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Nachhaltigkeit hat Konjunktur. Die Entstehung dieses inhaltlich umstrittenen Begriffs ist eng mit der Geschichte der Wälder verbunden. Richard Hölzl zeigt, wie aufgeklärte Gelehrte nach 1750 eine ökologische Waldreform und eine neue Politik nachhaltiger Ressourcennutzung entwickelten. Er erzählt von Bauern und Richtern, von Förstern und Frevlern, die darum kämpften, ob und wie der neue Wald entstehen sollte. In einer einzigartigen Verbindung von Umwelt- und Wissensgeschichte, von Kriminalitäts-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte wird hier die Geschichte des Waldes neu geschrieben.
»Gerade anhand der zahlreichen Beispiele auf der Mikroebene vermittelt Richard Hölzl ein komplexes und differenziertes Bild und zeigt anschaulich, dass der Kampf um Forstrechte ein Aushandlungsprozess war, in dem die Untertanen als Akteure eine wesentliche Rolle spielten. So besticht die Arbeit durch klare Argumentationslinien, einen logischen nachvollziehbaren Aufbau und eine gründliche, quellenbasierte Recherche«. Karl-Peter Krauss, H-Soz-Kult, 14.12.2010 »Hölzls Buch schlägt erhellende Schneisen und bietet reichhaltigen Entdeckungen eben wie ein guter Wald, der nicht in Holz und Gemüt zerfällt, es ja soll.« Freitag, 21.08.2010 »Richard Hölzl ist es gelungen, die dichte Beschreibung eines Kampfes um den deutschen Wald in den Jahrzehnten zwischen Aufklärung und Nachmärz zu präsentieren. Das Besondere des Buches besteht dabei in der Anschaulichkiet und Konkretheit.« Kommune, 01.10.2010 »Das Werk ist eine erfolgreiche Verbindung begriffsgeschichtlicher, sozialgeschichtlicher und umweltgeschichtlicher Anschauungsweisen - ein nachhaltiger Beitrag zur historischen Forschung.« Historische Zeitschrift, 01.02.2011 »Hölzl bereichert die Geschichte des Waldes um eine sehr wertvolle kulturhistorische Arbeit.« Werkstatt Geschichte, 01.09.2011
Autorentext
Richard Hölzl, PD Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Provenienzforscher am Museum Fünf Kontinente in München.
Leseprobe
Einleitung: Der Philosoph und die Bauern von Blachendorf Die Bauern von Blachendorf waren nicht einverstanden. Das war eines der größeren Probleme für das Vorhaben des Philosophen Franz von Baader (1765-1841). Als der bayerische Oberbergrat 1803 bei Kurfürst Max IV. Joseph und dessen erstem Minister Maximilian Graf Montgelas die Genehmigung einer neuen Glashütte im Bayerischen Wald beantragte, war ihm nicht klar, dass er der Zustimmung der Bauern überhaupt bedurfte. Immerhin war sein Projekt eine Pionierleistung, die dem Land und dem Gemeinwohl große Vorteile versprach. Baader hatte ein neues Verfahren zur Glasherstellung entwickelt, bei dem große Teile der normalerweise nötigen Pottasche durch Glaubersalz ersetzt wurden. Die neue Technologie versprach eine fünfzigprozentige Holzersparnis bei guter Glasqualität - zu einer Zeit, in der akuter Holzmangel in greifbare Nähe gerückt zu sein schien. Als Standort für seine Glashütte wählte Baader den "Lamer Winkel". In dieser abgelegenen Gegend im Bayerischen Wald, an der böhmischen Grenze, erwartete sich der Neuunternehmer genügend Holzreserven, um sein Vorhaben ausführen zu können. Die Glashütte Lambach sollte aus zwei im Staatsbesitz befindlichen Wäldern, dem Lamer und dem Blachendorfer Wald, versorgt werden. Baader wollte sie aufkaufen und führte gute Gründe an: Der "bisherige reine Ertrag" dieser Wälder sei "beinahe für nichts zu rechnen". Die "materia ligni [habe] einen wirklich so niedrigen Werth [], daß es wohl kein Wunder ist, wenn eine theils werthlose, theils herrenlose Sache so schlecht verwaltet ist, und die öffentlichen Waldungen dieser Gegend statt kultivirt, nur immer mehr devastirt worden sind." Der "Vieheintrieb, Mangel an Säuberung und besonders der mit dem Preise der Pottasche nur frecherwerdende, holzvertilgende Aschenbrand" hätten die Wälder schlimm zugerichtet. Diese "Verödung" sei umso nachteiliger, als der Mittelgebirgsboden nur für Wald geeignet sei. Baader versprach hingegen den Wald "nachhaltig" und nach allen Regeln der aufgeklärten Forstwirtschaft zu nutzen. Es liege ja in seinem "eigenen Interesse", dass das Holz "jährlich geschlagen und jährlich nachgezogen" werde. Dass die Wälder zur "Holzzucht kultivirt, und daß die Glaubersalzfabrication eingeführt" werde, sei schließlich im Interesse des Gemeinwohls. Noch im selben Monat, im Januar 1805, genehmigte Graf Montgelas Baaders Kaufgesuch. Allerdings sollten die Waldflächen genau vermessen und die Ansprüche der lokalen Bevölkerung ermittelt werden. Hier begannen die Probleme für Baader. Als hoher Beamter, der im wichtigsten Reformgremium der Münchner Zentralregierung, der General-Landesdirektion, für Bergbau zuständig war, als außerordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, als anerkannter Chemiker, Arzt und Spross einer bekannten Münchner Gelehrtenfamilie konnte Baader auf das Wohlwollen des Kurfürsten zählen. Dieser war auch sofort bereit, ihm die gewünschten Wälder billig zu überlassen und die gesetzlich vorgeschriebene öffentliche Ausschreibung bzw. Versteigerung zu umgehen. Das eigentliche Hindernis waren die Blachendorfer Bauern. Wie sich schnell herausstellte, beanspruchten sie im Blachendorfer Wald das Recht, ihr Vieh zu weiden. Baader war der Meinung, "die wenigen Bauern im Dorfe Blachendorf, welche ein Weiderecht in diesem Wald behaupten", wären leicht "zu entschädigen". Die Blachendorfer schlugen jedoch, wie die zuständige Behörde berichtete, "alle dießfallsige Ausgleichung" aus. Baader konnte den Blachendorfer Wald nicht in Besitz nehmen. Auf seine vielfachen Beschwerden hin stellte der König im Sommer 1807 klar, dass der Blachendorfer Wald nicht übergeben werden dürfe. Die Gemeinde Blachendorf habe ein "im Jahre 1665 vererbrechtetes Weiderecht", und solange sie "allen gütlichen Abfindungs-Verhandlungen sich entgegensetze", könne der betreffende Wald nicht verkauft werden. Am Rechtsanspruch der Bauern gab es nichts zu deuteln. Noch dazu wurden sie von den Gerichts- und Forstbeamten vor Ort in ihrer Argumentation unterstützt, "ohne den fortdauernden Genuß der Weidenschaft in jenem gebirgigten waldreichen Lokal sich nicht in ihrem Wohlstande erhalten" zu können. Dagegen halfen auch immer neue Promemoria und Beschwerden Baaders in München nicht. Kurz, die Blachendorfer beharrten auf ihrem Weiderecht und Baader errichtete unterdessen seine Glashütte. Er nutzte das Holz im Blachendorfer Wald nun ohne offizielle Genehmigung und produzierte noch dazu auf herkömmliche Weise Glas, ohne "ein Loth Glaubersalz" einzusetzen, wie die für das Forstwesen zuständigen Beamten der Generallandesdirektion berichteten. Er weigerte sich den Kaufpreis für den Lamer Wald zu bezahlen, solange er nicht im Besitz des Blachendorfer Waldes war. Im Jahr 1812 entschied der König, Baader den Wald samt den Weiderechten der Blachendorfer zu verkaufen und den Kaufpreis entsprechend zu reduzieren. Zunächst schienen Baader und die Behörden also eine Kompromisslösung gefunden zu haben. Im Jahr 1816 jedoch erreichte die Münchner Zentralverwaltung die Nachricht, Baader habe beide Wälder an einen Nürnberger Gläubiger verpfändet. Da er immer noch keinerlei Zahlungen geleistet hatte, wurde die Rücknahme des Blachendorfer Waldes in Staatsbesitz angeordnet. Besonders das Weiderecht der Blachendorfer Bauern machte den Münchner Beamten Sorgen: "Nachdem aber [Baader] sich nicht entblödet, selbst die allerhöchste Gnade zur Quelle von Prozessen machen zu wollen", sei zu erwarten, dass "es über diese Servitut mancherlei Anstände geben, und das Aerar in neue Prozesse verwickelt werde, da es die Gemeinde Blachendorf wegen dieses vererbrechteten Weiderechts auf jeden Fall zu vertreten hat". Nach über zehnjährigem Hin und Her war der Blachendorfer Wald wieder im Staatsbesitz gelandet…