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Mutter-Tochter-Beziehungen sind häufig problematisch. Oft fühlen sich Töchter entweder überbehütet und nie losgelassen oder vernachlässigt und abgewertet. So wie ihre Mutter wollen sie jedenfalls nicht werden. Marianne Krüll läßt Töchter die Lebensgeschichte ihrer eigenen Mutter in der Ichform erzählen und zeigt, wie sie dadurch zu einem neuen und besseren Verständnis ihrer gemeinsamen Beziehung gelangen können.
Vorwort
Wie Töchter sich mit ihrer Mutter versöhnen
Autorentext
Dr. Marianne Krüll ist Mutter von zwei Töchtern und Großmutter, engagierte Feministin, Schriftstellerin, Soziologin. Sie war Akademische Rätin am Seminar für Soziologie der Universität Bonn, wo sie heute lebt. Zahlreiche Buchpublikationen, darunter: »Käthe, meine Mutter«, »Im Netz der Zauberer - Eine andere Geschichte der Familie Mann«, »Freud und sein Vater«, »Schizophrenie und Gesellschaft«.
Leseprobe
Einleitung
Während eines Vortrags über das Mütter-Töchter-Thema habe ich einmal den etwa fünfzig Zuhörerinnen drei Fragen gestellt: Die erste lautete: Welche von Ihnen kann sagen: Ich bin froh und glücklich mit meiner Mutter? Es meldeten sich ungefähr zehn oder zwölf Frauen. Die zweite Frage war: Welche kann sagen: Ich bin glücklich, ihr ähnlich zu sein, und bemühe mich, in ihre Fußstapfen (Beruf, Partnerschaft, Lebensplanung usw.) zu treten? Nun hob sich nur noch eine Hand. Auf die dritte Frage: Welche möchte eine Mutter werden oder sein wie die eigene Mutter?, blieben alle Hände unten!
Was geschieht hier? Warum sind wir Töchter so selten mit unserer Mutter zufrieden, so wie sie nun einmal ist? Warum wollen wir meist auf keinen Fall so sein wie sie?
Wenn wir darauf antworten, schildern wir vor allem das Versagen unserer Mutter in unserer Kindheit, als wir, die Töchter, noch klein waren. Am häufigsten ist die Klage über mangelnde Liebe: »Sie hat mich nicht oder nicht genug geliebt, hat mich vernachlässigt. Sie war keine richtige Mutter. Sie hatte nie Zeit für mich, hatte andere Dinge im Kopf, hat nur für andere Menschen, aber nicht für mich gesorgt. Sie hat mich überhaupt nicht gesehen. Sie hat meinen Bruder, meine Schwester vorgezogen. Sie hat mich nie gelobt, nichts an mir hat sie gelten lassen. Sie hat mich geschlagen. Sie hat mich nicht gewollt.«
Andere Töchter meinen, von der Mutter »zu viel« geliebt worden zu sein: »Sie hat mich vereinnahmt. Sie hat mich mit ihrer Liebe aufgefressen. Sie war ständig besorgt um mich, hat mich in Watte gepackt. Sie hat mich für ihre unerfüllten Wünsche eingesetzt und damit mißbraucht.«
Begleitet sind unsere Anklagen immer von heftigen Emotionen: Trauer, Enttäuschung, Wut, ja sogar Haß auf die Mutter, die uns so lieblos oder böse behandelte. Wenn wir davon erzählen, kommen die alten Gefühle wieder hoch, oft fließen Tränen. Verzweifelt fragen wir: »Warum hat sie bloß ...?« oder »Wie konnte sie nur ...?« Doch solche Fragen suchen keine Antworten, sondern bleiben als Anklage im Raum stehen. Wir können oder wollen der Mutter nicht vergeben, was sie uns damals antat.
Aber auch über unsere aktuellen Konflikte mit der inzwischen gealterten Mutter klagen wir häufig: »Ich versuche, ihr das zu geben, was sie von mir will, aber sie ist nie zufrieden. Sie redet mit mir nicht über wichtige Dinge. Sie blockt alles ab. Sie behandelt mich noch immer wie ein kleines Kind. Sie verlangt Dankbarkeit von mir. Sie will mich kontrollieren. Sie mischt sich in mein Leben ein. Sie läßt mich nicht in Ruhe. Sie interessiert sich nicht für mein jetziges Leben.«
Fast immer wünschen wir uns, eine andere, eine bessere Mutter gehabt zu haben, eine, die uns das gegeben hätte, was wir glauben, gebraucht zu haben. Oder eine, die wenigstens jetzt zu uns steht. Wir stellen wir vor, wie sie eine »bessere« Mutter sein könnte, und vergleichen sie mit Frauen, die »richtige « Mütter sind, gelegentlich sogar mit unserer eigenen Großmutter, von der wir meinen, mehr »echte« Liebe bekommen zu haben. Wir wünschen uns sehnlichst, daß sich unsere Mutter doch endlich ändern möge, um für uns, die Töchter, doch noch eine »gute« Mutter zu werden - was immer das für uns im einzelnen heißt. Doch meist haben wir schon lange resigniert: »Meine Mutter ist ein hoffnungsloser Fall. Sie wird sich nie ändern.«
Trotz aller Kritik an der Mutter schwingen bei uns Töchtern immer auch Schuldgefühle mit. Viele von uns haben sich schon als kleine Kinder bemüht, die Mutter zufriedenzustellen. Wir fühlten uns schuldig, wenn es uns nicht gelang, es ihr recht zu machen. Besonders ungewollte Töchter scheinen das Unglück, das sie ihrer Mutter mit ihrer Existenz bereitet haben, als eigene Schuld zu empfinden und durch ungewöhnliche Opfer wiedergutmachen zu wollen. Andere wollen der Mutter helfen, wollen sie retten. Sogar das provokative, aufmüpfige Verhalten von Töchtern kann man als Appell an die Mutter verstehen, doch selbst endlich einmal aufzubegehren, sich zu wehren, anstatt Verletzungen nur leidend hinzunehmen.
Wenn aber alle Anstrengungen scheitern, steigt Wut in uns auf, und wir beginnen wieder mit der Mütterschelte, jenem weitverbreiteten und extrem destruktiven Muster in der Mutter- Tochter-Beziehung, auf das ich im Schlußkapitel noch ausführlich zu sprechen kommen werde.
Viele von uns gehen auf Distanz zur Mutter, manchmal mit jahrelangem Kontaktabbruch. Eine solche »Sendepause« muß nicht grundsätzlich schädlich sein. Besonders in symbiotischen Mutter-Tochter-Beziehungen erscheint es mir sogar notwendig, daß beide sich für eine gewisse Zeit voneinander trennen. Doch wenn der Bruch zu lange dauert und eine oder gar alle beide sehr unter der Trennung leiden, dann sollten Schritte zu einer Versöhnung getan werden.
Oft geschieht dies, wenn die Tochter selbst Mutter wird und der Mutter den Kontakt zu ihren Enkelkindern nicht vorenthalten will. Doch auch dann sind die Hürden meist riesengroß. Jede erwartet von der anderen, daß sie sich nun endlich ändert und begreift, daß sie im Unrecht war. Der Streit kann sich dann über die Enkelkinder sogar noch verschärfen.
Wenn wir als Töchter mit unserer Mutter in einem solchen Teufelskreis verstrickt sind, dann wird jede Begegnung mit der Mutter zu einem Alptraum. Schon vorher haben wir Angst, daß sich alles wiederholt und wir wieder von ihr verletzt werden. Und natürlich geht es unserer Mutter nicht anders. Auch sie hat Angst vor unseren Vorwürfen, vor unserer Wut, die sie als ungerecht und unberechtigt empfindet, weil sie doch alles nur gut gemeint hat, das Beste für uns gewollt hat usw. usw.
Die »Mutter in mir«
Mit meinem Buch will ich einen Weg aufzeigen, wie wir als Töchter mit unseren Müttern zu einer Versöhnung kommen können, so daß die Liebe wieder fließen kann und wir Formen der Abgrenzung zwischen uns finden, die nicht Ausgrenzung sind.
Auf diesem Weg haben mich zunächst meine Freundinnen begleitet. In kleinen Gruppen tauschten wir uns über unsere Mütter aus und waren erstaunt, wie gut es uns tat zu erkennen, daß es anderen Frauen mit ihren Müttern ähnlich ging. Wir sahen die eigene Mutter mit den Augen der anderen Frauen und bemerkten, daß sie so schlecht ja nun auch nicht war, daß zumindest einige der Frauen noch größere Probleme mit ihrer Mutter hatten als wir selbst.
Nach der Publikation meines Buches »Käthe, meine Mutter« im Frühjahr 2001 begann ich, zweitägige Seminare für Frauen zum Thema »Versöhnung mit der Mutter in mir« anzubieten, und verwendete dabei die Methode des Rollentauschs, der »vertauschten Stühle«. Man wechselt von der eigenen Position in die des Gegenübers und redet in der Rolle des oder der Anderen, und zwar in der Ichform.
Die Frauen - maximal zwölf in einer Gruppe - nahmen nun nacheinander die Rolle ihrer Mutter ein und erzählten den anderen die Lebensgeschichte ihrer Mutter in der Ichform. Die Wirkung war frappierend. Während die Frauen in der Vorstellungsrunde ein Horrorbild von ihrer Mutter gezeichnet hatten u…