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'Was berühmte Frauen und Männer einst geschrieben, gereimt, gesagt haben: es ist quicklebendig für uns'. Joachim Kaiser hat 19 'historische' Personen befragt und diese aus ihren Werken antworten lassen. Seine prominenten Gesprächspartner sind: Immanuel Kant, Frau Rat Goethe, Marquis de Sade, Matthias Claudius, Ludwig van Beethoven, Johann Nestroy, Georg Büchner, Clara Schumann, Friedrich Nietzsche, Frank Wedekind, Alfred Kerr, Christian Morgenstern, Franz Kafka, Jean Cocteau, Kurt Tucholsky, Eugen Roth, Ernest Hemingway, Arthur Koestler und Ingeborg Bachmann.
Joachim Kaiser, geboren 1928 in Milken/Ostpreußen, studierte Musikwissenschaften, Germanistik, Philosophie und Soziologie. Er war lange Zeit Kulturkritiker bei der Süddeutschen Zeitung in München und Professor an der Hochschule für Musik und darstellende Künste in Stuttgart. Joachim Kaiser verstarb 2017.
Autorentext
Joachim Kaiser, geboren 1928 in Milken/Ostpreußen, studierte Musikwissenschaften, Germanistik, Philosophie und Soziologie. Er war lange Zeit Kulturkritiker bei der Süddeutschen Zeitung in München und Professor an der Hochschule für Musik und darstellende Künste in Stuttgart. Joachim Kaiser verstarb 2017.
Leseprobe
»Mit der Vergötterung wils nicht so recht fort.«
Imaginäres Gespräch mit der Frau Rat Goethe
Katharina Elisabeth Goethe, geb. Textor (*1731 in Frankfurt a. M., 1808 in Frankfurt a. M.)
Joachim Kaiser (JK): »Vom Vater hab' ich die Statur, / Des Lebens ernstes Führen, / Vom Mütterchen die Frohnatur / Und Lust zu fabulieren« - hat Ihr großer Sohn gedichtet. Übertrieb er da, vielleicht des Reimes und seiner Seelenruhe wegen, ein wenig? Mußten Sie nicht, in kriegerischer Zeit, allein Ihr Dasein führen, feindliche und verbündete Soldaten einquartieren, als Ihr körperlich wie seelisch kränkelnder Ehemann nach langem Siechtum gestorben war? Mußten Sie sich nicht, kaum unterstützt vom fernen, weltberühmten Sohn, bemühen, Ihr großes Haus zu verkaufen, um in eine hübsche kleine Mietwohnung ziehen zu können? Sie hatten den Hausrat zur Auktion gegeben. Ja, Sie hatten, was die Goethe-Forscher bis auf den heutigen Tag bejammern, zentnerweise unersetzliche Dokumente auf die Papiermühle gegeben ...
Frau Rat Goethe (FRG): Hercules misttete einmahl einen Stall aus, und wurde vergöttert - gemistest habe ich - aber mit der Vergötterung wils noch nicht so recht fort. Drey Centner Papier habe durchsucht - das wenige nützliche ... habe beybehaltendas andre auf die Papirmühle verkauft ...
JK: Ihr Sohn hat ja auch private Briefe und Dokumente immer wieder abgestoßen, alte Schlangenhäute abgestreift. Gewiß fiel es Ihnen schwer, auf Ihre älteren Tage nun plötzlich ...
FRG: Mein Leben fließt still dahin wie ein klahrer Bach - Unruhe und Getümmel war vonjeher meine sache nicht, und ich danke der Vorsehung vor meine Tage - Tausend würde so ein Leben zu einförmig vorkommen mir nicht, so ruhig mein Cörpper ist; so thätig ist das was in mir denkt - da kan ich so einen gantzen geschlagenen Tag gantz alleine zubringen, erstaune daß es Abend ist, und bin vergnügt wie eine Göttin - und mehr als vergnügt und zufrieden seyn braucht man doch wohl in dieser Welt nicht.
JK: Sie liebten, ja vergötterten Ihren berühmten Sohn und schrieben ihm wirklich einmal, aufs alte Testament anspielend: »Jeder Brief der von dir kommt wird aus gebreitet und unter Danck Gott vorgelegt - das habe ich vom König Hiskia gelernt und habe mich 30 jahr schon dabey wohl befunden.«
FRG: Ich weiß aus Erfahrung was das heißt Freude an seinem Kind erleben (...) Ewig werden mir die Worte der Seeligen Klettenbergern im Gedächnüß bleiben ...
JK: Das war Susanna Catharina von Klettenberg, deren »Bekenntnisse einer schönen Seele« Goethe in »Wilhelm Meisters Lehrjahre« einfügte ...
FRG: ... die Worte der Seeligen Klettenbergern im Gedächtnüß bleiben »Wenn dein Wolfgang nach Maintz reißet bringt Er mehr Kenntnüße mit, als andere die von Paris und Londen zurück kommen«.
JK: Sie meinen London?
FRG: Daß das Bustawiren und gerade Schreiben nicht zu meinen sonstigen Talenten gehört - müßt Ihr verzeihen - der Fehler läge am Schulmeister.
JK: Entschuldigung ...
FRG: Diese Meße war reich an - Profeßsoren!!! Da ... die Menschen sich einbilden ich hätte was zu dem großen Talendt beygetragen; so kommen sie denn um mich zu beschauen - da stelle ich denn mein Licht nicht unter den Scheffel sondern auf den Leuchter versichre zwar die Menschen, daß ich ... zum großen Mann und Tichter ... nicht das aller mindeste beygetragen hätte /: denn das Lob das mir nicht gebühret nehme ich nie an: / zudem weiß ich gar wohl wem das Lob und der Danck gebührt ... Meine Gabe die mir Gott gegeben hast ist die lebendige Darstellung aller Dinge die in mein Wißen einschlagen, großes und kleines, Wahrheit und Mährgen u. s. w. so wie ich in einen Circul komme wird alles heiter und froh weil ich erzähle. Also erzählte ich den Profeßsoren und sie gingen und gehen vergnügt weg - das ist das gantze Kunststück. Doch noch eins gehört dazu - ich mache immer ein freundlich Gesicht, das