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Mit dem Brexit ist ein turbulentes Jahrzehnt in der Geschichte der europäischen Integration zu Ende gegangen. Griechenland-Krise, Flüchtlingskrise und der Aufstieg des Populismus haben die Europäische Union grundlegend verändert. In dieser aktualisierten und erweiterten Neuausgabe seines Standardwerks ordnet Wilfried Loth, einer der besten Kenner der Geschichte der europäischen Integration, die dramatischen Ereignisse der vergangenen Jahre erstmals ein. Er zeichnet die Entwicklung der Europäischen Union bis zur unmittelbaren Gegenwart der Corona-Krise nach und ermöglicht den Leserinnen und Lesern ein historisch begründetes Urteil über die Zukunft der EU. .
»Loth legt mit diesen Erweiterungen einen sehr konzisen Überblick der zurückliegenden Jahre vor. Die Ergänzung der seit 2014 publizierten Fachliteratur rundet diese sehr nützliche Gesamtdarstellung ab, die auch in der erweiterten Auflage ein unverzichtbarer Begleiter der Geschichte der europäischen Integration bleibt.« Bastian Matteo Scianna, H-Soz-Kult, 04.12.2020 »Wer sich fortan mit der unvollendeten Geschichte der Einigung Europas beschäftigen möchte, kommt an diesem Opus magnum nicht vorbei« Ulrich Lappenküper »Ein aufklärerisches Werk. Pflichtlektüre für alle, die an der unvollendeten Geschichte Europas (ver-)zweifeln.« Rolf Steininger, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.04.2014 »Der Historiker Wilfried Loth erinnert in seinem Buch Europas Einigung daran, dass Krisen eine ständige Begleiterscheinung der Entstehung und Entwicklung der Europäischen Union waren. Europapolitik sei bis heute immer die Kunst des Möglichen.« Handelsblatt Online, 23.04.2014 »Diese Darstellung ist jedem, Europaenthusiast oder -kritiker, nur als Pflichtlektüre anzuraten. Für eine sachliche Debatte über Europas politische Zukunft ist sie unabdingbar.« NZZ, 24.07.2014 »Wilfried Loth protokolliert akkurat und detailreich die Entstehungsgeschichte der EU.« Klaus Pokatzky, Deutschlandradio Kultur, 19.03.2014 »Warum die EU heute so funktioniert wie sie funktioniert, leitet der Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Duisburg-Essen akribisch aus ihrer Geschichte her.« Handelsblatt, 11.04.2014 »Seit Jahrzehnten ist auf einen Historiker Verlass, wenn es um grundsolide, kenntnisreiche, aus den Quellen und einem weitgespannten Fundus von Sekundärliteratur erarbeitete Beitrage zur Darstellung des Weges der europäischen Einigung geht. Mit der respektgebietenden Kombination von aufgeklärter Sachlichkeit und nie versiegender Empathie begleitet Wilfried Loth Weg und Werk der europäischen Einigungsgeschichte. [] Wilfried Loths neues Buch gehört in jede anständige Bibliothek.« Ludger Kühnhardt, Politische Vierteljahresschrift, 01.05.2015 »Die Europäische Union ist kompliziert, die Interessenlage vielseitig, und die Entscheidungsprozesse sind selten transparent. Wer dennoch wissen will, warum das so ist und wie die Europäische Union funktioniert, der sollte das neue Buch des Historikers Wilfried Loth lesen.« Jörg Münchenberg, Deutschlandfunk, 10.03.2014
Autorentext
Wilfried Loth ist emeritierter Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Duisburg-Essen.
Leseprobe
Prolog: Churchills Kongress Den Haag, 7. Mai 1948: An diesem Tag trafen sich 722 repräsentative Persönlichkeiten aus 28 europäischen Ländern am niederländischen Regierungssitz, um über Wege zu einer Einigung Europas zu diskutieren. Sechs ehemalige Premierminister europäischer Länder nahmen an der Veranstaltung teil, ebenso wie 14 aktive und 45 ehemalige Minister sowie westdeutsche Ministerpräsidenten, führende Abgeordnete, Wirtschaftsführer, Gewerkschafter, Kirchenführer, zahlreiche Professoren sowie einige Intellektuelle und Künstler. Winston Churchill, der britische Premier der Kriegsjahre und nunmehrige Oppositionsführer im Londoner Unterhaus, hielt die Eröffnungsansprache; etwa 40.000 Menschen kamen zu einer öffentlichen Kundgebung am dritten Verhandlungstag. Dieser Kongress, der bis zum 10. Mai dauerte, war ein Lichtblick in der Ruinenlandschaft, die der Zweite Weltkrieg in Europa hinterlassen hatte. Er führte zur Konstituierung der Europäischen Bewegung und mittelbar auch zur Gründung des Europarates. Vier Antriebskräfte Der Haager Kongress stand damit am Anfang von Verhandlungen über die Schaffung europäischer Institutionen, die anders als die Verhandlungen über »eine Art föderativer Verbindung« zwischen den europäischen Völkern, die der französische Außenminister Aristide Briand im September 1929 der Vollversammlung des Völkerbunds vorgeschlagen hatte erfolgreich waren und jene Gemeinschaft ins Leben riefen, die heute als »Europäische Union« das Leben der Europäer in starkem Maße beeinflusst. In ihm verdichteten sich Bewegungen, die auf die Überwindung der Funktionsdefizite der Nationalstaaten und des nationalstaatlichen Ordnungssystems in Europa zielten und die zum Teil schon in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg entstanden waren. Sie wurden von vier ganz unterschiedlichen Motiven angetrieben, zwischen denen freilich ein enger Zusammenhang bestand. Zunächst war dies das Problem der zwischenstaatlichen Anarchie, Auslöser aller »klassischen« Friedenssicherungspläne von Dante bis Kant: Als die Entwicklung der modernen Kriegstechnik Millionen von Menschen zu Kriegsopfern werden ließ und die wirtschaftlichen Schäden im Zeitalter der Kabinettskriege ungeahnte Ausmaße annahmen, wurde dieses Problem immer drängender. Die Erfahrung des verheerenden Ersten Weltkriegs führte darum zu einer Fülle europäischer Friedensinitiativen, von denen der »Paneuropa«-Feldzug des Grafen Richard Coudenhove-Kalergi und Briands Europaplan nur die spektakulärsten waren. Als die Friedensordnung von Versailles ab 1938 schrittweise zerbrach, erhielt diese Bewegung einen weiteren Schub. »Man kann es vor aller Welt mit tiefster und unbeugsamster Überzeugung aussprechen«, schrieb etwa im Frühjahr 1941 der französische Sozialistenführer Léon Blum, Ministerpräsident der Volksfront-Regierungen von 1936 bis 1938: »Aus diesem Krieg müssen endlich durch und durch starke internationale Einrichtungen und eine durch und durch wirksame internationale Macht hervorgehen, sonst wird er nicht der letzte gewesen sein.« Ein besonderer Aspekt des Problems der Friedenssicherung war die deutsche Frage: Wie sollte man sich Deutschland, das seit 1871 die stärkste Nation in der Mitte des europäischen Kontinents war, entfalten lassen, ohne gleichzeitig unter eine Hegemonie der Deutschen zu geraten? Oder umgekehrt: Wie ließen sich die Deutschen kontrollieren, ohne durch einseitige Diskriminierung neuen Revanchismus hervorzurufen? »Um den Widerspruch zu lösen«, so wiederum Blum stellvertretend für viele Autoren des Widerstands gegen die deutsche Besatzung und das nationalsozialistische Regime, und »um die Unschädlichkeit Deutschlands in einem friedlichen und gesicherten Statut zu erreichen, gibt es einen einzigen Weg: die Eingliederung der deutschen Nation in eine internationale Gemeinschaft.« Dies bedeutete also etwa nicht nur eine Kontrolle des Ruhrgebiets, sondern eine gemeinsame Lenkung der gesamten europäischen Schwerindustrie und ebenso nicht nur eine Beschränkung der deutschen Militärhoheit, sondern ein gemeinsames Kommando für alle europäischen Streitkräfte. Nach den Erfahrungen des Scheiterns der Friedensordnung von Versailles und des Aufstiegs des Nationalsozialismus war dies ein Argument, das besonders viel Plausibilität für sich beanspruchen konnte. Ein dritte Schwäche des Nationalstaatensystems ergab sich aus der Entwicklung der Produktivkräfte des industriellen Zeitalters: Die nationalen Märkte in Europa wurden je länger, desto deutlicher für rationale Produktionsweisen zu eng. Ihre wechselseitige Abschottung war nur temporär und sektoral sinnvoll; langfristig führte sie zu einem Verlust an Produktivität. Das hatte einen volkswirtschaftlichen und einen machtpolitischen Aspekt; vor allem in Gestalt der US-amerikanischen Konkurrenz waren beid…