Eins steht fest: Die Fledermaus ist nicht schuld am Ausbruch von Corona. Die Ursache der Pandemie ist vielmehr im Umgang des Menschen mit der Natur zu suchen. Der südafrikanische Umweltjournalist Adam Cruise (u.a. für National Geographic und The Guardian) erläutert anschaulich, wie der Expansionsdrang des Menschen dazu führt, dass immer neue zoonotische Krankheiten entstehen. Krankheiten also, die die Artengrenzen überschreiten und von Tieren auf Menschen überspringen. Covid-19 ist nur die vorläufig letzte einer ganzen Reihe von Krankheiten, die die Menschheit seit einigen Jahrzehnten heimsuchen: AIDS, Rinderwahnsinn, Schweinegrippe, Vogelgrippe, Ebola, Zika usw. Schuld daran ist das Verhalten des Menschen, der Naturräume, Nutztiere, Wildtiere und Pflanzen komplett seinen eigenen Interessen unterwirft. Cruise fordert ein grundsätzliches Umdenken: Der Mensch muss sich zurückziehen, Nutzflächen renaturieren, eine nachhaltige Landwirtschaft betreiben, auf den Handel und den Verzehr von Wildtieren verzichten. Im typischen Adam-Cruise-Stil ziseliert der Autor anekdotenreich und zugänglich die ethischen und praktischen Fragestellungen heraus. Er konfrontiert die Politik - und noch eindringlicher jeden Einzelnen von uns - mit unseren Wahlmöglichkeiten. «Wir Menschen müssen unser Verhalten ändern», so Cruise, «andernfalls könnte das Schicksal der Dinosaurier auch uns ereilen. Wir haben es in der Hand.» Mit einem Vorwort von Vera Weber, Stiftungspräsidentin der Fondation Franz Weber.
Adam Cruise (*1970), Dr., ist investigativer Umweltjournalist, Reiseschriftsteller und promovierter Philosoph. Seine Artikel wurden in zahlreichen internationalen Medien veröffentlicht, darunter in National Geographic und The Guardian. Er berichtet über verschiedene Themen, von der Notlage der Elefanten, Nashörner und Löwen in Afrika bis hin zur Verjüngung der Korallenriffe in Indonesien. Er schrieb u. a. die Bücher King Solomon and the Showman, Louis Botha's War und In the Pursuit of Solitude. Cruise ist Doktor der Philosophie auf dem Gebiet der Tier- und Umweltethik und Herausgeber der Online-Zeitschrift Journal of African Elephants.
Autorentext
Adam Cruise (*1970), Dr., ist investigativer Umweltjournalist, Reiseschriftsteller und promovierter Philosoph. Seine Artikel wurden in zahlreichen internationalen Medien veröffentlicht, darunter in National Geographic und The Guardian. Er berichtet über verschiedene Themen, von der Notlage der Elefanten, Nashörner und Löwen in Afrika bis hin zur Verjüngung der Korallenriffe in Indonesien. Er schrieb u. a. die Bücher King Solomon and the Showman, Louis Botha's War und In the Pursuit of Solitude. Cruise ist Doktor der Philosophie auf dem Gebiet der Tier- und Umweltethik und Herausgeber der Online-Zeitschrift Journal of African Elephants.
Leseprobe
Einführung
Nur innerhalb des kurzen Augenblicks, den das jetzige Jahrhundert darstellt, hat eine Spezies - der Mensch - erhebliche Macht erlangt, die Natur ihrer Welt zu verändern.
Rachel Carson, Der stumme Frühling
Im Dorf Meliandou in Guinea spielte eine Schar Kinder in der Nähe eines hohlen Baums und schreckte dabei eine kleine Fledermauskolonie auf, die sich darin versteckt hielt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese scheinbar harmlose Begebenheit der Auslöser der verheerenden westafrikanischen Ebola-Epidemie im Jahr 2013 war, einer tödlichen Krankheit mit einer Mortalität von bis zu 90 Prozent.1
Fünfzehn Jahre zuvor wütete ein Virus namens Nipah, das von Schweinen und Kühen auf den Menschen übertragen worden war, in Malaysia, Bangladesch und Indien. Diese Krankheit mit einer beachtlichen Mortalität von 60 Prozent hatte ihren Ursprung in Flughunden, deren Sekrete von Nutztieren gefressen worden waren.2
Wenige Jahre später wurde die Ausbreitung eines SARS-CoV genannten Coronavirus, das von einem Lebendtiermarkt in Hongkong stammte, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Pandemie erklärt, nachdem sich 8000 Menschen damit infiziert hatten.3 10 Prozent der Erkrankten starben.4 Diesmal war eine Zibetkatze der Wirt des Virus. Doch wie beim Ebola-Ausbruch in Guinea stammte das Virus auch hier ursprünglich von einer Fledermaus.5 Möglicherweise hatte die Zibetkatze eine Fledermaus gefressen oder etwas Essbares in einer Fledermaushöhle, das mit Fledermaussekreten kontaminiert war. Wie wir heute wissen, war dies ein frühes Warnzeichen der Dinge, die auf uns zukommen sollten. Nach dem Ausbruch von SARS warnte im Jahr 2007 eine Studie davor, dass ein «großen Reservoir an Viren vom Typ SARS-CoV» in Fledermäusen vorhanden und dies eine tickende Zeitbombe für eine weltweite Pandemie sei.6
Gehen wir weiter zum Jahr 2019: Ein Einwohner Südwestchinas betrat wahrscheinlich eine Fledermaushöhle in der Nähe seines Heimatdorfs, um Wildtiere zu jagen und sie anschließend auf einem Lebendtiermarkt in Wuhan zu verkaufen. Es könnte jedes Tier gewesen sein - vom Nager bis zum Schuppentier -, das sich bei einer Fledermaus in der Höhle infiziert hatte. Sobald das Tier auf dem überfüllten Markt angekommen und in einen Käfig gesperrt worden war, sprang die Krankheit vermutlich von ihm auf mehrere andere Tierarten über, bevor sie rein zufällig ihren Weg auf den Teller eines ahnungslosen Menschen fand. Sie verursachte bei ihm höchstwahrscheinlich einen quälenden Husten, wobei er die Erreger an einen Freund oder ein Familienmitglied weitergab - und ehe wir uns versahen, hatte sich die Krankheit, die wir heute Covid-19 nennen, wie ein Buschfeuer über die ganze Welt verbreitet. Volkswirtschaften brachen zusammen, Arbeitsplätze wurden vernichtet und Hunderttausende Menschen verloren ihr Leben.
Doch auch wenn diese Pandemie - wie andere vor ihr - von Fledermäusen stammt, liegt die Schuld nicht bei ihnen.
Zahlreiche andere Wildtierarten, ebenso wie die meisten Haus- und Nutztiere, können Krankheiten auf den Menschen übertragen. HIV/Aids wurde wahrscheinlich durch den Verzehr eines Schimpansen ausgelöst, MERS durch ein Kamel, ganz zu schweigen von den unzähligen Ausbrüchen der Schweine- und Vogelgrippe, die von Schweinen beziehungsweise Hühnern ausgingen, oder vom Rinderwahnsinn und anderen Krankheiten in der Geflügel- und Viehwirtschaft, die im Lauf der Jahre verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft und die menschliche Gesundheit hatten.
Covid-19 ist nur die jüngste und verheerendste Pandemie auf einer in den letzten Jahren immer länger werdenden Liste. Weltweit sterben etwa ein Viertel aller Menschen an Infektionskrankheiten. Man geht davon aus, dass 60 Prozent davon sogenannte Zoonosen sind, also von Tieren verursacht werden, und zwar in der Mehrzahl - zu etwa