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Hier das marode Atomlager Asse, dort das störungsanfällige AKW Krümmel: Die Schlagzeilen um die Nutzung der Atomkraft wollen nicht enden. Zeitgleich stellt die neue Bundesregierung Laufzeitverlängerungen in Aussicht, werden Lobbyisten nicht müde, die umstrittene Technologie als probates Mittel gegen die Erderwärmung zu preisen. Wer soll das verstehen? Der Band 'Mythen der Atomkraft' liefert das überfällige, atomkritische Know-how zur Debatte, zeigt Alternativen auf und entlarvt die Atomenergie als das, was sie ist: eine unverantwortliche und teure Risikotechnologie.
Leseprobe
1
Erster Mythos: Die Atomkraft ist sicher
Was sich an jenem Mittag im Sommer 2006 an der schwedischen Ostseeküste abspielte, erinnerte fatal an zwei Ereignisse, die seit Jahrzehnten als Menetekel die zivile Nutzung der Atomenergie überschatten: die Reaktorkatastrophen von Harrisburg (im März 1979) und Tschernobyl (im April 1986).
Schwer nachvollziehbare Planungsmängel, der fehlerhafte Einbau wichtiger Bauteile, unverzeihliche Schlampereien bei der Wartung und nicht zuletzt: ein naives Vertrauen in eine hochsensible Technik - all das kannte man schon. Nicht nur aus Harrisburg und Tschernobyl, auch aus der Wiederaufarbeitungsanlage im britischen Sellafield, vom japanischen Brutreaktor Monju oder aus der Wiederaufarbeitungsanlage von Tokaimura in Japan, von einem Abklingbecken des ungarischen Atomkraftwerks Paks und auch von den deutschen Reaktorstandorten Brunsbüttel oder Krümmel an der Elbe. Wo Menschen arbeiten, machen sie Fehler. Wir können von Glück reden, dass die nach jedem Unfall aufs Neue als "unerklärlich" eingestufte Verkettung von Fehlleistungen nicht immer so katastrophale Folgen zeitigt wie 1986 in der Ukraine und seinen Nachbarstaaten. In Block 1 des Atomkraftwerks Forsmark, gut 100 Kilometer nördlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm, blieb es bei 22 Minuten Angst und Schrecken für die Reaktormannschaft vor Ort und ein paar schweren Zweifeln an der Zuverlässigkeit des Reaktorbetreibers Vattenfall. Diese bohrenden Zweifel nährt das nordische Staatsunternehmen seither auch anderswo, namentlich an seinen deutschen Standorten Brunsbüttel und Krümmel.
Der Name Forsmark steht seither für den vermutlich brisantesten Unfall in einem europäischen Atomreaktor seit der Katastrophe von Tschernobyl. Die Fachleute im In- und Ausland, die die Abläufe jenes Tages zu rekonstruieren versuchten, mussten erschrocken erkennen: Es hätte viel schlimmer kommen können. Und: Es kann jederzeit schlimmer kommen.
Das Restrisiko des Vergessens
Mit erkennbarem Wohlgefallen beobachten die Verfechter der Atomenergie in vielen Industrieländern eine - wie sie es nennen - "Entideologisierung" der Auseinandersetzung über diese Energie. Unter dem Eindruck des Klimawandels und einer sich verschärfenden Verknappung der fossilen Energieressourcen sei die Tonlage "sachlicher und ruhiger" geworden. Vor allem über eines frohlocken die Freunde der nuklearen Stromproduktion, wenn nicht gerade ein Wahlkampf die Entspannung stört: Der politisch-gesellschaftliche Diskurs hat sich über die Jahrzehnte von den fundamentalen Sicherheitsproblemen der Atomtechnik wegverlagert, hin zu Fragen der Ökonomie, des Klimaschutzes, der Ressourcenschonung oder der Versorgungssicherheit. Atomenergie könnte so in der öffentlichen Wahrnehmung zu einer Technik unter vielen werden, ihre Nutzung allein eine Abwägungsfrage, nicht anders als die zwischen Kohle- und Erdgaskraftwerk.
Die Kernspaltung wird so zunehmend integriert in das von den Ökonomen definierte Dreieck der energiepolitischen Debatte aus Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit. Dass Katastrophensicherheit nicht zu den Zielen der Atomenergie zählt, stört ihre Anhänger weniger. Im Gegenteil, sie sind hochzufrieden. Immer häufiger gelingt es den Freunden der Atomenergie, das einzigartige Katastrophenpotenzial dieser Technik hinter einer Mauer von Argumenten zu verbergen, die alle in erster Linie eines sicherstellen sollen: Ablenkung von den grundlegenden Sicherheitsfragen. Diese Entwicklung ist nicht zufällig. Sie ist Ergebnis einer Strategie, die von Betreibern und Herstellern in den führenden Atomenergieländern viele Jahre mit zäher Beharrlichkeit verfolgt und mit Bedacht vorangetrieben wurde.
Eine erfolgreiche Ablenkung mag die öffentliche Debatte vorübergehend ruhigstellen - doch die Wahrscheinlichkeit einer großen Katastrophe macht die Notwendigkeit einer solchen Debatte nicht kleiner. Die Gefahr d
Inhalt
1;MYTHEN DER ATOMKRAFT;1
2;Inhaltsverzeichnis;5
3;Vorwort: Aus Erfahrung klug werden;7
4;Einleitung: Forsmark - 22 Minuten Angst und Schrecken;11
5;1 Erster Mythos: Die Atomkraft ist sicher;16
5.1;Das Restrisiko des Vergessens;15
5.2;Das schleichende Gift der Routine;21
6;2 Zweiter Mythos: Die Gefahren durch Missbrauch und Terror lassen sich beherrschen;29
6.1;Angriffe durch Selbstmordattentäter würden 9/11 in den Schatten stellen;32
6.2;Tödliche siamesische Zwillinge: ziviler und militärischer Einsatz der Atomenergie;36
7;3 Dritter Mythos: Atommüll? Kein Problem!;41
7.1;Kein Ort für Endlager - nirgends;43
8;4 Vierter Mythos: Es gibt genug vom Brennstoff Uran;50
9;5 Fünfter Mythos: Atomkraft dient dem Klimaschutz;55
9.1;Wie die Atomenergie dem nachhaltigen Klimaschutz im Wege steht;58
9.2;Die Konkurrenz zwischen Atomkraft und Erneuerbaren verschärft sich;61
9.3;Ein atomarer Klimaschutz ist unrealistisch;65
10;6 Sechster Mythos: Wir brauchen längere Laufzeiten;68
10.1;Der Wortbruch der Atomkonzerne;71
10.2;Was bringt ein Abschöpfen der Extragewinne?;73
10.3;Den Ausstieg aus der Atomenergie "smart" gestalten;75
11;7 Siebter Mythos: Die Atomkraft erlebt eine Renaissance;76
11.1;Die Erneuerbaren sind weltweit im Kommen;78
11.2;Subventionen gegen die nukleare Depression;83
12;8 Das Ende vom Mythos Atomkraft;92
13;9 Vor der Entscheidung: Die Zukunft der Energieversorgung;96
14;Literatur;105