Ein Lexikon als Lesebuch
Über 160 Einträge
Von Amerikanisierung, Ami und Coyote über Charles Manson und Marilyn Monroe bis Zombie und Zweiter Weltkrieg
Zeitlebens war "Amerika" für Heiner Müller eine Traum- und Projektionsmaschine. Unvergessen bleibt der erste Mickey-Mouse-Film des Kindes in Eppendorf, prägend die Faulkner-Lektüre des Jugendlichen. Die frühe Faszination paart sich mit der ablehnenden Skepsis gegenüber der aggressiven Politik des Systemgegners im Kalten Krieg. Als Müller 1975 und in späteren Jahren die USA und Mexiko bereist, verbringt er Tage und Wochen im Kino, trifft den Regisseur Robert Wilson und gewinnt den Weiten des Landes mit dem Begriff der Landschaft die entscheidende Kategorie für die Erneuerung der eigenen Theaterarbeit ab. Zugleich blieb "Amerika" für Müller die Chiffre des schlechten Ganzen im mittlerweile globalen Kapitalismus - und der verpassten Möglichkeit von Geschichte. Alphabetisch geordnet, versammelt das Buch die wichtigsten Passagen aus dem Werk Müllers zum Komplex Amerika.
Heiner Müller, geboren am 9. Januar 1929 in Eppendorf, Sachsen, war einer der wichtigsten deutschsprachigen Dramatiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zudem war er Lyriker, Prosa-Autor und Essayist sowie Präsident der Akademie der Künste Berlin (Ost). Er ist am 30. Dezember 1995 in Berlin verstorben.
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• Über 160 Einträge
• Von Amerikanisierung, Ami und Coyote über Charles Manson und Marilyn Monroe bis Zombie und Zweiter Weltkrieg
Zeitlebens war »Amerika« für Heiner Müller eine Traum- und Projektionsmaschine. Unvergessen bleibt der erste Mickey-Mouse-Film des Kindes in Eppendorf, prägend die Faulkner-Lektüre des Jugendlichen. Die frühe Faszination paart sich mit der ablehnenden Skepsis gegenüber der aggressiven Politik des Systemgegners im Kalten Krieg. Als Müller 1975 und in späteren Jahren die USA und Mexiko bereist, verbringt er Tage und Wochen im Kino, trifft den Regisseur Robert Wilson und gewinnt den Weiten des Landes mit dem Begriff der Landschaft die entscheidende Kategorie für die Erneuerung der eigenen Theaterarbeit ab. Zugleich blieb »Amerika« für Müller die Chiffre des schlechten Ganzen im mittlerweile globalen Kapitalismus und der verpassten Möglichkeit von Geschichte. Alphabetisch geordnet, versammelt das Buch die wichtigsten Passagen aus dem Werk Müllers zum Komplex Amerika.
Autorentext
Heiner Müller, geboren am 9. Januar 1929 in Eppendorf, Sachsen, war einer der wichtigsten deutschsprachigen Dramatiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zudem war er Lyriker, Prosa-Autor und Essayist sowie Präsident der Akademie der Künste Berlin (Ost). Er ist am 30. Dezember 1995 in Berlin verstorben.
Klappentext
Ein Lexikon als Lesebuch Über 160 Einträge Von Amerikanisierung, Ami und Coyote über Charles Manson und Marilyn Monroe bis Zombie und Zweiter Weltkrieg Zeitlebens war »Amerika« für Heiner Müller eine Traum- und Projektionsmaschine. Unvergessen bleibt der erste Mickey-Mouse-Film des Kindes in Eppendorf, prägend die Faulkner-Lektüre des Jugendlichen. Die frühe Faszination paart sich mit der ablehnenden Skepsis gegenüber der aggressiven Politik des Systemgegners im Kalten Krieg. Als Müller 1975 und in späteren Jahren die USA und Mexiko bereist, verbringt er Tage und Wochen im Kino, trifft den Regisseur Robert Wilson und gewinnt den Weiten des Landes mit dem Begriff der Landschaft die entscheidende Kategorie für die Erneuerung der eigenen Theaterarbeit ab. Zugleich blieb »Amerika« für Müller die Chiffre des schlechten Ganzen im mittlerweile globalen Kapitalismus - und der verpassten Möglichkeit von Geschichte. Alphabetisch geordnet, versammelt das Buch die wichtigsten Passagen aus dem Werk Müllers zum Komplex Amerika.
Zusammenfassung
Leseprobe
Amerikaerfahrung
AMERIKA , MORGENSTERN , ERBE
Ein Gespräch mit Wolfgang Schivelbusch
[Band I ]
Ja, wir haben uns schon darüber unterhalten, daß es mir jetzt wesentlich schwerer fällt, ich auch gar keine Lust hab', etwas Genaues zu sagen. Ich kann's auch gar nicht. Ich werde nach drei Jahren viel besser wissen, was ich jetzt gesehen habe und jetzt sehe. Das ist sicher eine Art von Aufnehmen der Realität, die auch durch die Arbeit bedingt ist. Ich weiß immer erst nach einem Jahr oder nach einem halben, was ich geschrieben habe. Ich kann also nur von subjektiven Sachen ausgehen und das ist, jetzt mal ganz dumm chronologisch, die sogenannte Vor-Vergangenheit meiner Amerikaerfahrung. Die erste Amerikaerfahrung war - so simpel das klingt - Karl May. Da habe ich mich also wenig unterschieden von den anderen meiner Generation. Und da war zunächst Amerika das Land der Bösen [...], die die edlen Indianer ausgerottet haben. Es gab dann noch irgendwelche Deutschen, die daran auch beteiligt waren, die aber meist etwas rühmlicher beteiligt waren, also jetzt nicht nur bei Karl May.
Die zweite Sache, an die ich mich erinnere, war - und das gehört nun zu einem etwas realeren Amerikamythos -: Es gab in dem Dorf, wo ich geboren bin, ich glaube, Ende der 20er Jahre, eine große Vereinigung, das war ein Verein, der gegründet worden war, um das Morgensternsche Erbe gerecht zu verteilen unter seinen Verwandten im Erzgebirge. Das heißt, irgendwie war das Gerücht entstanden, daß ein Millionär namens Morgenstern, der aus dem Erzgebirge mal ausgewandert war, gestorben war und alle seine Verwandten im Erzgebirge - das war kurz vor der Depression - zu Erben eingesetzt hat. Und da ist eine Organisation gegründet worden zur Verwaltung dieses Erbes und [der] Verteilung. Es wurden ungeheuere Recherchen angestellt, um die Verwandten zu finden, es gab da etliche Leute, die Morgenstern hießen, und die Familien waren meist sehr verzweigt. Es sollte ohne große Streitigkeiten vonstatten gehen. Und diese Organisation hatte auch Kapital aufgehäuft mit der Zeit - wie das so ist, wenn man einen Verein gründet, hat man irgendwann auch Geld und weiß gar nicht wieso. Und sie haben dann sogar sehr soziale Sachen gemacht, die haben z.B. - alles in Erwartung des großen Millionenerbes, das da kommen wird - Schwimmbäder gebaut. Mein erstes Schwimmbad in dem Dorf, wo ich geboren bin, war gebaut aus der Stiftung "Morgenstern". Das Erbe kam aber nie an.
Die nächste Begegnung war bei Kriegsende, wo ich in Nord-Mecklenburg war in einer quasi militärischen Einheit, die Kreis-Arbeitsdienst hieß. Und wir wurden dann irgendwann Ende April in Richtung Südwesten in Marsch gesetzt, - ohne daß wir genau wußten, warum - aus dem Lager weg, wo wir ausgebildet worden waren. Und später war klar, daß unsere Führer das Bedürfnis hatten, lieber von den Amerikanern gefangen zu werden als von den Sowjets. Und das war wohl der einzige Grund für diesen Südwest-Marsch. Und da habe ich auch zum ersten Mal lebe…