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Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
Demokratisierung soll in Gesellschaften, die gerade einen Bürgerkrieg überstanden haben, dauerhaften Frieden schaffen. Thorsten Gromes stellt die Stärken dieser Friedensstrategie heraus, zeigt aber auch, wie die Demokratisierung den innerstaatlichen Frieden gefährden kann. Diese Gefahren entstehen nicht nur durch den Übergang zu einem demokratischen System, sondern wohnen auch dem Wesen der Demokratie inne. Am Beispiel Bosnien und Herzegowina zeigt Thorsten Gromes, wie diese Gefahren gebannt werden können, und liefert eine Vielzahl praktischer Folgerungen für kommende Friedensmissionen.
Autorentext
Thorsten Gromes, Dr. phil., Diplom-Politologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Frankfurt.
Klappentext
Demokratisierung soll in Gesellschaften, die gerade einen Bürgerkrieg überstanden haben, dauerhaften Frieden schaffen. Thorsten Gromes stellt die Stärken dieser Friedensstrategie heraus, zeigt aber auch, wie die Demokratisierung den innerstaatlichen Frieden gefährden kann. Diese Gefahren entstehen nicht nur durch den Übergang zu einem demokratischen System, sondern wohnen auch dem Wesen der Demokratie inne. Am Beispiel Bosnien und Herzegowina zeigt Thorsten Gromes, wie diese Gefahren gebannt werden können, und liefert eine Vielzahl praktischer Folgerungen für kommende Friedensmissionen.
Leseprobe
Ethnisch gespaltene Nachbürgerkriegsgesellschaften stellen Strategien zur Regelung ethnischer Konflikte auf eine besondere Probe. Die skizzierten Varianten der Machtteilung wurden in erster Linie für Gesellschaften entworfen, in denen es zu keinem Krieg gekommen war. Auch macht es einen Unterschied, ob eine tiefgreifende Ethnisierung des politischen Systems in einer bestehenden Demokratie geschieht oder in einem Land, das erst noch einen großen Teil des Weges zur Demokratie bewältigen muss. Gesellschaften nach einem Bürgerkrieg bieten deshalb die Chance, die Funktionsbedingungen verschiedener Demokratievarianten zu erhellen. Als "Dilemma der Gleichzeitigkeit" beschrieb Claus Offe die schwierige Transformation der osteuropäischen Staaten nach 1989. Bei der Demokratisierung von Nachbürgerkriegsgesellschaften kann sich das Dilemma der Gleichzeitigkeit in besonderer Schärfe stellen. Hier gilt es erstens, den Übergang von der Autokratie zur Demokratie zu bewältigen, was in einigen Fällen den Wiederaufbau staatlicher Strukturen umfassen muss. Zweitens geben viele Friedensabkommen den Aufbau einer Marktwirtschaft vor. Drittens soll eine Transformation hin zu einem stabilen Frieden erfolgen. Während viele Gesellschaften zumindest die ersten beiden Aufgaben nacheinander und zum Teil über viele Jahrzehnte oder Jahrhunderte bewältigten, verlangen Friedensabkommen von Nachbürgerkriegsgesellschaften diese Prozesse um des lieben Friedens willen zugleich und im Zeitraffer zu durchlaufen. "Civil war and political fractionalization make a transition to democracy particularly difficult", meinte Juan Linz. Folgt man maßgeblichen Arbeiten der Demokratisierungsforschung, erscheint das Vorhaben, ethnisch gespaltene Nachbürgerkriegsgesellschaften zu demokratisieren, nicht nur als schwierig, sondern zum Scheitern verurteilt. Dankwart Rustow hielt die nationale Einheit für die einzige Hintergrundbedingung der Demokratie. Die große Mehrheit der Bevölkerung dürfe keine Zweifel oder Vorbehalte gegen die politische Gemeinschaft besitzen, zur der sie gehören solle. Auch Dirk Berg-Schlosser skizzierte einen bestehenden Staat und eine fortgeschrittene Nationsbildung der Demokratisierung als vorausgesetzt. In vielen ethnischen Kriegen geht es gerade um die Frage eines gemeinsamen Staates. Die Akzeptanz eines die früheren Kriegsparteien umfassenden Gemeinwesens bleibt in solchen Nachkriegsgesellschaften bestenfalls prekär, wenn sie nicht völlig fehlt. Laurence Whitehead meint allerdings, die Konfliktparteien würden vielleicht erst bei einer vorgesehenen Demokratisierung den gemeinsamen Staat und dessen Zwangsapparate hinnehmen, was die Probleme der Staatsbildung löse. Er begreift die Gleichzeitigkeit weniger als Dilemma denn als Lösung. "Kein Staat, keine Demokratie", behaupten große Teile der Demokratieforschung. Für ethnisch gespaltene Nachbürgerkriegsgesellschaften lautet die Formel möglicherweise: keine Demokratie, kein Staat. Angesichts der als schlecht eingestuften Ausgangslage der Demokratisierung in ethnisch gespaltenen Nachbürgerkriegsgesellschaften kommt der Frage nach dem Potenzial der Demokratisierungshilfe durch externe Akteure ein besonderes Gewicht zu. Die Demokratisierung im Rahmen von Friedensmissionen stellt eine Unterkategorie der Demokratieförderung und Demokratisierungshilfe dar. Doch selbst über die Demokratisierungshilfe in einfacheren Kontexten folgerte Thomas Carothers: "The effects of democracy programs are usually modestly positive, sometimes negligible, and occasionally negative." Die Demokratisierungshilfe besitze einen bestenfalls zweitrangigen Einfluss, aber keinen entscheidenden Effekt auf die maßgeblichen Erfolgschancen der Demokratisierung, die Größen umfassten wie den Charakter der politischen Kräfte, die Präsenz mächtiger antidemokratischer Akteure, die Konzentration wirtschaftlicher Macht oder das Bildungs- und Wohlstandsniveau. In ethnisch gespaltenen Nachbürgerkriegsgesellschaften erscheinen die Ausgangsbedingungen für den Aufbau einer Demokratie insgesamt ungünstig und die Erfolgschancen der Demokratisierungshilfe schlecht. Hier käme ein gelingender Aufbau der Demokratie einem Wunder der Demokratisierung gleich, um ein Bild von Adam Przeworski zu variieren.
Inhalt
Danksagung Einleitung 1. Entfaltung der zu untersuchenden Frage 2. Die Frage im Kontext von Theorien ethnischer Konflikte und der Demokratisierung 3. Ziel und Vorgehen Theorieteil Die Demokratisierung und das Ziel eines sich selbst tragenden Friedens 1. Definition von Friedenskonsolidierung, Demokratie und Demokratisierung 2. Die Rolle der Demokratisierung innerhalb der Friedenskonsolidierung 3. Friedenserhaltung als Erfolgsgrundlage der Demokratisierung 4. Der Kontext der Friedenskonsolidierung 5. Zur Evaluation der Friedenskonsolidierung Demokratie als Ursache innerstaatlichen Friedens 1. Der Platz der Demokratie in Friedenstheorien 2. Die Leistungen der Demokratie für den innerstaatlichen Frieden Gefahren und Gefährdungen der Demokratisierung nach Bürgerkriegen 1. Gefahren durch demokratische Freiheiten 2. Gefahren des demokratischen Wettbewerbs 3. Gefahren der Exklusion durch demokratische Verfahren 4. Schwache Institutionen der Konfliktregulierung in Nachbürgerkriegsgesellschaften 5. Fazit: Das Wunder der Demokratie nach einem Bürgerkrieg Optionen für ethnisch gespaltene Nachbürgerkriegsgesellschaften 1. Optionen jenseits einer gemeinsamen Demokratie 2. Optionen im Rahmen einer gemeinsamen Demokratie 3. Fazit: Geschützter Aufbau einer Demokratie mit Machtteilung Empirischer Teil: Die Demokratisierung von Bosnien und Herzegowina nach dem Friedensschluss von Dayton Ziel und Vorgehen der Fallstudie Der Krieg in der Republik Bosnien und Herzegowina und das Friedensabkommen von Dayton 1. Die Konfliktparteien und ihre Ziele 2. Das Friedensabkommen von Washington 3. Das Zustandekommen des Friedensschlusses in Dayton 4. Das Abkommen von Dayton 5. Das neue politische System von Bosnien und Herzegowina Die Ausgangslage der Demokratisierung 1. Die Erfolgschancen der Friedenskonsolidierung 2. Der Stand der Demokratie nach dem Kriegsende 1995 bis 1997: Von der Instant Democracy zum Semi-Protektorat 1. Die Anfänge der Demokratisierungspolitik 2. Die ersten Nachkriegswahlen im September 1996 3. Die Arbeit der gemeinsamen Institutionen 4. Die Politik der externen Akteure im Wandel 5. Die Wahlen 1997 6. Bonn Powers - ein Semi-Protektorat entsteht 1998 bis Anfang 2001: Demo…
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