S.O.S. - Save Our Souls! Die Informationsflut steht uns bis zum Hals, kein Land in Sicht, kein Horizont, wir haben die Orientierung verloren. Ohne Leuchtturm und Leitstern versinken wir in Anpassung oder Rückzug und vergessen, dass Angst der schlechteste aller Ratgeber ist. Den Schlüssel zu unserer Rettung tragen wir in uns, in unseren Herzen. Denn erinnern wir uns an Wahrhaftigkeit, Liebe und Mut, kehren Hoffnung und Zuversicht zurück. Dann hören wir wieder unsere wahre innere Stimme, die laut und energisch uns selbst und das Leben bejaht. Dieses mutige 'Ja!' bricht das Eis. Mit ihm überwinden wir Trennendes, bauen Brücken und werden Teil jener globalen Bewegung, die Angst in Zuversicht wandelt und ganze Gesellschaften von ihren Ketten befreit. Rubikon, das Magazin für die kritische Masse, hat Texte zusammengestellt, die wegweisend für diese individuelle und kollektive Befreiung sind. Texte, die inspirieren, aus sich heraus den Schritt in eine bessere Zukunft zu wagen. 'Nur Mut!', rufen ihre Autoren. 'Es ist nicht zu spät!' Denn in dem Augenblick, in dem wir uns selbst erkennen, erkennen wir auch unseren Weg: Wenn wir uns ändern, verändert das die Welt. Mit Beiträgen von Gerald Hüther, Hans-Joachim Maaz, Franz Ruppert, Jens Wernicke, Dirk C. Fleck, Roland Rottenfußer, Birgit Assel, Kerstin Chavent, Christiane Borowy, Katrin McClean, Jens Lehrich, Peter Frey, Bernhard Trautvetter, Felix Feistel, Otto Teischel, Hans Boës, Margit Geilenbrügge, Ulrike Orso, Isabelle Krötsch, Elisa Gratias und Shabi Alonso.
Jens Wernicke, Jahrgang 1977, ist Diplom-Kulturwissenschaftler und arbeitete lange als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Politik und als Gewerkschaftssekretär. Er verantwortete mehrere Jahre das Interviewformat der NachDenkSeiten, Deutschlands meistgelesenem politischen Blog. Heute ist er Autor, freier Journalist und Herausgeber von 'Rubikon - Magazin für die kritische Masse'. Zuletzt erschienen von ihm als Mitherausgeber 'Netzwerk der Macht - Bertelsmann', 'Fassadendemokratie und Tiefer Staat' und 'Die Öko-Katastrophe', als Herausgeber 'Der nächste große Krieg' sowie als Autor 'Lügen die Medien? Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung'.
Leseprobe
Ulrike Orso
Kapitalismus im Kopf
Eine ganze Industrie arbeitet daran, unseren Verstand zu manipulieren.
Das Durchdringen aller gesellschaftlichen Ebenen auf Basis niederschwelliger Botschaften, übermittelt von unverdächtigen Intellektuellen aus den Bereichen Bildung und Beratung, ermöglichte die flächendeckende Verbreitung solcher Botschaften. Ihr Erfolg entwickelte sich langsam, aber stetig. Zu diesem Zweck wurde eine Vielzahl an Problemlösungsstrategien in Form von Tools entwickelt, wie wir sie heute alle kennen. Am Anfang stand das sogenannte Neurolinguistische Programmieren (NLP).
In zahlreichen Quellen wird die Verquickung von Wirtschaft, Public Relations und Psychologie mit der neoliberalen Ideologie angemerkt. Dennoch muss man heute mit heftigem Gegenwind rechnen, wenn man solches behauptet. Aus diesem Grund war es mir wichtig, auf möglichst viele Quellen hinzuweisen und die Frage zu stellen: Hätte sich die neoliberale Ideologie genauso erfolgreich entwickeln können, wenn die Vertreter erziehender und beratender Berufe nicht über Jahrzehnte im selben Geist ausgebildet worden wären und ihn auf scheinbar unverdächtige Weise an unzählige Menschen herangetragen hätten?
Auserwählte und Verdammte
Nach den Lehren des Johannes Calvin aus Genf wurden die Menschen von Gott noch vor der Erschaffung der Welt in Auserwählte und ewig Verdammte geschieden. An diesem vorbestimmten Schicksal könne, so Calvin, kein Mensch etwas ändern, weder durch gute Taten noch durch Glauben. Allerdings könne der einzelne Mensch auch nie mit Sicherheit wissen, zu welcher Gruppe er gehört. Daher sei er auf Zeichen angewiesen - und das deutlichste Zeichen dafür, zu den Auserwählten zu gehören, ist laut Calvin wirtschaftlicher Erfolg. Die Spaltung der Menschheit in Auserwählte und Verdammte, wie sie die Johannes-Offenbarung verkündet, wurde auf das Wirtschaftsgeschehen projiziert, göttliche Ordnung und Marktlogik wurden eins.
Englische Auswanderer brachten die puritanisch-calvinistische Welt- und Menschensicht in die neuen Kolonien Amerikas, von wo sie sich rasch ausbreitete. Die kirchliche Legitimation der Zweiteilung der Menschen schien logisch, wurde gerne angenommen und war der Ursprung des amerikanischen Kapitalismus. Dieser wurde im Zuge der dritten »Hyper-Globalisierungswelle« auch bei uns gerne aufgegriffen und mit ihm ein fast religiöses Bekenntnis zur Alleinherrschaft des Marktes als einer Art »Wesenheit«, welche bei Nicht-Einhaltung der Regeln gekränkt reagiert.
Positives Denken hatte seinen Ursprung im 18. Jahrhundert als Gegenbewegung zum strengen calvinistischen Protestantismus, in dem das Leben »Auserwählter« von Zucht und Ordnung durchdrungen war. Der große Durchbruch gelang dem Konzept aber erst zur Zeit der großen industriellen Umwälzungen.
Prediger - die ersten Unternehmensberater
Aus der amerikanischen Tradition heraus waren es Prediger, die erneut die Idee des Positiven Denkens aufgriffen und darin zuallererst eine Erleichterung für ihre Gläubigen sahen. Auch Unternehmer entwickelten bald Interesse an dieser Idee, denn je erfolgreicher ein Unternehmen war, desto wichtiger wurde es, Arbeitskräfte so zu führen, dass sie die bestmögliche Leistung erbringen konnten.
Zur gleichen Zeit etwa, als die ersten »beraterischen« Angebote für Unternehmen entwickelt wurden, nahm unter Milton Friedman und Friedrich von Hayek die Theorie des Neoliberalismus Gestalt an. Darin heißt es u. a., dass die Interessen des Marktes alternativlos seien, Menschen sich den Kräften des Marktes zu beugen hätten und »Freiheit durch Unterwerfung« erlangen sollten. Menschen sind, laut Hayek, stets widerspruchsfreie, vernünftig denkende Eigennutzenmaximierer.
Anstelle des individuellen Wohlergehens trat zunehmend das Wohl der Unternehmen i