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Eine Krebserkrankung erfasst den Menschen als Ganzes in seiner körperlichen, seelischen und geistigen Existenz. Sie stellt die bisherige Identität infrage und wandelt die Betroffenen ungefragt, mitunter bis zum Sterben. In diesem Ringen stellen sich Fragen nach Woher und Wohin, nach beteiligten individuellen und kollektiven Kräften, nach dem, was Halt gibt und tröstet. An konkreten Situationen aus der Praxis reflektieren die Autorinnen mit großem Einfühlungsvermögen die Gefühle und Gedanken, die Fragen und die Verzweiflung der an Krebs Erkrankten. So eröffnen sich Wege, mit dem Leidenden zu fühlen und es finden sich Worte für Erfahrungen, für die wir meist keine Worte haben. Baldauf, Dietlinde ist Psychotherapeutin (Integrative Gestalttherapie, Systemische Familientherapie, Psychoonkologie, Initiatische Therapie), Sozialarbeiterin, und ist Leiterin der psychosozialen Krebsberatungsstelle Krebshilfe Vorarlberg. Dr. Waldenberger, Birgit ist Klinische und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin (Integrative Gestalttherapie, Systemische Familientherapie), Intuitionsschulung, Supervisorin mit Leitungserfahrung, freie Praxis.
Autorentext
Dr. Birgit Waldenberger ist Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin mit Intuitionsschulung, Psychoonkologin und Supervisorin in freier Praxis.
Leseprobe
Willkommen liebe Leserin, lieber Leser, Krebserkrankungen bringen uns die Brüchigkeit des menschlichen Lebens unentrinnbar nahe, konfrontieren mit Leid und Endlichkeit und erzwingen nicht nur körperlichen, sondern umfassenden Wandel. In diesem Ringen stellen sich Fragen nach Woher und Wohin, nach Leben und Sterben, nach beteiligten individuellen und kollektiven Kräften, nach dem, was Halt gibt und tröstet. Seien Sie als angehörige Person vom Leiden an Krebs betroffen oder selbst erkrankt und in jenem Zustand, der Sie leidend macht, oder als HelferIn konfrontiert mit dem Leiden von Krebspatienten und deren Angehörigen je nach Betroffenheit und Fragestellung gibt Ihnen das Buch Gelegenheit, sich in der von Ihnen gewählten Reihenfolge und Auswahl mit der Thematik zu beschäftigen. »Existenzielle Leidenszustände« und Möglichkeiten des Verstehens und des Umgangs für Betroffene werden an Beispielen von konkreten Menschen in einer konkreten Situation deutlich, die gleichzeitig für viele stehen. Entdeckte Zusammenhänge beruhen jedoch auf Zufall, da wir alle Daten, die zur Identifizierung Betroffener führen können, einschließlich der Diagnosen, verändert haben. Das Kapitel »Würdigung« beschreibt das Zusammenwirken von Betroffenen und Helfern sowie den Entstehungsprozess des Buches. Angefügt sind »Hintergrundkonzepte«, die Ihnen bei Interesse den fachlichen Hintergrund erläutern. Die männliche Sprachform gilt für beide Geschlechter. WÜRDIGUNG Wir, die Autorinnen, sind einen langjährigen Weg miteinander gegangen, bevor es zu diesem Buch kam. Es begann als Supervision, wie sie unter psychotherapeutischen Fachkräften üblich ist und umfasste zusätzlich zur Einzelfallarbeit die Reflexion des Aufbaus und der Weiterentwicklung einer psychosozialen Krebsberatungsstelle. Diese Arbeit führte uns immer mehr zu existenziellen Fragen und zur Begegnung mit einem komplexen Gefüge, in dem ÄrztInnen, Pflegepersonen und andere HelferInnen mit den krebsbetroffenen Menschen, nämlich den Erkrankten und den Angehörigen, zusammenwirken. Die dadurch vermittelte Berührung mit existenzieller Bedrohung und den damit verbundenen vielfältigen Formen des Leidens einzelner ganz konkreter Menschen ließ uns unter Zuhilfenahme intuitiver Beteiligung Resonanz- und Beziehungsräume erspüren, die über die Möglichkeiten von uns als Einzelpersonen und über unsere Erfahrung in der professionellen Supervision hinausgingen. Diese offensichtliche Synergie brachte uns im wechselseitigen Austausch in berührende Verbindung mit Dimensionen des Menschseins, die uns in großer Achtung und tiefem Respekt vor den beteiligten Einzelnen und den größeren Zusammenhängen zurücklassen. Aus dieser Kraft ist das vorliegende Buch entstanden. Wir haben uns entschieden, die als Beispiele ausgewählten einzelnen Schilderungen »in gesprochener Sprache« zu belassen, da korrigierende Eingriffe verflachend und verwässernd wirken und der erscheinenden individuellen Vielfalt menschlichen Daseins und vor allem der Würde der einzelnen Betroffenen nicht gerecht werden. Wir sind uns bewusst, dass die in den »Ausschnitten aus der Reflexion der Autorinnen« zur Sprache kommenden existenziellen Erfahrungen sehr persönlich und intim sind und dementsprechend beim beteiligten Leser starke Reaktionen, auch abwehrender und distanzierender Art, auslösen können. Nach unserem Eindruck stehen sie für menschliche Grundsituationen existenziellen Leidens, die aus unterschiedlichsten Lebensbedingungen erwachsen und nicht krebsspezifisch sind. Krebskranke Menschen sind konfrontiert mit der existenziellen Bedrohung der eigenen Person und Lebenswelt sowie der Erfahrung grundlegender menschlicher Verletzbarkeit. Das Erleben eines solchen Einbruchs in alles Bisherige und das damit verbundene Ausgesetztsein in unbekannten Daseinsräumen bedeutet tiefes, umfassendes Leiden. Angehörige von Krebsleidenden sind ebenfalls Betroffene und werden von der Erkrankung mit all ihren Auswirkungen existenziell erfasst. Auch sie sind auf ihre Weise bedroht (Verlust, Arbeitsüberlastung, Rollenveränderungen) und konfrontiert mit den tiefgreifenden Veränderungen, die das Krankheitsgeschehen mit sich bringen kann. Sie haben die doppelte Aufgabe, mit eigenem existenziellem Leid zurande zu kommen und gleichzeitig dem nahestehenden Menschen in seinem existenziellen Leid Beistand zu sein. Ärzten kommt es zu, in Situationen, die oft durch großen Handlungs-, (Lebens-), Entscheidungs- und Verantwortungsdruck gekennzeichnet sind, dem existenziellen Leiden ihrer Mitmenschen zu begegnen. So sind sie in ihrer gesamten mitmenschlichen Resonanzfähigkeit gefordert, während sie unter der Höchstanspannung ihrer folgenschweren beruflichen Aktivitäten stehen. Pflegepersonen kommt die besondere Aufgabe des leiblichen Tragens und Durchtragens durch den Alltag zu. Diese Aufgabe erhält eine umso gravierendere Bedeutung, je hinfälliger ein Mensch gegenwärtig ist. Über Pflegehandlungen, die an die Qualität des leiblichen Getragenseins im Mutterleib erinnern, lässt die vertrauenerweckende Erfahrung des grundsätzlichen Verbundenseins der Menschen wach werden. Andere Begleitpersonen (PsychotherapeutInnen, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen, SeelsorgerInnen, MitarbeiterInnen ambulanter Dienste und unterstützender Einrichtungen) sorgen auf unterschiedlichste Weise für das Aufrechterhalten und Gestalten von Lebensrhythmen und Erlebensräumen im Umfeld der Krebsbetroffenen. Sie tragen dazu bei, dass Erkrankte und Angehörige nach ihren Möglichkeiten antwort- und handlungsfähig bleiben. (Auszug) DAS GEFÜHL DER EINSAMKEIT Selbst im alltäglichen Sprachgebrauch kennen wir Einsamkeit als einen den ganzen Menschen erfassenden Zustand. Im Inneren des Menschen und in den Beziehungen greift Leere um sich. Die vertrauten Anbindungen der Betroffenen lockern oder lösen sich auf. Zugehörigkeit und Aufgehobensein gehen verloren, das Gefühl verlassen zu sein, steigt auf. Die gewohnten Konzepte von sich selbst, der Umwelt und dem eigenen Platz in der Welt weichen einem Dasein im unvertrauten Universum mit nicht verlässlicher Leiblichkeit. Das Leben bietet weder sinnvolle Anknüpfungen noch brauchbare Anhaltspunkte. Der existenziell Einsame wirkt weit entfernt und unerreichbar, saft,- kraft- und tonlos, abgetrennt und ohne merkbare Schwingung. Dies wird besonders deutlich, wenn er den Raum verlässt. Einsamkeit breitet sich langsam aus und teilt sich beim Weggehen fühlbar mit, wird geradezu als Atmosphäre zurückgelassen. Hängende Schultern und schwerer gedämpfter Gang fallen auf. Existenzielle Einsamkeit wird selten direkt benannt. Deshalb kann das Gegenüber sie nur über Einfühlung und indirekt über das Aufnehmen und Bea…