

Beschreibung
Krähe ist kein lyrischer Frischling. Sein erster Auftritt fällt auf den Oktober 1970, als bei Faber & Faber Ted Hughes' Gedichtband Crow. From the Life and Songs of the Crow erscheint. Er habe mit Crow eine Sammlung von Liedern with no music, in a Super-si...Krähe ist kein lyrischer Frischling. Sein erster Auftritt fällt auf den Oktober 1970, als bei Faber & Faber Ted Hughes' Gedichtband Crow. From the Life and Songs of the Crow erscheint. Er habe mit Crow eine Sammlung von Liedern with no music, in a Super-simple and super-ugly language schreiben wollen, sagt Hughes und war durchaus erfolgreich damit. Crow ist in seiner Dunkelheit und seiner schwer erträglichen Gewalttätigkeit ein singuläres Ereignis in der Lyrikgeschichte, was durch die Übersetzung von Elmar Schenkel spätestens 1986 auch im deutschsprachigen Raum wahrgenommen werden konnte. Ich selbst habe das Buch ein Jahr später gelesen, war schockiert und schwer beeindruckt zugleich, und wusste, dass ich so etwas irgendwann auch einmal versuchen wollte. Bis dahin hat es nun fast vierzig Jahre gedauert und herausgekommen ist natürlich etwas ganz anderes. rückkehr von krähe ist ein langes Abenteuergedicht in 14 Abteilungen, und von Ted Hughes' ursprünglicher Konzeption hat eigentlich nur der Protagonist überlebt: Krähe, eine Figur, von der wir nach wie vor nicht wissen, wen wir da eigentlich vor uns haben: einen Vogel, einen Menschen (und falls ja: einen Mann oder eine Frau?), eine Trickster-Gestalt, einen Gott oder einen Teufel. Elmar Schenkel hat seinem Nachwort zur deutschen Ausgabe von Crow ein Zitat aus Franz Kafkas Zürauer Aphorismen vorangestellt, und gerne würde ich diese beiden Sätze auch für rückkehr von krähe in Anspruch nehmen: Die Krähen behaupten, eine einzige Krähe könnte den Himmel zerstören. Das ist zweifellos, beweist aber nichts gegen den Himmel, denn Himmel bedeutet eben: Unmöglichkeit von Krähen. Ulf Stolterfoht
Autorentext
Ulf Stolterfoht, geboren 1963 in Stuttgart, lebt als Lyriker und Übersetzer in Berlin. Seit 1986 Arbeit am auf neun Bände angelegten fachsprachen-Projekt. Zuletzt erschienen bei kookbooks "fachsprachen XLVILIV" (2021), "fachsprachen XXXVIIXLV" (2018) und "neu-jerusalem" (2015). Zahlreiche Auszeichnungen, etwa Ernst-Jandl-Preis 2025, Preis der Literaturhäuser 2016 und Peter Huchel- Preis 2008 für "holzrauch über heslach" (2007). Ulf Stolterfoht ist Knappe der Lyrikknappschaft Schöneberg, Mitglied des Impro-Kollektivs DAS WEIBCHEN sowie der Darmstädter und der Berliner Akademie.
Leseprobe
in der mitte der zu beschreibenden landschaft liegt eine ausgedehnte wüstenei. dort hat man der lyrik seit menschengedenken erfolgreich einen riegel vorgeschoben. von den kämmen der schwäbischen alb bis tief hinein in den thüringer wald erstreckt sich diese prosaische ödnis. hier wirst du (ich schwöre!) nicht eine rhythmisierte zeile finden. den begriff metrum kennt . man nur via benno von wiese. durch die düster-engen täler fließen wasser, die schwer sind von caesium, radium, blei. die ebenen aber sind weiß von salz und wer das salz berührt, dem bleiben noch höchstens zwei tage. über- wältigender eindruck von trostlosigkeit, fast wollen dich elend und unglück erdrücken. hier wohnt schon lange niemand mehr, doch manchmal ziehen . erstnationen durch: schwarzfüße, lederstrümpfe, rabenleute oder gepflockte nasen, in verfolgung von huhn, hahn und fasan. für ihre kühnheit büßten viele bitterlich. weiterhin schleicht kojote durchs gestrüpp, steht der bus- sard träge im pesthauch, den man hier luft zu nennen beliebt. der bär liegt höhlendunkel, das szepter aber gebühret einzig dem schwan. ansonsten regt . sich wenig zwischen latschenkiefer und toxischem wacholder. da mag man noch so sehr lauschen, nichts ist zu vernehmen, nur stille, grausam lastende stille. in ungefähr östlicher richtung schlängelt sich ein ausgetretner pfad, der heiße wind treibt steppenhexen vor sich her. seitlich des weges liegt etwas und schimmert vor sich hin. tritt näher und betrachte es genau! es sind knochen, . kleine und große, komplette schenkelgelenke darunter, die haben einst ochsen- menschen gedient, vielleicht auch rünstigen riesenwaranen. windungen des er- littenen hungers, die sich über hunderte meilen ziehen. am bildrand aber, auf ei- nem abgestorbenen baum, sitzt schwarz, gemein und ungeschlacht: jemand, der verdächtig nach krähe aussieht und lacht. und gar nicht mehr aufhört zu lachen.
