Wie Lehrer auf die alltäglichen Störungen im Unterricht reagieren und wie man sie wirklich in den Griff bekommen kann - dazu stellt dieser langjährig erfolgreiche und jetzt völlig überarbeitete Ratgeber praktische Konzepte vor. Der Autor zeigt, dass effektives Lehrerverhalten ein erlernbares Handwerk ist und Disziplin nicht »Disziplinierung« erfordert, sondern durch erlernbare Handlungsstrategien und pädagogisches Geschick zu erreichen ist. Wie sieht eine erfolgreiche Klassenführung aus, die die alltäglichen Störungen eindämmt und auch für wiederkehrende Konflikte nachhaltige Lösungen findet? Hans-Peter Nolting zeigt, wie Lehrer Disziplin in der Klasse nicht durch »Disziplinierungen« erreichen, sondern durch erlernbare Handlungsstrategien und pädagogisches Geschick. Nolting erörtert Ursachen von Störungen und erleichtert die Kommunikation zwischen Eltern, Lehrern und Schülern. Eltern bietet das Buch wichtige Einblicke in den Schulalltag.
Dr. Hans-Peter Nolting ist Pädagogischer Psychologe und Autor verschiedener Fachbücher. Langjährige Lehrtätigkeit an der Universität Göttingen im Bereich der Lehrerbildung. Im Beltz Verlag erschienen von ihm die Bücher »Störungen in der Schulklasse. Ein Leitfaden zur Vorbeugung und Konfliktlösung« und (zusammen mit Peter Paulus) das Buch »Psychologie lernen - Eine Einführung und Anleitung«.
Vorwort
Lösungen für ein Dauerproblem im Schulalltag
Autorentext
Dr. Hans-Peter Nolting, Abteilung Pädagogische Psychologie, Georg-August-Universität Göttingen.
Leseprobe
Kapitel 2
Störungsprävention: Strategien für die alltägliche Klassenführung
Welches Lehrerverhalten kann dafür sorgen, dass im alltäglichen Unterricht nur wenige Disziplinprobleme auftreten? Darum geht es in diesem Kapitel. Die weiteren Kapitel beschäftigen sich dann mit der Bewältigung von bereits aufgetretenen Konflikten.
Wie bereits betont, ist die Disziplin - wenig Unterrichtsstörungen und gute Mitarbeit - in derselben Klasse sehr unterschiedlich, je nachdem, wer gerade unterrichtet. In der dritten Stunde bei Frau X kann es ganz anders aussehen als in der vierten bei Herrn Y - und zwar nicht an einzelnen Tagen, sondern regelmäßig.
Worauf sich diese Unterschiede gründen, auf welches Verhalten es also ankommt, dazu hat wohl jeder irgendwelche Vermutungen, nicht nur Lehrer/innen, auch Schüler/innen und x-beliebige Laien, die ja auch alle einmal in der Schule waren. Die subjektiven Theorien von Lehrkräften sind natürlich von besonderem Interesse und werden anschließend zur Sprache kommen. Doch Erklärungsversuche stecken auch in Schüleräußerungen wie »Herr X ist viel zu gutmütig« oder »Frau Y kann sich nicht durchsetzen«. Ich erinnere mich, dass in meiner eigenen Schulzeit gegenüber neuen Lehrern, die gleich in der ersten Stunde auf einen harmlosen Anlass mit einem Donnerwetter reagierten, der Verdacht aufkam, sie wollten sich auf diese Weise von Anfang an »Respekt« verschaffen - auch dies eine Vermutung über die Bedingungen von »Disziplin«.
Ob es, wie in diesen Beispielen offenbar angenommen wird, tatsächlich auf »Strenge« und lautes »Durchgreifen« ankommt, das ist nur eine der Fragen, auf die die empirischen Forschungen eine Antwort geben. 2.1 Was hilft gegen Disziplinprobleme?Eine Umfrage unter Lehrkräften
Wenn wir von den Ergebnissen einer empirischen Untersuchung erfahren, erscheinen sie uns zuweilen so unmittelbar einleuchtend, dass wir meinen, dazu hätte man eigentlich keine Untersuchung benötigt: Sind die Befunde nicht ziemlich banal? Haben wir das nicht schon immer gewusst? Das mag zuweilen so sein. Aber vielleicht entsteht dieser Eindruck eben erst, wenn man die Ergebnisse bereits kennt. Wären wir also wirklich von selbst darauf gekommen, bevor wir sie kannten?
Um etwas genauer zu erfahren, welche Annahmen bei Lehrer/innen besonders verbreitet sind, habe ich eine kleine Umfrage durchgeführt. Die Aufgabe lautete, folgenden Satz zu ergänzen: »Damit in der Schulklasse nur wenig Disziplinprobleme auftreten, ist es vor allem wichtig, dass man ...«
Es sollten etwa drei Ideen notiert werden - völlig frei, ohne irgendwelche Vorgaben. Dieses Verfahren sollte sicherstellen, dass die Befragten wirklich ihre eigenen Gedanken, ihre vorrangigen »Theorien« äußerten, statt sich zwischen vorgegebenen Antworten zu entscheiden, an die sie vielleicht von selbst gar nicht gedacht hätten.
In einer Stichprobe von 101 Lehrer/innen aus verschiedenen Schultypen wurden ca. 350 Gesichtspunkte genannt. Viele wurden nur sehr selten erwähnt, andere mehrfach in fast gleichem Wortlaut oder ähnlicher Aussage. Die meisten Angaben lassen sich recht gut in vier Kategorien einordnen:
Das häufigste einzelne Stichwort lautet: Regeln. Es kam wörtlich oder sinngemäß in 18,6 % aller Angaben vor (65-mal). Dazu gehörten Aussagen wie: Regeln einführen (8,6 %), Regeln gemeinsam aufstellen (4,0 %), auf Einhaltung von Regeln achten (2,6 %), sich selber an Regeln halten (2,0 %).
Die zweite Kategorie kann man als sinngemäße Ergänzung zum Stichwort »Regeln« verstehen, nämlich Aussagen zu möglichen Reaktionen auf Störungen bzw. (Regel-)Verstöße. Hierauf beziehen sich 12,9 % der Angaben (45). Dabei wurden häufiger genannt: Vorfälle und Probleme besprechen (3,1 %) bzw. nach einem bestimmten Konfliktlösungsmodel