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Antonio Skármetas poetischer Roman, der mit großem Erfolg zum zweiten Mal verfilmt wurde, ist eine zärtliche Hommage an Pablo Neruda. Er erzählt die Geschichte der Freundschaft zwischen dem berühmten chilenischen Dichter und seinem Briefträger Mario: Mithilfe eines Gedichts, das der junge Mann seinem väterlichen Freund abringt, gewinnt er das Herz seiner Angebeteten.
Antonio Skármeta, geboren 1940 in Chile, ist einer der bekanntesten Autoren Südamerikas. 1973 verließ er seine Heimat und lebte viele Jahre im Exil in Berlin. Dorthin kehrte er 2000 als Botschafter seines Landes für drei Jahre zurück. Sein literarischer Welterfolg 'Mit brennender Geduld' wurde ebenso als Film ('Il Postino') zur Legende. Der dafür oscarpreisgekrönte Produzent widmet sich auch der Verfilmung seines auf deutsch erschienenen Romans 'Der Dieb und die Tänzerin', für den Skármeta den hochdotierten spanischen Literaturpreis Premio Planeta erhielt. Der Autor lebt heute in Santiago de Chile. Zuletzt erschien von ihm auf deutsch 'Mein Freund Neruda'.
Autorentext
Antonio Skármeta, geboren 1940 in Chile, ist einer der bekanntesten Autoren Südamerikas. 1973 verließ er seine Heimat und lebte viele Jahre im Exil in Berlin. Dorthin kehrte er 2000 als Botschafter seines Landes für drei Jahre zurück. Sein literarischer Welterfolg "Mit brennender Geduld" wurde ebenso als Film ("Il Postino") zur Legende. Der dafür oscarpreisgekrönte Produzent widmet sich auch der Verfilmung seines auf deutsch erschienenen Romans "Der Dieb und die Tänzerin", für den Skármeta den hochdotierten spanischen Literaturpreis Premio Planeta erhielt. Der Autor lebt heute in Santiago de Chile. Zuletzt erschien von ihm auf deutsch "Mein Freund Neruda".
Leseprobe
UNTER FISCHERN AUFGEWACHSEN, wäre Mario Jiménez nie auf die Idee gekommen, daß sich in der Post dieses Tages ein Köder befand, an den der Dichter anbeißen würde. Kaum hatte er ihm den Packen ausgehändigt, als Neruda mit unfehlbarer Zielstrebigkeit einen Brief herausfischte und ihn direkt vor Marios Augen öffnete. Dies ungewöhnliche, mit der Gelassenheit und Zurückhaltung des Dichters unvereinbare Verhalten ermutigte den Briefträger zu einer Frage, die der Anfang für viele weitere Fragen und - warum es nicht sagen - einer Freundschaft war.
»Warum öffnen Sie diesen Brief so schnell?«
»Weil er aus Schweden kommt.«
»Und was hat Schweden Besonderes, außer den Schwedinnen?«
Obwohl Pablo Neruda nie auch nur mit einer Wimper zuckte, blinzelte er jetzt.
»Den Nobelpreis für Literatur, mein Junge.«
»Den bekommen Sie?«
»Falls das sein wird, werde ich ihn nicht ablehnen.«
»Und wieviel ist er wert?«
Der Dichter, inzwischen zum Kern des Briefes vorgedrungen, sagte ohne besondere Betonung: »Einhundertfünfzigtausendzweihundertundfünfzig Dollar.«
Mario dachte daran, die witzige Bemerkung »und fünfzig Cents« zu machen, unterdrückte seine vorlaute Naseweisheit jedoch instinktiv und fragte statt dessen sittsam: »Und?«
»Hmm?«
»Bekommen Sie den Nobelpreis?«
»Kann sein, aber dieses Jahr haben andere Kandidaten die besseren Chancen.«
»Warum?«
»Weil sie bedeutende Werke geschrieben haben.«
»Und die anderen Briefe?«
»Die lese ich später«, seufzte der Dichter.
Mario, der das Ende des Gesprächs gekommen fühlte, gab sich einer Geistesabwesenheit hin, die der seines liebsten und einzigen Kunden ähnelte, und das so hemmungslos, daß dieser sich zu der Frage gezwungen sah: »An was denkst du?«
»Daran, was wohl in den anderen Briefen stehen mag. Sind es Liebesbriefe?«
Der füllige Dichter hüstelte. »Mann, ich bin verheiratet. Laß so etwas nicht Matilde hören!«
»Entschuldigung, Don Pablo.«
Neruda machte sich über seine Geldbörse her und entnahm ihr einen Schein der Kategorie »mehr als üblich«. Weniger über den Betrag als über die plötzliche Entlassung betrübt, sagte der Briefträger »danke«, und seine Traurigkeit ließ ihn so stocksteif stehenbleiben, daß es schon besorgniserregend wirkte. Den Dichter, der wieder ins Haus gehen wollte, ließ solch auffällige Beharrlichkeit nicht ungerührt. »Was ist los mit dir?«
»Don Pablo?«
»Du stehst da wie ein Laternenpfahl.«
Mario wandte den Kopf und suchte von unten die Augen des Dichters. »Eingerammt wie eine Lanze?«
»Nein, still wie ein Turm auf dem Schachbrett.«
»Noch unbeweglicher als eine Katze aus Porzellan?«
Neruda nahm die Hand vom Türgriff und strich sich über das Kinn. »Mario Jiménez, neben den Elementaren Oden habe ich noch sehr viele bessere Bücher. Es ist nicht recht von dir, mich mit allen möglichen Vergleichen und Metaphern hinzuhalten.«
»Mit was, Don Pablo?«
»Metaphern, Mann.«
»Was ist das?«
Der Dichter legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter. »Um es dir ungefähr klarzumachen: es ist eine Art, etwas auszudrücken, indem man es mit etwas anderem vergleicht.«
»Zum Beispiel?«
Neruda sah seufzend auf seine Uhr. »Also gut, wenn du sagst, 'der Himmel weint', was willst du dann damit sagen?«
»Ist doch klar! Daß es regnet, natürlich.«
»Na also, das ist eine Metapher.«
»Und warum hat eine so einfache Sache einen so komplizierten Namen?«
»Weil die Namen nichts mit der Einfachheit oder Kompliziertheit einer Sache zu tun haben. Nach deiner Theorie dürfte ein kleines Ding, das fliegt, nicht so einen langen Namen wie Schmetterling haben. Denk nur mal, daß Elefant viel weniger Buchstaben hat, aber ein viel größeres Tier ist und nicht fliegt«, sagte Neruda erschöpft. Und mit einer letzten Willensanstrengu