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Das Thema Beraten begleitet Individuen in der Moderne über den gesamten Lebenslauf hinweg (von der pränatalen Beratung zur Seniorenberatung). Als eine der Kernaufgaben pädagogischer Fachkräfte kommt sie beiläufig oder institutionalisiert in den verschiedenen Handlungsfeldern zum Einsatz. Zentrale Fragen richten sich darauf, inwiefern diese Praktik etwa eine genuin pädagogische Handlungsform darstellt, inwieweit sie sich von anderen Praktiken, wie Bilden und Therapieren, abgrenzen lässt oder welchen spannungsreichen Relationierungen sie im Rahmen von lebens-, lern- und berufsbezogenen Zugriffen ausgesetzt ist. Dieser Band greift die genannten Aspekte auf, indem sie anhand zentraler wissenschaftlicher Erkenntnisse referiert, zugespitzt und mit Fallbeispielen veranschaulicht werden.
Dr. Cornelia Maier-Gutheil ist Akademische Rätin auf Zeit am Institut für Bildungswissenschaft, Abteilung Weiterbildung und Beratung, der Universität Heidelberg.
Autorentext
Dr. Cornelia Maier-Gutheil ist Akademische Rätin auf Zeit am Institut für Bildungswissenschaft, Abteilung Weiterbildung und Beratung, der Universität Heidelberg.
Klappentext
Das Thema Beraten begleitet Individuen in der Moderne über den gesamten Lebenslauf hinweg (von der pränatalen Beratung zur Seniorenberatung). Als eine der Kernaufgaben pädagogischer Fachkräfte kommt sie beiläufig oder institutionalisiert in den verschiedenen Handlungsfeldern zum Einsatz. Zentrale Fragen richten sich darauf, inwiefern diese Praktik etwa eine genuin pädagogische Handlungsform darstellt, inwieweit sie sich von anderen Praktiken, wie Bilden und Therapieren, abgrenzen lässt oder welchen spannungsreichen Relationierungen sie im Rahmen von lebens-, lern- und berufsbezogenen Zugriffen ausgesetzt ist. Dieser Band greift die genannten Aspekte auf, indem sie anhand zentraler wissenschaftlicher Erkenntnisse referiert, zugespitzt und mit Fallbeispielen veranschaulicht werden.
Leseprobe
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Beraten als Handlungsform - erste Annäherungen und Spezifizierungen
Die (erziehungs-)wissenschaftliche Literatur über Beratung füllt seit den 1960er Jahren viele Bibliotheksregale (allein mit über 11.500 Büchern in den Bibliotheken der Universität Heidelberg), die zu referieren hier den Rahmen sprengen würde. Dennoch sollen im Folgenden grundlegende Aspekte zusammengetragen werden, die uns helfen zu verstehen, was es mit der Praktik Beraten auf sich hat. Dafür werden zunächst einige grundlegende Überlegungen und Erkenntnisse zur Spezifizierung von Beraten zusammengetragen, die es uns im Verlauf des Buches ermöglichen, diese komplexe Handlungsform näher zu fassen ( Kap. 1.1 ). Da einer der Fokusse dieses Bandes die Frage danach ist, was Personen machen, wenn sie beraten, richtet sich der Blick anschließend auf Erkenntnisse aus einer erziehungswissenschaftlichen Bezugsdisziplin 4 , die sich mit dem Phänomen Beraten als Interaktion seit vielen Jahren befasst (vgl. Kallmeyer 1985; 2000; Nothdurft 1984; Nothdurft u. a. 1994) und handlungskonstitutiv erklären kann, was Beraten als Praktik ausmacht ( Kap. 1.2 ).
1.1 Allgemeine Grundlagen der Praktik Beraten
Beraten ist eine Aktivität, die zum Grundrepertoire menschlicher Handlungsformen zählt. Sie kann in transitiver (jemanden beraten) und reflexiver (sich beraten) Form sowohl in alltagsweltlichen Zusammenhängen (unter Freunden, in der Familie) als auch in professionellen Kontexten vorkommen (z. B. in der Schule, der sonderpädagogischen Förderstelle, der Weiterbildungseinrichtung oder der schamanischen Praxis) und sich an Personen oder Organisationen richten. Der Unterschied zwischen alltagsweltlichen und professionellen Kontexten besteht darin, dass wir von professionellen Berater/ -inne/n erwarten, dass sie auch dementsprechend handeln. Sie sollen wissen, was sie tun, 5 und im Sinn der ratsuchenden Person oder Organisation beraten, also beispielsweise keine eigenen (möglicherweise zum eigentlichen Anliegen konträren) Absichten verfolgen. Da sich jedoch gewisse (institutionelle, finanzielle etc.) Abhängigkeiten nicht vermeiden lassen, sollen sie zumindest in der Lage sein, diese zu reflektieren, um etwaige negative Einflüsse auf das Beratungshandeln zu minimieren. 6
Wir gehen zwar auch in privaten Kontexten, wenn wir uns einen Rat holen, zumeist davon aus, dass der Ratgeber oder die Ratgeberin nach bestem Wissen und in unserem Sinn handelt. Sie sind jedoch - im Gegensatz zu den meisten professionellen Berater/inne/n - in der Regel nicht für diese spezifische Tätigkeit ausgebildet. Auch fehlt es ihnen, gerade weil es private und/oder freundschaftliche Verbindungen gibt, an der notwendigen Unabhängigkeit 7 und Nicht-Betroffenheit. Geht es beispielsweise um die Berufsfindung, können beratende Gespräche mit Verwandten und Freunden eine gute Unterstützung darstellen, weil sie eine gewisse Kenntnis von mir als Person und meinen Fähigkeiten, Vorlieben etc. haben. Möglicherweise wären die um Rat Befragten aber unmittelbar/mittelbar von einer Entscheidung meinerseits für einen bestimmten Beruf betroffen, wenn damit zum Beispiel der Umzug in eine andere Stadt, die Finanzierung einer eigenen Wohnung o. ä. verbunden wäre. Sie könnten mir also aus eigenen Motiven zu- oder abraten, die wenig mit mir und der für mich "richtigen" Entscheidung zu tun haben. Demgegenüber werden gerade Asymmetrien zwischen Berater/inne/n und ratsuchenden Personen als konstitutiv für Beratung erachtet (vgl. Nothdurft/Reitemeier/Schröder 1994).
Betrachtet man den inflationär anmutenden Gebrauch des Begriffes Beratung, 8 liegt die Frage auf der Hand, ob das, was jeweils unter diesem Namen firmiert, das Gleiche ist, Ähnlichkeiten aufweist oder doc