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Malaria fand um 1900 eine enorme Beachtung durch europäische Kolonialmächte und Mediziner, galt sie doch als Bedrohung für den "weißen Mann" und sein koloniales Projekt. Malaria kam damals aber auch in Teilen Deutschlands vor. Manuela Bauche zeichnet nach, wie die Behörden in drei Gebieten des Deutschen Kaiserreichs - in Kamerun, Deutsch-Ostafrika und Ostfriesland - versuchten, gegen lokalen Widerstand Maßnahmen zur Malariabekämpfung durchzusetzen. Sie kann dabei zeigen, dass das medizinische Vorgehen sowohl in den Kolonien als auch in Deutschland mit dem Ausbau staatlicher Herrschaft, mit Rassismus und Trennung entlang von Klasse verbunden war.
»Was vielfach nur als neues Label für klassische kolonialhistorische Studien beansprucht wird, ist in dieser Dissertation eingelöst: Globalgeschichte als Verflechtung zwischen Geschehen an weit entfernten Orten ohne ein bloßes Gefälle zwischen Metropole und kolonialer Peripherie. [] Material und Gründlichkeit machen die Studie [] zu einem Referenzwerk.« Walter Bruchhausen, H-Soz-Kult, 30.03.2018 »[Die] unkonventionellen Denkschneisen machen die Lektüre der Dissertation anregend.« Ralf Forsbach, Sehepunkte, 15.07.2018 »Die Autorin vermag es, ein Panorama der Seuchenbekämpfung um 1900 zu entwerfen, indem sie mikrogeschichtliche Abhandlungen wie die Emdener Baugeschichte elegant verwebt mit globalen Prozessen ebenso wie mit dem bigger picture zeitgenössischer Diskurse von Modeme und Rasse. Indem sie Analogien zwischen den verschiedenen Räumen zieht, diese miteinander in Bezug setzt, arbeitet die Studie die Gemeinsamkeiten kolonialer und nicht-kolonialer Herrschaft heraus.« Andreas Greiner, Gesnerus, 22.07.2019
Autorentext
Manuela Bauche war wiss. Mitarbeiterin an der Universität Leipzig; derzeit arbeitet sie am Museum für Naturkunde Berlin.
Leseprobe
Einleitung "[I]ch bin davon überzeugt, daß wir unseres Kolonialbesitzes nicht eher froh werden, als bis es uns gelingt, Herr dieser Krankheit zu werden", mahnte Robert Koch 1898 in einem Vortrag vor der Deutschen Kolonialgesellschaft. Die Krankheit, die er vor Augen hatte, war Malaria. Robert Koch war Mediziner - sein Blick auf die Krankheit war allerdings weniger mit Utopien vom Heilen als mit Utopien von staatlicher und imperialer Herrschaft verbunden. Die Verbindung aus Medizin, staatlicher und imperialer Herrschaft schlug sich auch in der praktischen Bekämpfung der Malaria nieder. Diese Malariabekämpfung ist Gegenstand des vorliegenden Buches. Aber: Dies ist keine Untersuchung über Malaria und auch keine Arbeit über Afrika. Es ist eine Geschichte über den Auf- und Ausbau staatlicher Herrschaft im Deutschen Kaiserreich, betrachtet am Beispiel der Bekämpfung von Malaria in Kamerun, Deutsch-Ostafrika und Ostfriesland zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Keineswegs betraf die Fiebererkrankung Malaria um 1900 ausschließlich Menschen in tropischen Gebieten. Auch in Europa kam die Krankheit bis in die 1950er Jahre hinein als "einheimische" Krankheit vor, so auch in Deutschland. Meistens behandelten sich erkrankte Menschen - im Süden wie im Norden - selbst. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden aber auch einige medizinische Interventionen durchgeführt, mit denen auf systematische Art und Weise Malaria vorgebeugt bzw. bekämpft werden sollte. Die vorliegende Untersuchung greift fünf solcher Interventionen heraus, die im Deutschen Kaiserreich stattfanden - nämlich jene in Douala (Kamerun), in Dar es Salaam und Tanga (Deutsch-Ostafrika) sowie in Emden und Wilhelmshaven (Ostfriesland). Diese Projekte sahen die Behandlung Kranker mit Chinin sowie die Umgestaltung städtischer Umwelten unter "hygienischen" Gesichts-punkten vor. Die Vorbereitung und Umsetzung dieser Maßnahmen war mit Erkundungen und Beobachtungen verbunden, mit dem Erheben und Auswerten von Daten, mit dem Erfassen und Überwachen von Personen. Diese Maßnahmen waren politische Forschungsprojekte: Sie wurden von ehrgeizigen Medizinern angeregt und von der Wissenschafts- und Kolonialpolitik des Reichs unterstützt. Sie waren auch staatliche Eingriffe: Sie fanden in enger Abstimmung und mit Unterstützung von Regierungsinstitutionen Preußens und des Reichs statt und wurden von den betreffenden Regierungspräsidien bzw. Kolonialregierungen verwaltet. Die Malariabekämpfungsprogramme waren damit Teil der Forschungs- und Gesundheitspolitik des Deutschen Reichs, verquickt mit Herrschaftswissen, mit Ideen bürokratischer Kontrolle und staatlicher Macht. Untersuchungsgegenstand und Fragestellung Die Anti-Malaria-Programme, die um 1900 im Kaiserreich eingerichtet wurden, griffen tief in den Alltag der Menschen ein: In den ostafrikani-schen und ostfriesischen Städten wurde die Bevölkerung in regelmäßigen Abständen vom medizinischen Personal aufgesucht, untersucht und be-handelt. In Dar es Salaam und Tanga wurden ihre Grundstücke auf offene Wasserstellen hin inspiziert; in Douala sollten Wohnquartiere von Afrikanern und Europäern räumlich voneinander getrennt werden - in der rassistischen Annahme, dass Afrikaner die Quellen von Infektion darstellten, während Europäer ausschließlich als deren Opfer zu betrachten seien. Diese Eingriffe unterschieden sich von sporadischen Aktionen gegen Malaria oder der individuellen Behandlung der Krankheit, denn die Programme hatten den Anspruch, systematisch, auf breiter Basis und dauerhaft gegen die Krankheit vorzugehen. Tatsächlich hielten sie über mehrere Jahre, teilweise sogar Jahrzehnte an: Sie wurden zwischen 1901 und 1910 initiiert, um in den Kolonien in den 1910er Jahren an ihr Ende zu gelangen, während sie in Ostfriesland bis in die 1920er bzw. 1930er Jahre fortgesetzt wurden. In dem vorliegenden Buch werden die Malariabekämpfungsprogramme im Zeitraum zwischen ihrer Vorbereitung in den 1890er Jahren bis zum offiziellen Ende der deutschen Kolonialherrschaft im Jahr 1919 untersucht. Dabei werden drei Fragen bearbeitet, die jeweils von einer Feststellung ausgehen: Erstens: Die Malariabekämpfungsprogramme wurden in Regionen ein-gerichtet, in denen das bakteriologische Wissen, auf das sie rekurrierten, sowie die medizinische Infrastruktur, die sie benötigten, erst auf- oder zumindest ausgebaut werden mussten. In Dar es Salaam, Tanga und Douala waren erst wenige Jahre vor dem Beginn der Maßnahmen Kran-kenhäuser errichtet worden, die auch die Stützpunkte der Malariabekämpfungen bilden sollten. In Dar es Salaam, Wilhelmshaven und Emden existierte zwar bereits eine ärztliche Infrastruktur, aber die Anti-Malaria-Maßnahmen bildeten den Anlass, um spezialisierte bakteriologische Labore einzurichten. In den ostfriesischen Städten mussten zudem ansässige Ärzte wie Bevölkerung durch Fortbildungskurse bzw. Broschüren überzeugt werden, dass Malariaerkrankungen eine besondere Beachtung verdienen würden. Die Einrichtung der Malariabekämpfungsprogramme war also keineswegs selbstverständlich. Ausgehend von dieser Feststellung geht das vorliegende Buch der Frage nach, wie der Prozess zur Einrichtung der Malariabekämpfungspro-ramme verlief: Welches waren die Mittel und Vorgehensweisen, mit denen die Initiatoren der Maßnahmen versuchten, ihre Projekte in den genannten Regionen zu implementieren? Wo und warum gelang es ihnen, neues Wissen und neue Strukturen einzurichten, sie zu verstetigen und in der eigenen Tätigkeit erfolgreich auf diese zurückzugreifen? Wo, durch wen und durch was wurden ihnen Grenzen gesetzt? Die Beantwortung dieser Fragen soll zeigen, auf welche Weise das Herstellen neuer medizinischer Strukturen und neuen medizinischen Wissens mit dem umfassenderen Projekt des Staates verbunden war, seinen Zugriff auf die untersuchten Regionen und deren Bevölkerungen zu vertiefen. Allerdings war die Geschichte der Malariabekämpfung im Deutschen Kaiserreich keine einfache Geschichte einer Diffusion biomedizinischen Wissens und staatlicher Infrastrukturen vom Zentrum in die Peripherien. So wurde die Praxis der Bekämpfung von den regional sehr …