Antunes hat den vielstimmigen Chor, den wir aus seinen früheren Romanen kennen, auf vier Stimmen reduziert, nämlich auf die Celinas, Fátimas, Mimis und Simones, vier Frauen, die in meist grotesk-absurder Weise an eine Verschwörergruppe gebunden sind.
Aus den Stimmen dieser Erzählerinnen konstruiert Antunes die Geschichte dieser "Krokodile", die gerade dabei sind, einen großen Coup zu landen. Alle bereiten sich auf den Tag X
vor. Aber ihre jeweils eigenen Vorstellungen, Wünsche und Sehnsüchte drängen sich in den Vordergrund, der Zwang, endlich bedrückende Lasten abzuwerfen und unter unliebsame Lebensphasen einen Schlußstrich zu ziehen, kompliziert die Durchführung des Attentats. Alle Mittel sind den Terroristen recht, auch wenn die engsten Verbündeten darunter leiden, und schließlich kippt die Verschwörung in ein selbstmörderisches Chaos um.
Tiefer als je zuvor dringt Antunes ein in den Haß und Selbsthaß seiner Protagonisten und in ihren Wahn, der sich immer wieder in nächtlichen Träumen verselbständigt: Wirklichkeitsverschiebung und Wahn fügen sich zu einer surrealen Gegenwelt, die mit ungeahntem bildlichen Reichtum und großer Eindruckskraft beschrieben wird.
António Lobo Antunes wurde 1942 in Lissabon geboren. Er studierte Medizin, war während des Kolonialkrieges 27 Monate lang Militärarzt in Angola und arbeitete danach als Psychiater in einem Lissabonner Krankenhaus. Heute lebt er als Schriftsteller in seiner Heimatstadt. Lobo Antunes zählt zu den wichtigsten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. In seinem Werk, das mittlerweile mehr als zwanzig Titel umfasst und in über dreißig Sprachen übersetzt worden ist, setzt er sich intensiv und kritisch mit der portugiesischen Gesellschaft auseinander. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den 'Großen Romanpreis des Portugiesischen Schriftstellerverbandes', den 'Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft' und den Camões-Preis.
Autorentext
António Lobo Antunes wurde 1942 in Lissabon geboren. Er studierte Medizin, war während des Kolonialkriegs 27 Monate lang Militärarzt in Angola und arbeitete danach als Psychiater in einem Lissabonner Krankenhaus. Heute lebt er als Schriftsteller in seiner Heimatstadt. Lobo Antunes zählt zu den wichtigsten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. In seinem Werk, das mittlerweile mehr als dreißig Titel umfasst und in vierzig Sprachen übersetzt worden ist, setzt er sich intensiv und kritisch mit der portugiesischen Gesellschaft auseinander. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den »Großen Romanpreis des Portugiesischen Schriftstellerverbandes«, den »Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft« und den Camões-Preis.
Leseprobe
1
Ich hatte von meiner Großmutter geträumt, und als ich ans Fenster trat, noch vor dem Morgen, indem ich ohne den Boden zu berühren durch die Möbel gegangen war als schliefe ich weiter (der Körper war ein Schatten meines Körpers, der sich gewichtslos in den Pantoffeln bewegte, denn der richtige Körper blieb im Bett, in diesem Bett oder in Coimbra vor vielen Jahren nah der hohen Pappeln, und das erwachsene Ich beobachtete das Ich als Kind oder das Ich als Kind das erwachsene Ich, ich weiß es nicht)
als ich ans Fenster trat, blinkte, halb in meinen Schlaf getaucht, halb außerhalb, an der Konditorei am Platz die Leuchtreklame, der ein Buchstabe fehlte, Mörsergeschoßworte bleich gegen den bleichen Himmel und die Zweige der Bäume über der Markise, bemerkte mich, sah, daß sie sich geirrt hatte, war beschämt, errötete, wechselte eilig zu hausgemachten Kuchen über, und da spürte ich den Branntweingeruch, der zu meinem Traum gehörte
eigentlich kein Traum, sondern die Dinge wie sie in Coimbra waren, im Erdgeschoß das Restaurant meiner Familie, in den Zimmern im Stockwerk darüber meine Großmutter
Mama Alicia
die kein Portugiesisch sprach, sie sprach Galizisch und nach dem Tod meines Großvaters stand sie dem Geschäft und dem Haus vor: da sie sich wegen des Rheumas nicht bewegen konnte, wuschen zwei Angestellte sie, zogen sie an, machten ihr, um den Zopf zu flechten, das Haar in einer Schüssel mit Branntwein naß, setzten sie oben an die Treppe auf den Stuhl, von dem aus sie über die Speisekarten bestimmte, Streit schlichtete, mit den Kindern zürnte, abends in einem Schulheftchen die Buchführung nachprüfte, meine herrische und bewegungsunfähige Großmutter, die mich mit niederschmetterndem Zeigefinger rief
– Mimi
Enkel und Katzen wegscheuchte, ich erinnere mich an das mit dem Gackern der Hühner im Garten vermischte Gackern der Weiden, Hühner und Weiden, die aufgeregt im Kalkschutt pickten, und ich näherte mich ängstlich in der Hoffnung, die Stufen würden nie enden, während ich dachte
– Sie wird mich schlagen
die Reklame erlosch unvermittelt, es war Tag, gleich würden die Luken des Juwelierladens abgehängt werden, gleich würde mein Mann aufwachen
– Was machst du da komm her
unter den Decken die Bewegung eines verwirrten Tieres, das zappelte, sich langsam in Beine, Arme, Bruchstücke verwandelte, die sich zusammenfügten, bis sie einen Mann bildeten
(wenn der Tejo sich beruhigt, fügt im Wasser der Mond die verstreuten Teile zusammen)
anstatt mich zu schlagen, befahl meine Großmutter den Dienstmädchen, die Tür zu schließen, hüllte mich in den Branntweingeruch, horchte nach rechts und links, die Hühner und die Weiden verstummten respektvoll, wie alle angesichts einer Anweisung von ihr verstummten, wisperte
– Ich werde dir ein Geheimnis verraten sag es niemandem weiter
sie wußte alles, las Zeitschriften auf spanisch, kannte die Sterne
Aldebaran
gab Rat bei Testamenten und Geburten, entließ Köchinnen, las in Blitzen, behauptete steif und fest, daß es in Galizien immer regnete und Rosen aus dem Meer wuchsen, war seit dem Tode meines Großvaters stets wie eine alte Braut in Weiß gekleidet, verlangte, daß man ihr die Hochzeits-Orangenblüten in einem trüben Glassturz brachte, stellte den Glassturz auf ihren Schoß, und niemand wagte zu sprechen, Schüsseln und Platten glitten lautlos dahin, mein lungenkranker Onkel stellte das Radio aus, mein vor der Registrierkasse hockender Vater rückte sofort die Krawatte zurecht
Aldebaran
das Geheimnis einer, die die Ster