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'Ein versöhnliches, heiteres Werk mit köstlichen Szenen und eigenwilligen Gestalten' Die Welt Als Sebastian Barnack zu einer festlichen Party eingeladen wird, gerät er in Verlegenheit, denn er besitzt keinen Abendanzug. Sein Vater, überzeugter Sozialist, weigert sich ihm dieses bürgerliche Klassen- und Statussymbol zu kaufen. An Sebastians Versuchen, dieses Kleidungsstückes habhaft zu werden, knüpfen sich Schuld und Verbrechen, die ihn schließlich erkennen lassen, dass nichts, was man tut ohne Konsequenzen bleibt ...
Aldous Leonard Huxley, geboren 1894 in Godalming/Surrey, in Eton erzogen, studierte nach einer schweren Augenkrankheit englische Literatur in Oxford und war ab 1919 zunächst als Journalist und Theaterkritiker tätig. 1921 begann er mit der Veröffentlichung seines ersten Romans 'Die Gesellschaft auf dem Lande' seine literarische Laufbahn. Von 1938 an lebte er in Kalifornien. Huxley starb 1963 in Hollywood.
Autorentext
Aldous Leonard Huxley, geboren 1894 in Godalming/Surrey, in Eton erzogen, studierte nach einer schweren Augenkrankheit englische Literatur in Oxford und war ab 1919 zunächst als Journalist und Theaterkritiker tätig. 1921 begann er mit der Veröffentlichung seines ersten Romans "Die Gesellschaft auf dem Lande" seine literarische Laufbahn. Von 1938 an lebte er in Kalifornien. Huxley starb 1963 in Hollywood.
Leseprobe
ERSTES KAPITEL
Sebastian Barnack kam aus dem Lesesaal der Bezirksbücherei von Hampstead und blieb im Vestibül stehen, um seinen abgetragenen Mantel anzuziehen. Mrs. Ockham, die ihn da erblickte, fühlte ein Schwert im Herzen. Dieses schmächtige, wunderschöne Menschenkind mit dem seraphischen Gesicht und dem blassblonden Lockenhaar war das lebende Abbild ihres eigenen, ihres einzigen, ihres toten und entschwundenen Lieblings.
Die Lippen des Buben, so gewahrte sie, bewegten sich, während er sich in seinen Mantel mühte. Sprach mit sich selbst - ganz wie ihr Frankie das immer getan hatte. Und nun wandte er sich dem Ausgang zu und kam an der Bank vorüber, auf der sie saß.
»So ein rauer Abend!«, sagte sie laut, einem jähen Impuls folgend, dieses lebende Phantom zurückzuhalten, die schmerzend scharfe Erinnerung tiefer in ihr wundes Herz zu bohren.
Aus seinen Gedanken gerissen, blieb Sebastian stehen, wandte sich ihr zu und starrte sie ein paar Sekunden verständnislos an. Dann ging ihm die Bedeutung dieses sehnsüchtig mütterlichen Lächelns auf. Sein Blick wurde hart. So etwas geschah ihm nicht zum ersten Mal. Sie behandelte ihn, als wäre er eins dieser entzückenden Babys in Kinderwagen, denen man den Kopf tätschelt. Der Funze wollte er's zeigen! Aber wie gewöhnlich fehlte es ihm an der nötigen Courage und Geistesgegenwart. Und so lächelte er nur schwächlich und sagte einfach, ja, es sei ein rauer Abend.
Mrs. Ockham hatte mittlerweile ihr Handtäschchen geöffnet und eine kleine weiße Schachtel hervorgezogen.
»Möchten Sie nicht eine von diesen?«
Sie hielt ihm die Schachtel hin. Es war französische Schokolade, Frankies Lieblingsmarke - ihre eigene auch, übrigens. Sie hatte eine Schwäche für Süßigkeiten.
Sebastian betrachtete Mrs. Ockham ungewiss. Ihre Aussprache war einwandfrei und ihre Kleidung auf etwas saloppe, tweedige Art solid und von guter Qualität. Aber sie war dick und ältlich - mindestens vierzig, schätzte er. Er zögerte, hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, diese lästige Person in die Schranken zu weisen, und einem nicht weniger starken Verlangen nach diesen köstlichen langues de chat. Wie ein Mops, sagte er sich, während er in das plumpe, weiche Gesicht da vor sich blickte. Ein rosiger, haarloser Mops mit schlechtem Teint. Worauf er das Gefühl hatte, dass er nun eine Katzenzunge annehmen könne, ohne seiner Integrität etwas zu vergeben.
»Danke«, sagte er und schenkte ihr sein bezauberndes Lächeln, das Damen mittleren Alters immer ganz unwiderstehlich fanden.
Siebzehn Jahre alt zu sein, einen Geist zu besitzen, von dem man fühlte, dass er alterslos erwachsen war, und dabei auszusehen wie ein Della-Robbia-Engel von dreizehn - es war ein widersinniges und erniedrigendes Schicksal. Aber letzte Weihnachten hatte er Nietzsche gelesen, und seither wusste er, dass er sein Schicksal lieben müsse. Amor fati - jedoch gemäßigt durch gesunden Zynismus. Wenn Leute bereit waren, einen dafür zu bezahlen, dass man jünger aussah, als man war, warum ihnen nicht geben, was sie wollten?
»Wie gut die ist!«
Wieder lächelte er sie an, und seine Mundwinkel waren braun von Schokolade. Das Schwert in Mrs. Ockhams Herzen machte abermals eine schmerzhafte Umdrehung.
»Nehmen Sie die ganze Schachtel!«, sagte sie. Ihre Stimme zitterte, ihre Augen glänzten von Tränen.
»Nein, nein, das könnte ich nicht ...«
»Nehmen Sie sie«, beharrte sie, »nehmen Sie sie doch!« Und sie drückte ihm die Schachtel in die Hand - in Frankies Hand.
»Oh ... danke schön!« Es war genau, was Sebastian gehofft, ja, erwartet hatte. Er hatte seine Erfahrungen gemacht mit diesen sentimentalen alten Kühen.
»Ich hab einen Buben gehabt ...«, sagte Mrs. Ockham mit gebrochener Stimme. »Ganz so wie Sie war er. Die gleichen Haare und Augen ...« Die Tränen flossen