ein gefragter Interviewpartner. Er studierte Philosophie, O konomie und Pädagogik und war von 1975 bis 2006 Professor für Wirtschafts- und Sozialpädagogik an der Universita t der Bundeswehr in München.
Immer schneller, immer mehr diese Maxime ist mittlerweile zum Credo unserer Zeit geworden. Doch was, wenn das schnelle Leben immer mehr zur Last wird, wenn immer mehr Menschen darüber klagen, keine Zeit mehr zu haben für die Familie, Freunde oder für sich selbst und immer öfter das Stresssymptom 'Burnout' diagnostiziert wird? Dann ist es höchste Zeit für ein Umsteuern, denn offensichtlich ist diese Tempofahrt nicht zukunftsfähig. 'Wir müssen unseren Umgang mit Zeit überdenken und revidieren', empfiehlt der Zeitexperte Karlheinz A. Geißler und zeigt, warum wir Langsamkeit, Wiederholung und Warten wieder schätzen sollten. Denn es sind diese Zeiten des 'Dazwischen', die die Dinge und Abläufe auf Abstand bringen und so für den Rhythmus im Leben sorgen. Es sind die 'kleinen Sonntage unseres Daseins', die uns die Freiräume schaffen, darüber nachzudenken, was war und was kommen wird, die Zwischenzeiten fürs Nachdenken, Vordenken, Abschalten und Verarbeiten. Die Zeit ist reif für ein Innehalten, das Buch 'Lob der Pause' liefert hierzu wertvolle Denkanstöße.
Autorentext
Karlheinz A. Geißler war einer der bekanntesten Zeitforscher der letzten Jahrzehnte. Er studierte Philosophie, Ökonomie und Pädagogik und war von 1975 bis 2006 Professor für Wirtschafts- und Sozialpädagogik an der Universität der Bundeswehr in München. Er hat zahlreiche Bücher zum Thema Zeit publiziert, zuletzt gemeinsam mit Harald Lesch und Jonas Geißler »Alles eine Frage der Zeit«. Er verstarb am 9. November 2022.
Leseprobe
Kapitel 2
Von der Vielfalt der Zeiten
Versöhnte Verschiedenheit
Geht's um Zeit, dann geht's ums Leben. Wie wir die Zeit leben, so leben wir unser Leben. Wenn wir heute davon sprechen, "die Zeit rase", dann leben wir heute schneller denn je. Je schneller wir jedoch leben, umso mehr rennen wir hinter der Zeit (sprich: hinter dem Leben) her. Und da wir dieses Spiel immer weiter, immer hektischer betreiben, drängt sich die Frage auf: Ticken wir eigentlich noch richtig? Und bevor wir noch ein wenig schneller werden, um eilig nach einer Antwort zu suchen, empfiehlt sich eine Besinnungspause, in der wir nachdenken, ob es uns nicht besser ginge, wenn wir das Tempo nicht immer noch mehr verschärfen, sondern das Zeitleben bunter, vielfältiger und abwechslungsreicher machen würden. Denn es sind nicht alle Zeiten gleich. "Im Sommer", so Walter Benjamins anschaulicher Kommentar zu dieser Trivialität, "fallen die dicken Leute auf, im Winter die dünnen". Doch nicht nur die Jahreszeiten sind verschieden, die Zeit ist es generell. Es gibt sie nur im Plural. Wir kennen die Schnelligkeit, die uns zu vielen Errungenschaften verholfen hat, wir kennen die nicht minder produktive Langsamkeit, die Aktivität, das Ruhen, die Veränderung, die Stabilität und viele andere Zeitqualitäten mehr. Alles hat nicht nur seine Zeit, sondern auch seine Zeit en . Die Dinge, die Abläufe, die unterschiedlichen Systeme, sie alle haben ihre je eigenen Zeitqualitäten. Eine Barocktreppe hat und provoziert bei denjenigen, die sie betreten, eine andere Zeit als eine Rolltreppe. Wir reden, wenn wir schnell miteinander gehen, anders und auch über etwas anderes als dann, wenn wir am Strand entlangschlendern. Jede Straße, jeder Stadtbezirk, jede Gesellschaft, jede Firma signalisiert und offeriert ihre je eigene zeitliche Bewegungsanweisung, auf die hin die Subjekte durch ein je spezifisches Verhalten reagieren. Die Psychologie spricht in diesem Zusammenhang von "Affordanz", ein Terminus, der den Aufforderungscharakter der Umwelt mit Blick auf eine bestimmte Form des Handelns und Verhaltens benennt. Die Gegenstände, die Dinge, die soziale Mitwelt, die Umgebungsatmosphäre sagen, was man tun soll. Sie senden Aufforderungsimpulse im Hinblick auf ein bestimmtes Zeitverhalten aus. Ein Sessel oder eine Sitzbank fordern zum Niederlassen, zum Pausieren auf, eine Espressobar, ein Stehtisch hingegen zum schnellen Verzehr. Das wird viel zu selten von denjenigen ins Kalkül gezogen, die - wie Kommunalpolitiker, Stadtplaner, Architekten - darüber entscheiden, inwieweit die urbane Lebenswelt den Bürgern ein buntes, vielfältiges Zeithandeln ermöglicht, es fördert oder behindert. Die Wissenschaft hat mittels Beobachtungen und Experimenten mehrfach bewiesen, dass die menschliche Aktivität, speziell auch die im Straßenverkehr, von der räumlichen Ausstrahlung, der architektonischen Umgebung und den Wirkmächten von Straßenführung und Straßenbreite beeinflusst und bestimmt wird. Breite Straßen fordern zum Gasgeben auf, krumme Wege, enge Kurven hingegen zum Verlangsamen. Doch nicht nur Autofahrer, auch Fußgänger reagieren entsprechend. Ganz ähnlich auch die Geschwindigkeiten beim Denken. Das Rationale dient vielfach der Beschleunigung, der Zeitkontrolle und der Zeitverdichtung. Das Gefühlvolle, das Emotionale, aber auch das Soziale tendieren zu Verzögerungen, zu Abschweifungen, zu Umwegen. Gebraucht wird beides, möglich muss beides sein: Schnelligkeit und Langsamkeit. Eines der schönsten und überzeugendsten Beispiele dafür liefert uns Charles Dickens in seinem Roman Die Pickwicker . Er gibt darin höchst präzise Verhaltensregeln zum Einfangen verloren gegangener Kopfbedeckungen: "Es gehört keine geringe Kaltblütigkeit und ein besonderer Grad von Beurteilungskraft dazu, einen fortrollenden Hut wieder einzufangen. Man darf nicht zu sehr eilen, sonst stürmt man über ihn hinaus; man darf nich
Inhalt
1;Lob der Pause;1
2;Inhalt;5
3;Es ist an der Zeit, ...;8
4;Kapitel 1: Lebst du schon oder sparst du noch: die Zeit?;11
4.1;Freundin fürs Leben;12
4.2;Zeit ist Zeit ist Zeit ...;16
5;Kapitel 2: Von der Vielfalt der Zeiten;21
5.1;Versöhnte Verschiedenheit;22
5.2;Verstaubte Zeiten auf dem Dachboden des Lebens;30
6;Kapitel 3: "Jetzt aber mal langsam!" - Die Langsamkeit;35
6.1;Enthetzen statt Entschleunigen;38
6.2;Geduld und Gelassenheit;42
7;Kapitel 4: "Play it again!" - die Wiederholung;53
7.1;Rhythmus als "Erinnerung nach vorne";55
7.2;Rituale: Alleen des Zeitlichen;60
8;Kapitel 5: "Please hold the line!" - das Warten;67
8.1;Warten als Strafe;72
8.2;Vom Glück des Wartens;76
9;Kapitel 6: "Der Zwischenraum hindurchzuschaun" - die Pause;85
9.1;Pausen: Leuchttürme des Daseins;87
9.2;Pausenlosigkeit und ihr Preis;95
10;Kapitel 7: Poesie und Politik - Zeiten des Dazwischen;105
10.1;Die Sonntage des Lebens;106
10.2;Wider die Beschleunigung der Beschleunigung;109
11;Kapitel 8: Vom Unbehagen in der Zeitkult…