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Gier oder Gemeinsinn?
In der aktuellen Wirtschaftskrise stehen Manager und Aufsichtsräte wegen ihrer vermeintlichen Profitgier am Pranger. Gleichzeitig breitet sich eine neue Kultur des Entrepreneurships aus, in der jeder Einzelne Verantwortung übernehmen soll. So hat das Leitbild des Unternehmertums in viele Lebensbereiche Einzug gehalten. In der Verwaltung spricht man vom New Public Management, an Universitäten und in Krankenhäusern werden Leistungs- und Qualitätskriterien angelegt. Die Autorinnen und Autoren des Bandes setzen sich anhand dieser und anderer Beispiele mit den Erfolgen unternehmerischen Handelns ebenso auseinander wie mit dessen Entgleisungen. Sie machen deutlich, wo die Chancen einer Gesellschaft liegen, die auf das Prinzip unternehmerischer Verantwortung setzt - und wo diesem Grenzen gesetzt werden müssen. Mit Beiträgen von Dirk Baecker, Alexander Brink, Ulrich Bröckling, Tanja Dückers, Wolfgang Fach, Jürgen Kaube, Georg Kohler, Anton Landgraf, Sven Murmann, Werner Plumpe, Birger P. Priddat, Thomas E. Schmidt, Nico Stehr und Dieter Thomä
Vorwort
Gier oder Gemeinsinn?
Autorentext
Ludger Heidbrink ist Direktor des Center for Responsibility Research am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) sowie außerplanmäßiger Professor an der Universität Witten/Herdecke. Peter Seele ist Assistenzprofessor am Zentrum für Religion, Wirtschaft, Politik (ZRWP) der Universität Basel.
Leseprobe
Einleitung: Vom Nutzen und Nachteil des Unternehmertums Ludger Heidbrink und Peter Seele Als Steve Jobs, der Chef von Apple, am 27. Januar 2010 in San Francisco den lang erwarteten iPad, einen tablettförmigen Computer, der Öffentlichkeit vorstellte, sahen weltweit über zehn Millionen Menschen per Livestream zu. Sie konnten Jobs dabei beobachten, wie er in Jeans, Turnschuhen und schwarzem Pullover auf der Bühne des Yerba Buena Center for the Arts, in dem die Präsentation stattfand, herumspazierte und über die Milliarden-Umsätze berichtete, die das Unternehmen seinen jüngsten Produkten, dem iPod und dem iPhone, zu verdanken hatte, bevor er sich in einen Ledersessel setzte, um die Funktionen des Tablett-Computers zu erläutern. Wie ein kleiner Junge spielte Jobs mit dem Touchscreen, rief Internetseiten auf, zeigte Fotos und führte Videos vor. In den nächsten Tagen überschlugen sich die Medien mit Meldungen über dieses Ereignis, das Konterfei von Jobs wurde zum Aufmacher unzähliger Zeitungen und Magazine, der Economist bildete ihn als strahlenden Moses mit der Gesetzestafel ab, in den Feuilletons wurde darüber diskutiert, inwieweit das iPad den Beginn einer neuen Ära der digitalen Informationsverarbeitung darstelle, in einschlägigen Blogs darüber gestritten, ob das Gerät mehr sei als ein großes iPhone und wofür man es eigentlich benötige. Diese mediale Erregung rührt nicht nur daher, dass der iPad schon seit längerem in einer geheimnisumwobenen Marketing-Kampagne angekündigt worden war, die immer wieder neue Erwartungen geschürt hatte. Sie hat ihren Grund vor allem darin, dass der CEO von Apple einen besonders attraktiven Unternehmertypus verkörpert, der für seine Fans, aber auch für nüchterne Beobachter ein hohes Identifikationspotential zur Verfügung stellt. Jobs ist eine Art Prophet der Marktwirtschaft, der die Machbarkeit des Unwahrscheinlichen verkündet. Er steht nicht für den klugen, bisweilen gerissenen Kapitalisten alter Schule, sondern für den rebellischen und innovativen Entrepreneur der Zukunft, der profane Wunder verkauft und seinen Weg vom Hippie zum Heros der creative economy bisher ohne moralische Blessuren und soziale Rücksichtslosigkeit zurückgelegt hat. Die messianische Aura, die Jobs umgibt, wird konterkariert von Managern und Vorstandsvorsitzenden, vornehmlich aus dem investment banking, die in den 1980er Jahren von dem amerikanischen Schriftsteller Tom Wolfe in seinem Roman Fegefeuer der Eitelkeiten als habgierige »Master of the Universe« porträtiert wurden und während der jüngsten Finanzkrise ihr Comeback erlebten. Ende 2007, noch vor dem Crash der Lehman Brothers im September 2008, aber schon in den Vorwehen des Debakels, bezog der frischgebackene Vorstandschef der Investmentbank Merrill Lynch John Tain sein neues Büro in New York, um es mit 1,2 Millionen Dollar zu renovieren: Er ließ unter anderem einen Teppich für 87.000 Dollar verlegen, Vorhänge für 28.000 Dollar aufhängen und Stühle für 87.000 Dollar aufstellen. Für sein privates Speisezimmer wurden ein Kronleuchter für 13.000 Dollar und ein Spiegel für 5.000 Dollar angeschafft (FAZ 29.1.2009). Noch auf dem Höhepunkt der Finanzkrise beharrten Manager auf Abfindungen und Boni in Millionenhöhe, während um sie herum die Wirtschaft in den Keller sackte und die Arbeitslosenquote nach oben schnellte. Diese finanziellen Exzesse, gepaart mit sozialem Autismus, haben zu einem gravierenden Reputationsverlust der Managerklasse und der Großunternehmen geführt, um deren Ansehen es schon vor der Wirtschaftskrise nicht gerade gut stand und die weiterhin am unteren Ende der öffentlichen Wertschätzung rangieren (GfK Studie 2008; Ethik Monitor 2009). Der Vertrauenseinbruch, vor allem im Finanzmilieu, ist enorm und hat seit 2008 mehr oder weniger die gesamte Wirtschaftselite erfasst, die nicht nur von Vertretern der Politik und der Medien durch den Vergleich mit Raubtieren oder Heuschrecken mit animalischer Geringschätzung bedacht, sondern von einer aufgebrachten Öffentlichkeit auf eine Stufe mit Kriminellen und Verbrechern gestellt wird. Die Figur des Unternehmers Das Ansehen des Unternehmers ist trotz solcher Kultfiguren wie Steve Jobs in arge Mitleidenschaft gezogen. Dies gilt vor allem dann, wenn man im hervorstechenden Typus nicht den Eigentümer- oder Familienunternehmer, sondern den Managerunternehmer sieht, der sich auf Kosten des Gemeinwohls bereichert und weder Regeln des persönlichen Anstands noch des öffentlichen Wohlverhaltens kennt. Zur Desavouierung des Managerunternehmers haben nicht nur immer wieder neue Korruptionsfälle, Steuer-hinterziehungen, Firmenpleiten und riskante Spekulationen an der Börse beigetragen. Ein ebenso wichtiger Faktor für diese Entwicklung dürften auch die exponentielle Zunahme der Vergütung und das Auseinanderklaffen der Lohnschere sein. Während die Nettolöhne in den Jahren zwischen 2005 und 2008 durchschnittlich um 3,5 Prozent gesunken sind (Horn u.a.: 7), stiegen die Unternehmensgewinne im Rekordjahr 2007 um 25 Prozent (Schwarz 2008: 202) und die Gehälter der deutschen Topmanager um 17,5 Prozent, womit Deutschland allerdings nur im europäischen Mittelfeld liegt (Kienbaum Studie 2008). Insgesamt sind von 1994 bis 2005 die Vorstandsbezüge in den deutschen DAX-30-Unternehmen um durchschnittlich 331 Prozent gewachsen, so dass ein Vorstandsmitglied im Jahr 2007 durchschnittlich das 52-fache eines Mitarbeiters verdient, während es fünf Jahre zuvor »nur« das 28-fache war (Schwalbach/Kliemt 2008: 650). Noch während der Finanzkrise sind die Vergütungspakete der Top-Führungskräfte trotz staatlicher Auflagen und öffentlicher Boni-Diskussionen aufgestockt geworden: In 2009 legten die Gehälter der Dax-Chefs um 7 Prozent auf eine durchschnittliche Jahresvergütung von 4 Millionen Euro zu (FAZ 31.3.2010), während die durchschnittlichen Bruttoverdienste aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland im Jahr 2009 um 0,4 Prozent auf rund 27.648 Euro gesunken gesunken sind (Statistisches Bundesamt 2010). Sicherlich sind dies Ausnahmegehälter, und natürlich sind nicht alle Manager schwarze Schafe. Gleichwohl hat die Finanz- und Wirtschaftskrise dazu beigetragen, dass das öffentliche Bild des Managerunternehmers weitere Risse erhalten hat und die Skepsis gegenüber dem Unternehmertum verstärkt wurde, die besonders im deutschen Kulturraum eine lange Tradition hat. Diese pejorative Meinung über das Unternehmertum in der deutschen und europäischen Kultur, soweit sie nicht angloamerikanisch und marktliberal geprägt ist, liegt vor allem dar…