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Arbeit - Interessen - Partizipation
Mit dem Abschluss von Internationalen Rahmenvereinbarungen verpflichten sich Unternehmen, Arbeitnehmerrechte weltweit zu gewährleisten. Doch wie sieht die Umsetzung in der Praxis aus? Werden die Versprechen eingehalten und welche Faktoren sind für eine erfolgreiche Umsetzung notwendig? Anhand ihrer Untersuchung deutscher Unternehmen der Automobilindustrie in Mexiko zeigt Siglinde Hessler auf, dass vor allem die internationale Vernetzung von Akteuren und die erfolgreiche Mobilisierung öffentlicher Erwartungen entscheidend sind.
Autorentext
Siglinde Hessler, Dr. rer. soc., ist im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Gemeinsamen Arbeitsstelle Ruhr-Universität Bochum/IG Metall tätig und lehrt an der Universität Hamburg.
Leseprobe
Während die Instrumente zur Durchsetzung der Normen dabei ebenso vielfältig wie umstritten sind, besteht weitreichender Konsens über die zu implementierenden Arbeitsstandards und die Notwendigkeit eines grundlegenden Schutzes von Arbeitnehmerrechten weltweit. Trotz zum Teil gegenläufiger Meinungen vor allem aus dem wirtschaftsliberalen Lager hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass Mindestarbeitsstandards die Voraussetzung für eine weltweit ökonomisch, sozial und politisch gerechte und fortschrittliche Entwicklung sind (vgl. zur Debatte sowie zur Begründung der Notwendigkeit von Arbeitsstandards etwa Sengenberger 2002). Eine wichtige Rolle kommt in diesem Zusammenhang der ILO zu, indem sie die grundlegenden Arbeitsstandards definiert und in einen verbindlichen Rahmen einbettet. Insbesondere die ILO-Kernarbeitsnormen, die sich auf Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen, die Beseitigung von Zwangsarbeit, die Abschaffung von Kinderarbeit und das Verbot von Diskriminierung beziehen, setzen für alle UN-Mitgliedsstaaten grundlegende und verbindliche Regeln fest, unabhängig von der Ratifizierung durch die einzelnen Staaten. Die hier untersuchten Internationalen Rahmenvereinbarungen (IRV) beziehen sich auf diese Kernarbeitsnormen und stellen einen relativ neuen Ansatz zur Regulierung von Arbeit und Beschäftigung auf internationaler Ebene dar. Erst seit Ende der 1990er Jahre werden IRV abgeschlossen. Bei diesen handelt es sich um Abkommen zwischen den Internationalen Gewerkschaftsverbänden (Global Union Federations, GUF), internationalen Unternehmen und meist auch betrieblichen Arbeitnehmervertretungsorganen - in der Regel dem EBR oder dem WBR -, die Mindestarbeitsstandards für das entsprechende Unternehmen festschreiben. Dabei gelten die Standards aber in der Regel nicht nur für das Unternehmen und seine Niederlassungen, sondern auch für die Zulieferer, die bei der Anwendung der Abkommen unterstützt werden sollen. Neben den ILO-Kernarbeitsnormen enthalten IRV meist Angaben zu Höchstarbeitszeiten, Mindestvergütung sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz. Im Rahmen einer internationalen Erwerbsregulierung stellen die IRV eine innovative Weiterentwicklung der bisherigen Ansätze dar. Innerhalb der Forschungsgemeinschaft wird vor allem das Potenzial der IRV, das in einem institutionalisierten Dialog zwischen Unternehmen und GUF, der angestrebten Anwendung auf Zulieferbetriebe sowie der Bezugnahme auf die ILO-Normen gesehen wird, positiv bewertet (vgl. Kapitel 1, Teil I und 2.4, Teil I). Trotz dieser positiven Bewertung stehen eine empirische Untersuchung der Umsetzung der IRV in den verschiedenen lokalen Kontexten und damit die Überprüfung ihrer Umsetzungschancen noch weitgehend aus (vgl. zum Forschungsstand Kapitel 1, Teil I). Auf gewerkschaftlicher Seite finden zwar Strategiediskussionen bezüglich der IRV statt, in denen durchaus auch kritische Stimmen Platz haben, diese werden aber kaum durch aussagekräftige empirische Daten untermauert. Zu kurz war bislang die Dauer des Implementationsprozesses und zu gering waren die Kontakte zu den einzelnen Produktionsstätten in den entsprechenden Ländern. Die vorliegende Studie will helfen, diese Forschungslücke zu schließen. In vier internationalen Konzernen der Automobilindustrie wird überprüft, wie diese Unternehmen die IRV in Mexiko umsetzen und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Die untersuchten Konzerne - zwei Automobilhersteller und zwei große Zulieferbetriebe - haben alle zu einem recht frühen Zeitpunkt eine IRV abgeschlossen und verfügen über mindestens einen Standort in Mexiko. Die gewerkschaftliche Vertretung der Mitarbeiter in den betroffenen Metallunternehmen in Deutschland besteht in allen Fällen aus der IG Metall; auf internationaler Ebene ist der Internationale Metallgewerkschaftsbund (IMB) zuständig. Mit dem IMB wird die Politik einer GUF untersucht, die den Abschluss neuer IRV in ihrem Einflussbereich bereits zu einem frühen Zeitpunkt gefördert hat (vgl. Kapitel 2.4, Teil I). Mit Mexiko als Umsetzungskontext wurde ein Land ausgewählt, das aufgrund seiner Umbruchsituation seit Ende der rund 70-jährigen faktischen Einparteienherrschaft durch die Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) im Jahr 2000 eine spannende politische und gesellschaftliche Entwicklung durchlebt. Parallel zur politischen fand eine wirtschaftliche Öffnung statt. Während Mexiko sich bis in die 1980er Jahre ökonomisch weitgehend von der Weltwirtschaft abgeschottet hatte, ist das Land inzwischen stark in den Welthandel integriert. So ist die nach Brasilien zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas seit 1994 Mitglied der OECD und durch ein System von Freihandelsabkommen mit zahlreichen Ländern und Staatengemeinschaften - insbesondere den USA, Kanada, Japan und der EU - vernetzt, wobei die USA den mit Abstand wichtigsten Handelspartner darstellen. Zahlreiche internationale Konzerne unterhalten Produktionsstandorte in Mexiko, in denen insbesondere für den US-amerikanischen Markt produziert wird. Die politische und wirtschaftliche Öffnung Mexikos hat erheblich dazu beigetragen, dass es auch im Bereich von Arbeit und Erwerbsregulierung zu deutlichen Verschiebungen kam. So haben sich nicht nur die Arbeitsbedingungen vieler Arbeitnehmer verändert, sondern es haben sich auch die Rollen von Staat, Gewerkschaften und Unternehmen im System der Erwerbsregulierung in großem Maße gewandelt (vgl. Kapitel 1, Teil II). Beschäftigungsverhältnisse wurden flexibilisiert, Unternehmen privatisiert und wirtschaftliche Entwicklungen dereguliert. Diese tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen machen Mexiko zu einem interessanten Feld für die Untersuchung der Umsetzung der IRV. Die Studie wird von zwei sich ergänzenden Forschungsfragen geleitet: 1. Die erste Frage bezieht sich auf die Wirkungsmächtigkeit der IRV: Wie werden die IRV in Mexiko umgesetzt, welche Faktoren spielen dabei eine Rolle und was resultiert aus ihrer Umsetzung? Findet eine tatsächliche Umsetzung der IRV statt oder wird vielmehr eine Strategie des window dressing, also eine allein auf Außenwirkung bedachte und letztlich inhaltsleere PR-Strategie, angewandt? Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass die nationalen settings eine große Bedeutung für den Verlauf und den Erfolg der Umsetzung der IRV haben (vgl. Kapitel 1, Teil I). In der vorliegenden Arbeit soll auf diese settings vor Ort und ihre Bedeutung für die Umsetzung der IRV fokussiert werden. Dabei wird der Grundannahme des soziologischen Neoinstitutionalismus gefolgt, der davon ausgeht, dass Organisationen institutionalisierte Elemente, also Handlungsmodelle, Strukturen, Technologien oder andere Organisationselemente, oft nicht aus Gründen der Effizienzsteigerung, sondern zur Legitimation gegenüber anderen Organisationen übernehmen. Dementsprechend wird angenommen, dass die offen oder indirekt geäußerten Ansprüche von Gewerkschaften und Betriebsräten, von anderen Profit- oder Non-Profit-Organisationen sowie von Kunden und Ratingagenturen den Abschluss und die Umsetzung von IRV durch die Unternehmen fördern. Es soll deshalb untersucht werden, welche Erwartungen seitens der relevanten Org…
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