Entlang der vier praktisch-theologischen Dimensionen von Kirche als Institution, Organisation, Interaktion und Inszenierung arbeitet die Studie Spannungsfelder der Gemeindeleitung vor Ort heraus. Die Datenauswertung dreier repräsentativer Erhebungen des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD zeigt auf, inwiefern die Kirchenvorsteher eine besondere Gruppe von kirchlich hoch verbundenen Ehrenamtlichen bilden. Eigene qualitative Untersuchungen von Werbematerialien für Kirchenwahlen, Einführungsgottesdiensten für Kirchenälteste und KV-Tagen vertiefen diese Ergebnisse. Im Schlussteil der Arbeit werden Konturen einer Presbyterialtheologie gezeichnet, die das Kirchenvorstandsamt zwischen Allgemeinem Priestertum, Leitungscharisma und freiwilligem Engagement verortet. [Parish Councils. Dimensions and areas of conflict in late modern leading of congregations] Along the four practical-theological dimensions of church as institution, organization, interaction and staging the study describes areas of conflict for the parish councils. The data evaluation of three representative surveys that are carried out by the Social Science Institute of the EKD illustrates the board members as outstanding group of volunteers in the church. Qualitative analyses of promotion material for parish-elections, the inauguration of the elders and special conferences for them amplify the results. The volume finally outlines a theology of presbyters which locates the church councils in the triangle of universal priesthood, charisma of leadership and voluntary work.
Autorentext
Christian Mulia, PD Dr. theol., Jahrgang 1972, studierte Evangelische Theologie und Diplom-Pädagogik in Wuppertal, Marburg, Edinburgh und Bochum. Er ist derzeit Vertretungsprofessor für Gemeindepädagogik an der Evangelischen Hochschule Darmstadt und Privatdozent für Praktische Theologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 2011 wurde er mit dem Willi Abts-Preis und 2012 mit dem Dissertationspreis der Johannes Gutenberg-Universität ausgezeichnet. Mulia ist im Vorstand des Arbeitskreises Gemeindepädagogik e. V. und Mitglied des Arbeitskreises Empirische Religionsforschung e. V.
Inhalt
INHALT Teil A Praktisch-theologische Grundlegung I. Die Marginalisierung der Kirchenvorstandspraxis in der Praktischen Theologie eine Problemanzeige 23 1. Abwendung der Kirchensoziologie von der Kirchengemeinde als defizitarem Sozialsystem 25 2. Fokussierung auf volkskirchliche Pluralitat und Distanzierte Kirchlichkeit 29 3. Mangelnde Erforschung von Gruppen in Soziologie und Theologie 32 4. Pfarrerzentrierung und die Unbestimmtheit des Allgemeinen Priestertums 33 5. Fragestellung und Aufbau der Arbeit 35 II. Bestandsaufnahme: empirische Studien zur Gemeindeleitung 39 1. Vorbemerkungen: eine okumenische Zusammenschau 39 2. Untersuchungen zu Kirchenvorstanden in der evangelischen Kirche 40 2.1 Uwe Winter: Gemeindeleitung zwischen Pseudobeteiligung und Chance zur Mitwirkung von Laien 40 2.2 Peter Stenzel: Kirchenvorstande als Spiegelbild von volkskirchlicher Pluralitat und gelebter Volksfrommigkeit 42 2.3 Wolfgang Luck: Produktive Wechselbezuge zwischen impulsgebenden Fachtheolog/innen und traditionsverbundenen Kirchenvorsteher/innen 44 3. Untersuchungen zu Pfarrgemeinderaten in der katholischen Kirche 46 3.1 Exkurs: Pfarrgemeinderate als Frucht des Zweiten Vatikanischen Konzils kirchenrechtliche Rahmenbedingungen 46 3.2 Institut fur Kirchliche Sozialforschung des Bistums Essen (IKSE): Arbeitsweise, Probleme und Wertvorstellungen der Pfarrgemeinderate 48 3.3 Gerhard Schmied: Der Pfarrgemeinderat als tendenziell offenes Kommunikationssystem 50 3.4 Klemens Schaupp: Kirchliche Sozialisation und Grundbedurfnisse von Pfarrgemeinderatsmitgliedern 52 3.5 Norbert Schuster: Professionelle Gemeindeleitung durch den Pfarrgemeinderat 53 3.6 Paul M. Zulehner et al.: Pfarrgemeinderate als Impulsgeber fur eine lebendige Kirche 54 4. Ertrag und Ausblick 56 III. Grunddimensionen von Kirche als Spannungsfelder gemeindeleitenden Handelns 65 1. Einfuhrung: Mehrdimensionalitat von Kirche als Herausforderung fur die Kirchenvorstandsarbeit 65 2. Praktisch-theologische Ansatze eines multidimensionalen Begriffs von Kirche 67 2.1 Kirchliche Organisation und das Jenseits des Glaubens (Jan Hermelink) 67 2.1.1 Organisation, Institution, Interaktion und Inszenierung als Dimensionen von Kirche 67 2.1.2 Kirche als selbstreflexive, lernende Organisation 69 2.2 Kirche als Hybrid aus Institution, Organisation und Bewegung (Eberhard Hauschildt/Uta Pohl-Patalong) 70 2.2.1 Institution, Organisation und Bewegung als Sozialgestalten der Kirche 70 2.2.2 Koordinationsmechanismus: Kirche als Hybrid 73 2.2.3 Zukunftsperspektive: Organisationswerdung von Kirche 73 2.3 Ein Reglermodell der kirchengemeindlichen Praxis: Markt, Organisation und Gemeinschaft (Sozialwissenschaftliches Institut der EKD) 75 2.3.1 Koordinationsmechanismen und Koordinationsweisen (Helmut Wiesenthal) 75 2.3.2 Das Analysemodell des Kirchengemeindebarometers 76 2.4 Uberleitung: Spannungsfelder der Kirchenvorstandsarbeit 78 3. Das Konzept der Ambivalenz und dessen Rezeption in der Praktischen Theologie 79 3.1 Das Konzept der Ambivalenz bei Kurt Luscher 79 3.1.1 Ambivalenz als sensibilisierendes Konstrukt 79 3.1.2 Eine pragmatische Definition von Ambivalenz 80 3.2 Die Anwendung des Ambivalenzkonzepts auf einen mehrdimensionalen praktisch-theologischen Begriff von Kirche 82 3.2.1 Mehrdimensionalitat statt zweiwertigem Gegensatz 83 3.2.2 Ausbildung von Identitat der Kirchenvorsteher/innen 83 3.2.3 Soziale und zeitliche Dimension des Handelns 84 3.2.4 Konstruktiver Umgang mit Ambivalenzen und die Bedeutung von Ritualen 85 3.2.5 Parallelen zur praktisch-theologischen Kybernetik von Gunter Breitenbach 86 3.3 Strategien der Ambivalenzvermeidung 87 3.3.1 Informale Ordnungen der Gemeindeleitung (Rudolf Roosen) 87 3.3.2 Kontrastierung von Gemeinde als Interaktion und Kirche als formaler Organisation (Isolde Karle und Anna Henkel) 89 IV. Methodologische Uberlegungen: Theologie und Empirie im Mixed-Methods-Design 93 1. Einfuhrung 93 2. Praktische Theologie und Empirie 93 2.1 Hans-Gunter Heimbrock: Empirische Theologie als Theorie Gelebter Religion 95 2.2 Julia Koll: Praxistheoretische Erforschung intersubjektiver Praktiken 97 2.3 Johannes Forst: Indirekte empirische Theologie 100 2.4 Verschrankung von wahrnehmungs- und handlungswissenschaftlichen Zugangen 101 2.5 Der Forscher und das Feld 103 2.6 Entwicklung des Forschungsdesigns 103 2.7 Zwischen Inter- und Intradisziplinaritat: zur Kooperation mit den Sozialwissenschaften 105 3. Mixed-Methods und Triangulation 107 3.1 Definition und Designtypen von Mixed-Methods 107 3.2 Zum Verhaltnis von Mixed-Methods und Triangulation 109 3.3 Mixed-Methods-Design der Kirchenvorstandsstudie 110 3.3.1 Sekundaranalysen reprasentativer Erhebungen 110 3.3.2 Auswahl der Referenztheorien 111 3.3.3 Zur Funktion der qualitativen Untersuchungen 112 3.3.4 Gutekriterien 112 3.4 Anlass, Fokus und Umfang der reprasentativen Erhebungen 113 3.4.1 SI-Ehrenamtsstudie (2012) 114 3.4.2 SI-Presbyterstudie (2013) 117 3.4.3 SI-Kirchengemeindebarometer (2013) 117 3.5 Qualitative Untersuchungen 119 3.5.1 Kurzfragebogen fur Dekanatssynodale 119 3.5.2 Experteninterview 124 3.5.3 Werbeanalyse, teilnehmende Beobachtung und qualitative Inhaltsanalyse 125 Teil B Empirische Erkundungen V. Kirche als Institution: der Kirchenvorstand im Spiegel von Kirchenrecht und Kirchenwahlen 131 1. Die Entwicklung des Kirchenvorstandsamts und seine kirchenrechtliche Fixierung 131 1.1 Das Altestenamt in alt- und neutestamentlicher Zeit 133 1.1.1 Die Altesten in Israel 134 1.1.2 Das Presbyteramt im Urchristentum 135 1.2 Vorreformatorische Anfange 136 1.3 Anfange des kirchlichen Wahlrechts im 16. und 17. Jahrhundert 137 1.4 Exkurs I: die Lehre vom Allgemeinen Priestertum 140 1.4.1 Priesterwurde und Priesterdienst 140 1.4.2 Verhaltnisbestimmung von Allgemeinem Priestertum und ordiniertem Amt 142 1.5 E…