Tiefpreis
CHF41.50
Auslieferung erfolgt in der Regel innert 2 bis 4 Werktagen.
Glänzend geschrieben und sorgfältig recherchiert: Die dramatische Geschichte eines Ausnahmepolitikers
Willy Brandt polarisierte die Deutschen wie kaum ein anderer Politiker geliebt und verehrt, zum Idol erhoben von den einen; gehasst, verleumdet und gejagt von den anderen. Es gibt keinen Kanzler, dessen Regierungszeit so voller Dramen war vom missglückten Kanzlersturz über den folgenden Wahltriumph bis hin zum Spion, der sich als sein Gehilfe tarnte. Willy Brandt war ein Held mit Schwächen und gerade darin wurzelte ein großer Teil seiner Popularität. Seine Verdienste als Staatsmann sind heute unbestritten, sein Charisma als sozialdemokratischer Hoffnungsträger bleibt unerreicht. In seiner großen und mit dem Deutschen Bücherpreis prämierten Biographie zeichnet Peter Merseburger die Wandlungen und Entwicklungen dieser sozialdemokratischen Jahrhundertgestalt nach: die prägende Jugend in Lübeck, die Jahre der Emigration, die politische Reifezeit als Regierender Bürgermeister von Berlin, seine Zeit als Bundeskanzler und sein späteres Wirken in der Sozialistischen Internationale.
»Merseburgers Biographie ist das beste Buch, das jemals über Willy Brandt geschrieben worden ist.«
Autorentext
Peter Merseburger (1928-2022) war Journalist bei verschiedenen Tageszeitungen, 1960 bis 1965 Redakteur und Korrespondent beim SPIEGEL, moderierte ab 1967 »Panorama«, wurde 1969 TV-Chefredakteur des NDR und leitete danach die ARD-Studios in Washington, London und Ost-Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter der Longseller »Mythos Weimar. Zwischen Geist und Macht«. Seine Biographie Willy Brandts wurde 2003 mit dem Deutschen Bücherpreis ausgezeichnet. Zuletzt erschien seine Autobiographie »Aufbruch ins Ungewisse. Erinnerungen eines politischen Zeitgenossen« (2021).
Klappentext
Die dramatische Geschichte eines Ausnahmepolitikers.
Er war ein Mann der vielen Stationen und Gesichter: Linkssozialist und Revolutionär, Kalter Krieger und Frontstadtkommandant, Kanzler der Ostpolitik und der Versöhnung. Willy Brandt polarisierte die politischen Lager wie kein zweiter - geliebt und verehrt, zum Idol erhoben von den einen; gehaßt, verleumdet und gejagt von den anderen. Dabei zählte er gleichzeitig zu den wenigen, die in der Politik moralische Maßstäbe gesetzt haben. Sein persönliches Schicksal ist auf einzigartige Weise mit der politischen Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert verbunden. Peter Merseburger beschreibt Brandts Jugend in Lübeck, das Exil in Skandinavien und den politischen Aufstieg nach 1945. Anschaulich und mit analytischem Scharfsinn zeichnet er das wechselvolle Leben dieser sozialdemokratischen Jahrhundertgestalt nach.
Leseprobe
Vorwort
Gegen Ende seines Lebens stand seine persönliche und politische Autorität beinahe über den Parteien, auch die einstigen Gegner zollten seiner politischen Leistung Bewunderung und Respekt. Die Nation ehrte den großen Verstorbenen mit einem Staatsakt, wie es ihn im Reichstag zu Berlin zuvor nur für Walter Rathenau und Gustav Stresemann gegeben hatte. Und doch sollte kein noch so großer Abschied mit Trommelwirbel und militärischem Zeremoniell vergessen machen, wie sehr dieser Willy Brandt als deutscher Kanzler und Parteiführer umstritten war. Adenauer haben die Deutschen respektiert, Willy Brandt aber polarisierte wie kein anderer Politiker, ausgenommen vielleicht Franz Josef Strauß. Er wurde gehaßt, aber auch geliebt schon um seiner Schwächen willen, die ihn den Menschen näherrückten.
Mit keinem Namen der Nachkriegszeit ist soviel Hoffnung auf moralische Erneuerung der Politik, auf mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit verbunden wie mit dem Willy Brandts. Er war Idol und Hoffnungsträger der deutschen Linken bis tief in das aufgeklärte Bürgertum hinein, und er hat die Generation der Achtundsechziger mit ihrem Land versöhnt. Doch wie kein anderer wurde er von der deutschen Rechten gnadenlos gejagt und verleumdet als Linkssozialist, der sich für die Sache der spanischen Republik engagierte, als Emigrant und »Vaterlandsverräter«, der norwegische Uniform getragen hat, als Verfasser zahlreicher Bücher, die sich kritisch mit dem nationalsozialistischen Deutschland auseinandersetzten. Doch die Ironie der Geschichte wollte es, daß Willy Brandt gerade wegen der Anfeindungen gegen seine frühe Biographie, einem dialektischen Prozeß ähnlich, an Bedeutung gewann: Je heftiger und verbissener die deutsche Rechte das unehelich geborene Proletarierkind Herbert Frahm als ehemals linken Revolutionär anfeindete, desto klarer wurden seine politischen Konturen, desto deutlicher wuchs er zur politischen Gegenfigur der Adenauerschen Obrigkeitsdemokratie heran.
Seine historische Leistung für die Deutschen ist unbestritten und nur derjenigen Konrad Adenauers vor ihm und der Helmut Kohls nach ihm vergleichbar: Versöhnte Adenauer den freien Teil Deutschlands mit dem Westen, schlug Brandt Brücken nach Osten. Verankerte der eine die Bundesrepublik fest im Europa der Integration und der Atlantischen Allianz, streckte der andere die Hand zur Versöhnung nach Osten aus. Erst Brandts Vertragspolitik gegenüber Polen und der Sowjetunion machte die Bundesrepublik zum Partner, der nach allen Seiten voll handlungsfähig war, erst mit seinem Eintritt in die Vereinten Nationen spielte Bonn in der internationalen Liga mit und gewann an Gewicht.
Der politische Realist Brandt anerkannte die Lage, wie sie ist, um politischen Spielraum und Freiheit des Manövrierens zu gewinnen. Seine Politik der Entspannung baute Feindbilder ab und trug dazu bei, den Prozeß der deutschen Einigung zu ermöglichen, den Helmut Kohl dann zusammen mit Hans-Dietrich Genscher steuerte. All das sichert Willy Brandt einen Platz in den Büchern der deutschen Nachkriegsgeschichte. Doch mit seinem Namen verbindet sich mehr: Er brauchte Macht wie jeder Politiker, der gestalten will, aber Macht war ihm nicht alles, er klammerte sich nicht an sie und setzte, wie sein Rücktritt zeigt, mit dieser Haltung moralische Maßstäbe. Es gelang ihm, die Kluft zwischen Geist und Macht zu verringern, indem er Intellektuelle, Dichter und Künstler an sich band. Er hatte, wie Günter Grass einmal treffend bemerkt, die seltene Gabe, Zukunft näher heranzurücken, schemenhafte Hoffnungen und Gefährdungen zu konturieren. Das machte den Realisten zum Visionär, der den tristen Alltag mit klaren Zielsetzungen aufhellen konnte. Damit kam er, der soviel Distanz hielt zu den Einzelnen, den Vielen nahe was einen großen Teil der Massenwirksamkeit des Ausnahmepolitikers Willy Brandt erklären mag. Doch lauerten darin auch Gefahren: Indem er die Sehnsüchte und Wünsche der Vielen auf sich vereinen konnte, schuf er einen Erwartungshorizont, dem seine eigene Regierung schließlich nicht gerecht wurde.
Sein Aufstieg verlief nicht gerade, sondern in Kurven und Kehren, sein Weg nach oben war voller Kämpfe, in denen ihm Wunden geschlagen wurden, die nur schwer vernarbten. Seine politische Biographie ist voller Dramen man denke nur an den gescheiterten Kanzlersturz durch das Mißtrauensvotum und die Spionageaffäre Guillaume. Oberflächlich betrachtet, mögen die politischen Positionen, die er im Laufe seines Lebens bezog, widersprüchlich erscheinen: linksrevolutionär in der Jugend, langsame Wandlung zum demokratischen Sozialisten in der skandinavischen Emigration, Kalter Krieger in Berlin, Kanzler der Versöhnung mit dem Osten in Bonn und Friedensnobelpreisträger, Begründer der deutschen Zweistaatlichkeit und, am Ende seines politischen Lebens, dann wieder energischer Fürsprecher einer schnellen deutschen Vereinigung.
Bedenkt man freilich, daß der überzeugte Gegner des Nationalsozialismus bereits als 19jähriger das Land verließ, erklärt sich manche dieser Wendungen als Lernprozeß, und spätestens seit der Berliner Zeit folgen die Positionswechsel einer inneren Logik, auch wenn die Spätphase nicht frei von Irrtümern bleibt. Er war ein Mann der vielen Absch…