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Der Hamburger Schmuckpunk und der Wiener Fernsehgaukler schreiben Briefe? Keine Angst - der Untertitel trügt: die Substanz reicht nicht für die Strecke, Grissemann und Schamoni schreiben SMS. Und natürlich handelt es sich dabei um eine Zumutung 2.0: Das Ausmaß ihrer moralischen Verkommenheit ist unübertroffen, wenn sie über Geld und Bier, Heimatfilme, das Theater und die Tierwelt philosophieren. Denn sie kämpfen in ihrem privatistischen Shitstorm mit offenem Visier und Hosenstall. So darf man nicht erwarten, dass sich nach diesem SMS-Gewitter die Aussicht auf reinigende Kraft einstellt - immerhin aber wird das Ganze in Form gebracht und kongenial kommentiert von ihrem treuen Herausgeber Thomas Edlinger.
Rocko Schamoni, 1966 in Schleswig Holstein geboren, besitzt eine eingeschworene Fangemeinde als Musiker, Autor, Humorist, Schauspieler und so weiter. Literarisch hervorgetan hat er sich zuletzt mit dem 'Tag der geschlossenen Tür' sowie dem existentialistischen Roman 'Fünf Löcher im Himmel'. Seit vielen Jahren wechselt er sms mit dem Österreicher Christoph Grissemann, ebenfalls Jahrgang 1966, der nach seinem abgebrochenen Germanistik-Studium ins komische Fach wechselte und seit Langem in die erste Riege österreichischer Kabarettisten gehört. Als Moderator der Sendung Willkommen Österreich erlangte er Kultstatus.
Autorentext
Rocko Schamoni, 1966 in Schleswig Holstein geboren, besitzt eine eingeschworene Fangemeinde als Musiker, Autor, Humorist, Schauspieler und so weiter. Literarisch hervorgetan hat er sich zuletzt mit dem "Tag der geschlossenen Tür" sowie dem existentialistischen Roman "Fünf Löcher im Himmel". Seit vielen Jahren wechselt er sms mit dem Österreicher Christoph Grissemann, ebenfalls Jahrgang 1966, der nach seinem abgebrochenen Germanistik-Studium ins komische Fach wechselte und seit Langem in die erste Riege österreichischer Kabarettisten gehört. Als Moderator der Sendung Willkommen Österreich erlangte er Kultstatus.
Leseprobe
GELEITWORT
Erstens: Wer das liest, stirbt. Wie alle anderen. Zweitens: Der Untertitel lügt. Wie die beiden berühmten »Autoren«. Glauben Sie mir, denn ich kenne die beiden schon eine Zeit.
Darf ich Ihnen die beiden SMS-Duellanten vorstellen? Zu meiner Linken im Hamburger Eck: ein Schmuckpunk außer Dienst. Im rechten Wiener Eck: ein Werbebüttel im Dienst. Gemeinsam haben mich beide gezwungen, hier den Geleitwolf zu machen. Ich mache es nicht, weil ich es gern mache, aber die beiden und das Honorar gern habe.
Seit der Gymnasialzeit ist mein ältester Freund Grissemann gesegnet mit der Gabe, fehlerlos zu artikulieren und mit dem Motto »Kunst kommt vor Können« angemessen würdelos durch's Leben zu kommen. So hat er es zu Österreichs witzigstem Taugenichts und zum weltberühmtesten Piefkedemütiger gebracht. Der Piefke heißt Stermann, lebt schon lange in Wien, plündert gemeinsam mit Grissemann sämtliche deutschsprachigen Backstagebuffets, erträgt stoisch die ewigen Sticheleien Grissemanns in der Late-Night-Patchworkfamiliensendung »Willkommen Österreich« und kann ansonsten nichts dafür. In seiner großzügig bemessenen Tagesfreizeit quält mich der gebürtige Tiroler Grissemann, dessen rücksichtsloses SMS-Junkietum dem Gesetz »Überall ist es interessanter, wo ich nicht bin« gehorcht und somit jedes Zusammensein in ein gemeinsames Alleinsein verwandeln kann, mit Einschätzungsfragen über die Motivationsfähigkeiten von Fußballdrittligacoaches. Beziehungsweise seinem verhaltensauffälligen Faible für extremistisches Verhalten von prominenten Selbstmördern, Kannibalen oder Alkoholikern. All das übrigens auch am liebsten per SMS. Wenn wir beide uns zum Alkoholmissbrauch treffen, schreibt Grissemann praktisch ununterbrochen SMSe. Wahrscheinlich an Schamoni. Ansonsten bestellt er »weiße G'spritzte«.
Den Hamburger Schamoni kenne ich als Wiener natürlich nicht so gut, aber doch auch ein bisschen. Auch er bestellt gern in Wien statt einer Schorle noch zwei G'spritzte. Ich denke, es ist nicht vermessen zu behaupten, dass er in gewöhnlich gut unterhaltenen Kreisen als salonkommunistischer Charmebolzen in allen Gassen gilt. Wer wie Schamoni alles wird, wird auch noch Wirt (»letzte Runde!«): zum Beispiel Mitbegründer des »Pudel Club« in Hamburg. Ansonsten: Musiker zwischen Postfunpunk, Motown und großer Showbühne, Erzähler der verlorenen Zeit (»Dorfpunk«) oder im Verbund mit Heinz Strunk und Jacques Palminger in der Meta-Ulktruppe »Studio Braun« zwischen Theater, Film und Bescheuertheits-Reenactment (»Fraktus«).
Und jetzt also das: In diesem Buch droht das angesammelte SMS-Gewitter von Grissemann und Schamoni, selbstverständlich ohne Aussicht auf reinigende Kraft. Lassen Sie mich daher noch ein paar verknappte Sätze zur Einstimmung darauf verlieren. Zunächst gilt: Ein SMS-Gewitter ist kein moderner Briefwechsel, sondern eine Zumutung 2.0. Die Kritik hat so etwas schon als das Fegefeuer der Nichtigkeiten bezeichnet. Oder als Grund für die Suche nach der verlorenen Zeit. Short Messages machen keinen schlanken Finger und obendrein süchtig. Tipptremor. Tastenrausch. Eine geht noch. Auf Sleep-Modus schalten kann ich, wenn ich tot bin. Aaaber, bevor nun die Abstinenz-Apostel und Federkiel-Freaks Morgenluft wittern: SMS-Schreiben ist eine Krankheit, kein Verbrechen! Niemand sollte für das Schreiben von länglichen Kurznachrichten ohne Nachrichtenwert ins Gefängnis geworfen werden. Auch Schamoni und der notorische Wiederholungstäter Grissemann nicht. Oder wenn doch, nicht für zu lang.
Und nein, man muss ihnen das Mobiltelefon nicht wegnehmen. Die beiden wollen nur spielen. Manchmal im Minutentakt, dann wieder Sendepause für ein paar Tage, schließlich will man auch einmal unter sich sein. Dann wieder Schuss und Gegenschuss. Dabei helfen ein guter Mobiltelefonvertrag und ein arbeitsscheues Leben mit gebührender Verachtung realer Anwesender beim Handyjunken. Die