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London 1888, eine Stadt im Aufbruch: Während in den Gassen von Whitechapel das Laster blüht, träumt die 17-jährige Fiona von einer besseren Zukunft. Als Packerin in einer Teefabrik beweist die junge Irin ihr Gespür für die köstlichsten Sorten und exotischsten Mischungen. Doch dann muss Fiona ihren Verlobten Joe verlassen und sich im New York der Jahrhundertwende eine Existenz aufbauen ... Spannend und voller Sinnlichkeit erzählt dieser Roman die Geschichte der Fiona Finnegan und einer großen Liebe zwischen Sühne, Mut und Leidenschaft.
Jennifer Donnelly wuchs im Staat New York auf. Mit ihrer 'Rosentrilogie' begeisterte sie in Deutschland unzählige Leserinnen. Auch ihre anderen Romane 'Das Licht des Nordens', 'Das Blut der Lilie' und 'Straße der Schatten' wurden preisgekrönt und ernteten bei Presse und Lesern großen Beifall. Jennifer Donnelly, deren Familie aus Schottland stammt, lebt mit ihrem Mann und Sohn in Brooklyn.
Vorwort
Jung, begehrenswert, schön und mittellos
Autorentext
Jennifer Donnelly wuchs im Staat New York auf. Mit ihrer "Rosentrilogie" begeisterte sie in Deutschland unzählige Leserinnen. Auch ihre anderen Romane "Das Licht des Nordens", "Das Blut der Lilie" und "Straße der Schatten" wurden preisgekrönt und ernteten bei Presse und Lesern großen Beifall. Jennifer Donnelly, deren Familie aus Schottland stammt, lebt mit ihrem Mann und Sohn in Brooklyn.
Leseprobe
Tief in ihren Wurzeln bewahren alle Blumen das Licht. THEODORE ROETHKE Prolog London, August 1888 Polly Nichols, eine Hure aus Whitechapel, war dem Gin zutiefst dankbar. Gin half ihr. Er kurierte sie. Er nahm ihr den Hunger und vertrieb die Kälte aus den Knochen. Er stillte den Schmerz in ihren verfaulten Zähnen und betäubte das Brennen beim Pinkeln. Er verschaffte ihr angenehmere Gefühle, als je ein Mann es vermocht hatte. Er beruhigte und tröstete sie. Betrunken schwankte sie durch eine dunkle Gasse, führte die Flasche zum Mund und trank sie leer. Der Alkohol brannte wie Feuer. Sie hustete, die Flasche entglitt ihr, und sie fluchte, als sie zerbrach. In der Ferne schlug die Kirchturmuhr von Christ Church zwei. Der volle Klang wurde vom dichter werdenden Nebel gedämpft. Polly steckte die Hand in die Manteltasche und spielte mit den Münzen. Vor zwei Stunden hatte sie ohne einen Penny in der Küche einer schäbigen Absteige in der Thrawl Street gesessen. Der Knecht des Hauswirts hatte sie dort entdeckt, die vier Pence von ihr gefordert und sie rausgeworfen, als sie nicht zahlen konnte. Fluchend und keifend hatte sie ihm aufgetragen, ein Bett für sie freizuhalten, er würde das Schlafgeld schon kriegen, sie habe es längst verdient und inzwischen schon dreimal versoffen. »Und jetzt hab ich's auch, du Mistkerl«, murmelte sie. »Hab ich's nich gesagt? Ich hab deine verdammten vier Pence und obendrein noch einen ordentlichen Rausch.« Das Geld und den Gin hatte sie in der Hose eines Betrunkenen gefunden, der allein die Whitecapel Road hinunterwankte. Er mußte allerdings ein bißchen überredet werden, denn mit zweiundvierzig war ihr Gesicht kein großes Kapital mehr. Zwei Vorderzähne fehlten ihr bereits, ihre kleine Nase war platt gedrückt wie bei einem Boxer, aber ihr Busen war noch immer fest, so daß ihn ein kurzer Blick darauf überzeugt hatte. Vorher bestand sie allerdings auf einem Zug aus seiner Flasche, weil sie wußte, daß der Alkohol ihre Geruchsnerven betäuben und seinen Gestank nach Bier und Zwiebeln überdecken würde. Als sie trank, knöpfte sie ihr Mieder auf, und während er sie begrapschte, ließ sie die Flasche in ihre eigene Tasche gleiten. Er war ungeschickt und langsam, und sie war froh, als er sich endlich zurückzog und davontaumelte. Mein Gott, es gibt nichts Besseres als Gin, dachte sie jetzt und lächelte, als sie sich an den Glücksfall erinnerte. Eine Flasche in den Händen zu halten, die Lippen an den Rand zu drücken und die beißende, scharfe Flüssigkeit durch die Kehle rinnen zu lassen. Es gab nichts Besseres. Und die Flasche war fast voll gewesen. Nicht bloß ein lächerlicher Schluck für drei Groschen. Ihr Lächeln erlosch, als sie den Drang nach mehr verspürte. Sie hatte den ganzen Tag getrunken und kannte den Katzenjammer, der sie erwartete, wenn der Fusel zur Neige ging. Das Würgen, das Zittern und, am schlimmsten von allem, die Dinge, die sie sah - schwarze krabbelnde Wesen, die sie aus den Wandritzen der Absteige angrinsten. Polly leckte über ihre rechte Handfläche und fuhr sich damit übers Haar. Ihre Hände glitten zu ihrem Mieder hinab, und sie machte mit ihren fahrigen Fingern einen Knoten in die schmutzigen Schnüre. Dann knöpfte sie ihre Bluse zu, torkelte aus der Gasse hinaus die Bucks Row hinunter und sang mit lallender Stimme: »Keiner bewahrt dich vor Pech und Leid Glück ist dir hold oder neid Lob dem, der gibt sich zufrieden Mit dem Wechsel von Glück und Leid hienieden ...« An der Ecke von Bucks Row und Brady Street blieb sie plötzlich stehen. Alles verschwamm ihr vor Augen. Ein surrendes Geräusch, leise und nah, wie der Flügelschlag eines Insekts, fuhr durch ihren Kopf. »Ich brauch was zu trinken«, stöhnte sie. Sie hob die Hände. Sie zitterten. Sie schlug den Mantelkragen hoch und begann, schneller zu gehen, in dem verzweifelten Verlangen, wieder an Gin zu kommen. Ihr Kopf kippte nach vorn, so daß sie den Mann nicht bemerkte, der ein paar Meter vor ihr stand und wartete