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Eine historische Erkundung der Gefühle
Gefühle sind so alt wie die Menschheit. Aber was wissen wir über sie und welche Bedeutung messen wir ihnen bei? In diesem Band werden wissenschaftliche und gesellschaftliche Debatten analysiert, die Europäer seit dem 18. Jahrhundert über Affekte, Leidenschaften, Empfindungen und Emotionen führten. Dabei zeigt sich, wie eng dieses Gefühlswissen mit den sozialen, kulturellen und politischen Strukturen moderner Gesellschaften verknüpft ist und wie es sich mit ihnen wandelt.
Autorentext
Ute Frevert ist Direktorin des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin und Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft. Monique Scheer, Anne Schmidt, Pascal Eitler, Bettina Hitzer, Nina Verheyen, Benno Gammerl und Christian Bailey sind bzw. waren Mitarbeiter am Forschungsbereich »Geschichte der Gefühle« des MPIB; Margrit Pernau ist dort als Senior Researcher tätig. Der Forschungsbereich "Geschichte der Gefühle" hat 2008 seine Arbeit am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPIB) aufgenommen, um die vielfältigen Aspekte von Gefühlen im Kontext von Zeit und Raum zu erforschen. In engem Gespräch mit anderen Disziplinen erkunden Historiker die Gefühlsordnungen der Vergangenheit. Sie gehen davon aus, dass Gefühle - Empfindungen und ihr Ausdruck - kulturell geformt und sozial erlernt werden, dass sie eine Geschichte haben und Geschichte machen.
Klappentext
Gefühle sind so alt wie die Menschheit. Aber was wissen wir über sie? Wie ernst nehmen wir sie und welche Bedeutung weisen wir ihnen zu? Die Autorinnen und Autoren des Bandes untersuchen, wie sich das Wissen über Gefühle und deren Bewertung in den letzten 300 Jahren verändert haben. Sie analysieren wissenschaftliche und gesellschaftliche Debatten, die Europäer seit dem 18. Jahrhundert über Affekte, Leidenschaften, Empfindungen und Emotionen führten. Dabei ging (und geht) es um grundlegende Fragen der conditio humana: Sind Gefühle geistiger oder körperlicher Natur? Haben Tiere Gefühle? Sind Männer gefühlsärmer als Frauen? Gibt es kindische und erwachsene Emotionen? Kann man Gefühle »zivilisieren«? Machen sie krank? Können Kollektive fühlen? Die historisch wechselnden Antworten auf diese Fragen zeigen: Das Wissen über Emotionen war und ist eng verknüpft mit den sozialen, kulturellen und politischen Strukturen moderner Gesellschaften.
Zusammenfassung
Was drängst du denn so wunderlich, mein Herz?
"Gerade im aktuellen Durcheinander verschiedenster Emotionsdiskurse mag es helfen zu rekonstruieren, wie das Reden über Gefühle eingeführt, verstetigt, kritisiert und umformuliert wurde. Die Lexika der letzten Jahrhunderte erweisen sich in den vielseitigen Beiträgen des Bandes als ausgesprochen ergiebige Quelle." Manuela Lenzen (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.08.2011)
Alles eine Frage des Gefühls
"Was uns zurzeit noch fehlt, ist genug historisches Gefühlswissen, nicht zuletzt, um unsere heutigen Empfindungen einbetten und relativieren zu können." Ute Frevert im Gespräch mit Eva Illouz (DIE ZEIT, 06.09.2012)
Leseprobe
Kapitel 1 Gefühle definieren: Begriffe und Debatten aus drei Jahrhunderten Ute Frevert Alle sprechen über Gefühle. Im sogenannten therapeutischen Zeitalter, das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einsetzte, sind Gefühle zum Dauerthema geworden, und dies nicht allein zwischen Psychologen und ihren immer zahlreicheren Patienten. Manager und Personalchefs lernen in teuren Fortbildungsseminaren, wie wichtig es für den Geschäftserfolg ist, Gefühle bei sich und anderen zu lesen und zu regulieren. Politiker und Personen des öffentlichen Lebens werden danach beurteilt, ob sie Gefühl haben und die richtigen Gefühle an der richtigen Stelle zeigen. Die Werbung hat Gefühle und Passionen als Verkaufsschlager entdeckt und Firmen taufen ihre Autos oder Kosmetikprodukte ebenso schlicht wie vielversprechend "Emotion". "Emos" nennen sich auch jene Anhänger einer Jugendkultur, die ihren Gefühlen in Musik, persönlichem Habitus und Kleidungsstil Ausdruck verschaffen wollen. Zugleich liefern Wissenschaften immer neue Entdeckungen über Gefühle und ihre Wirkmächtigkeit. Gefühle, heißt es, spielen eine wichtige Rolle bei Gesundheit und Krankheit. Sie begründen Werturteile und beeinflussen Entscheidungen. Neurowissenschaftler wollen zeigen, wie sie im Gehirn entstehen, welche Hirnregionen affiziert werden und wie sie sich mit anderen Handlungsmotivationen verknüpfen. Diese Gefühlsoffensive scheint auf den ersten Blick etwas radikal Neues zu sein. Nie zuvor, meint der geschichtsvergessene Betrachter, habe es eine solche Obsession gegeben, nie zuvor seien Gefühle derart intensiv verhandelt und öffentlich inszeniert worden. Erst der Triumph des therapeutischen Paradigmas im Zeitalter des Narzissmus, so die amerikanischen Kulturwissenschaftler Philip Rieff und Christopher Lasch, habe das Gefühlsleben des Individuums ins Zentrum gerückt und zum Brennpunkt vielfältiger medialer, kommerzieller und wissenschaftlicher Strategien gemacht. Aber stimmt das überhaupt? Sind das späte 20. und beginnende 21. Jahrhundert tatsachlich in besonderer und einmaliger Weise gefühlsbesessen? Hat man sich zuvor nicht um Gefühle geschert? War das Wissen um Gefühle und das, was sie anrichten können, geringer? Zeigte sich das Publikum, das jenes Wissen aufnahm, weniger interessiert und lernbegierig? Dass Gefühle nicht erst heute zum Thema populärer und wissenschaftlicher Reflexion geworden sind, ist in Bibliotheken und Archiven verbrieft. Philosophen, Literatur- und Kunstwissenschaftler haben in den vergangenen Jahren gezeigt, wie Affekttheorien die antike Rhetorik, das frühneuzeitliche Theater oder die moderne Literatur geprägt haben. Das 18. Jahrhundert und die Epoche der Empfindsamkeit, aber auch die Romantik sind als Hoch-Zeiten künstlerischer Gefühlsemphase identifiziert worden. Weniger Tiefenschärfe findet man in den experimentellen Kognitions- und Neurowissenschaften. Wenn sie sich mit Gefühlen beschäftigen, tun sie das in der Regel ohne Kenntnis ihrer Vorgänger, die als Philosophen, Mediziner und Psychologen seit mehreren Jahrhunderten das menschliche Gefühlsleben erforschten. Wie sich das dabei akkumulierte Wissen sortierte, wie empirische Ergebnisse anhand theoretischer Konzepte geordnet wurden und wie solcherart gesichertes Wissen an die Öffentlichkeit gelangte, bleibt außerhalb des heutigen Horizonts. Dafür erwärmen sich bestenfalls Wissenschaftshistoriker und Wissenssoziologen; allerdings haben auch sie das Gefühls-Thema noch kaum entdeckt. Gefühls-Debatten in der Moderne Daran wird dieses Buch nichts ändern. Es bietet keine Wissenschaftsgeschichte der philosophischen oder psychologischen Gefühlsforschung, ebenso wenig wie es die literatur- und kunstwissenschaftlichen Studien über Affektpoetik und -politik fortsetzt. Sein Ansatzpunkt ist ein anderer: Es interessiert sich für gesellschaftliche Reflexionen und Auseinandersetzungen, die Zeitgenossen der Moderne über Gefühle führten. In diese Reflexionen gingen wissenschaftliche Lehrmeinungen ebenso ein wie moralische und pädagogische Erörterungen. Theologische Referenzen spielten (anfangs) eine Rolle, aber auch politische und ökonomische Überlegungen. Mediziner meldeten sich zu Wort und selbst Juristen hatten etwas dazu zu sagen. Im Ergebnis entstand eine vielstimmige Debatte, die im 18. Jahrhundert mit kondensierter Kraft anhub und bis heute anhält. Wie aber lässt sich eine solche Debatte rekonstruieren? Und zu welchem Zweck, was ist damit gewonnen? Der Erkenntniswert einer Rekonstruktion bemisst sich an den Fragen, die man stellt. Auf übergeordneter Ebene geht es um die Bedeutung, die Gefühlen in der Welt der Moderne beigemessen wurde. Damit sind nicht einzelne, spezifische Gefühle wie etwa Zorn, Scham oder Angst gemeint. Vielmehr soll der Platz bes…