Tiefpreis
CHF33.50
Auslieferung erfolgt in der Regel innert 1 bis 2 Wochen.
Kein Rückgaberecht!
Schriften des Zentrums für Sozialpolitik, Bremen
Die Reformpolitik der letzten Jahre hat dazu geführt, dass Sozialpolitik häufig mit Sozialabbau gleichgesetzt wird. Sonja Wrobel untersucht am Beispiel von Rentenreformen in Deutschland und Frankreich, wie politische Akteure ihre häufig unpopuläre Politik gegenüber der Öffentlichkeit legitimieren. Dabei zeigt sich, dass Reforminhalte und -begründungen nicht immer eng aufeinander bezogen sind.
Vorwort
Schriften des Zentrums für Sozialpolitik, Bremen
Autorentext
Dr. Sonja Wrobel ist Referentin in der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates in Köln.
Leseprobe
Das Legitimationsgeschehen Das Rentenreformgesetz 1999 Kritik aus der Öffentlichkeit Die erste öffentliche Präsentation des Entwurfes für das Rentenreformgesetz 1999 erfolgte Ende Januar 1997 durch eine von der damaligen Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP eingesetzte Expertenkommission. Im Anschluss an diese Präsentation begann ein parteiinterner Beratungsprozess der christlichen Parteien, an den sich koalitionsinterne Gespräche mit der FDP anschlossen, die bis einschließlich April 1998 andauerten. Bereits während der partei- und koalitionsinternen Beratungen wurden zudem Verhandlungen mit der oppositionellen SPD aufgenommen, die jedoch Anfang Mai ein vorläufiges Ende fanden, als eine von der SPD eingesetzte Rentenreformkommission ihren eigenen Rentenreformentwurf vorstellte, der sich in zentralen Punkten von dem Regierungsentwurf unterschied. Damit rückte eine Einigung zwischen den großen Parteien in weite Ferne, was zur Folge hatte, dass erstmals seit 1957 eine Rentenreform auf den Weg gebracht wurde, für die kein parteiübergreifender Konsens zwischen den beiden großen Volksparteien bestand. Die erste Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag fand am 27. Juni 1997 statt. Um die Reform zügig verabschieden zu können, wurden die parlamentarischen Anhörungen noch im Juli während der alljährlichen Sommerpause durchgeführt. Da sich zwischen CDU/CSU und SPD nach wie vor keine Einigung abzeichnete, beschloss die Regierungskoalition im September die Spaltung des Gesetzesvorhabens in einen zustimmungspflichtigen Teil (die Finanzreform) und einen nicht zustimmungspflichtigen Teil (die Strukturreform). Auf diese Weise wurde es für die Regierung möglich, einen zentralen Bestandteil der Reform ohne Zustimmung des Bundesrates zu verabschieden. Die Strukturmaßnahmen sahen die Absenkung des Mindestrentenniveaus von 70 Prozent auf 64 Prozent des durchschnittlichen Nettolohnes sowie die Einführung des demographischen Faktors vor. Die Finanzreform beinhaltete die Absenkung der Beitragssätze durch eine Anhebung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt. Diese Spaltung des Gesetzesvorhabens kam auch der SPD-Führung entgegen, die die Strukturmaßnahmen der Reform nicht mittragen wollte, der Verabschiedung des Finanzierungsteiles der Reform jedoch offener gegenüber stand. Die Strukturreform wurde in zweiter und dritter Lesung am 10. Oktober 1997 mit den Stimmen der Regierungsmehrheit gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Das am gleichen Tag in erster Lesung eingebrachte Finanzierungsgesetz wurde in zweiter und dritter Lesung am 30. Oktober ebenfalls mit den Stimmen der Regierungsmehrheit verabschiedet. Nach der Ablehnung des Finanzierungsgesetzes durch den Bundesrat, in dem die Regierungsparteien keine Mehrheit besaßen, wurde ein Vermittlungsverfahren zwischen Bundesrat und Bundestag einberufen. Unter der Bedingung, dass die Strukturreform und die Senkung der Beitragssätze nicht in inhaltlichen Zusammenhang gestellt wurden, hat die oppositionelle SPD der Finanzreform schließlich zugestimmt, wodurch ihre Verabschiedung möglich wurde. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses wurde am 11. Dezember vom Bundestag und am 19. Dezember 1997 vom Bundesrat angenommen. In Abbildung 7 ist dargestellt, wie sich die Anzahl der Äußerungen zur Rentenreform (der Legitimationsaufwand) in den untersuchten Zeitungsartikeln entwickelt hat. Es zeigt sich, dass die Entwicklung zu Beginn auf hohem Niveau einsetzte, nach dem zweiten Monat stark abfiel und ab Monat 5 wellenförmig verlief. Die größte Zahl an Äußerungen ergab sich während der Präsentation des Vorhabens (Monate 1 und 2), vor der abschließenden Lesung im Bundestag (Monat 9) und im Zeitraum des Vermittlungsverfahrens (Monat 11). Demgegenüber wurde die Reform während der parlamentarischen Sommerpause nach den Anhörungen (Monat 8) sowie in den Monaten des Beschlusses der beiden Reformelemente (Monate 10 und 12) am wenigsten häufig thematisiert. Wenn wir das Verhältnis legitimierender und delegitimierender Äußerungen betrachten, wird deutlich, dass der Legitimationsverlauf mehrheitlich (zu ca. 60 Prozent) kritisch geprägt war. Zwar nahm der anfänglich niedrige Anteil legitimierender Äußerungen im Untersuchungsverlauf zu; dennoch überwogen die unterstützenden Aussagen nur in drei Monaten (Monate 8, 10 und 12), während sich in allen übrigen Monaten ein klares Übergewicht delegitimierender Aussagen zeigte. Auffallend ist, dass der Anteil positiver Äußerungen in solchen Monaten besonders hoch ausfiel, in denen insgesamt am wenigsten über die Rentenreform geschrieben wurde (zum Beispiel während der parlamentarischen Sommerpause). Daraus lässt sich schließen, dass dieser hohe Anteil positiver Aussagen nicht auf das aktive Werben um Legitimation, sondern vielmehr auf das Ausbleiben von Kritik seitens der Reformgegner zurückzuführen ist. Denn umgekehrt waren die Monate mit hohem Legitimationsaufwand durch ein klares Übergewicht kritischer Äußerungen geprägt. Insgesamt war also der Legitimationsverlauf zur Rentenreform 1999 an den entscheidenden Zeitpunkten des Gesetzgebungsprozesses von einem verstärkten Bemühen um Delegitimierung des Vorhabens geprägt. Betrachten wir nun, in welchem Umfang sich die Akteursgruppen über die Reform geäußert haben (Abbildung 8), so zeigt sich, dass mehr als die Hälfte aller Aussagen von Mitgliedern der Regierungsparteien stammte. Zugleich war dies die einzige Gruppe, die sich häufiger positiv als negativ zu dem Vorhaben äußerte - obwohl der Anteil kritischer Aussagen in dieser Gruppe überraschend hoch ausfiel. Die zweithöchste Zahl an Äußerungen kam von Mitgliedern der Oppositionsparteien (21 Prozent), gefolgt von Vertretern der Meinungsgruppe (12 Prozent), Interessenvertretern (11 Prozent) sowie Vertretern der staatlichen Institutionen (2 Prozent). Mit Ausnahme der Regierungsparteien äußerten sich alle Akteursgruppen überwiegend kritisch, wobei sich der Anteil der Kritik zwischen 70 (Interessenvertreter) und 85 Prozent (Staatliche Institutionen) der Codes bewegte. Analog zu dieser Abstufung im Legitimationsaufwand der fünf Akteursgruppen ist auch die nachfolgende Darstellung der Akteurspositionen strukturiert, die sich zunächst mit den Mitgliedern der Regierungsparteien befasst. Abbildung 9 zeigt, wie sich der Legitimationsaufwand und das Verhältnis der Legitimationsmodi in den Äußerungen der beiden Regierungsparteien CDU/CSU und FDP während des Untersuchungszeitraums entwickelt haben. Die größte Zahl an Äußerungen der Regierungsparteien fiel auf die beiden ersten Monate sowie auf die Zeitpunkte, die der zweiten und dritten Lesung im Bundestag sowie dem Abschluss des Vermittlungsverfahrens vorausgingen (Monate 9 und 11). Der Legitimationsaufwand der Regierungsparteien ging vor allem auf die Unionsparteien als dem großen Koalitionspartner zurück. Vertreter des kleineren Partners FDP äußerten sich in erster Linie während der Präsentation des Vorhabens im Januar sowie im April, in dessen Verlauf die Ausgestaltung der geplanten Reform zwischen den beiden Koalitionsparteien verhandelt wurde. Die Abbildung zeigt darüber hinaus den überwiegend positiv-unterstützenden Charakter der Äußerungen. Dennoch, und dies ist ein überraschender Befund, lag der Anteil der Delegitimierung in dieser Gruppe bei über 40 Prozent. Eine besonders hohe Zahl kritischer Äußerungen (>50 Prozent) …
Tief- preis