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Bis heute kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten zwischen Trägern der freien Jugendhilfe und örtlichen Trägern der Jugendhilfe. Auf Grund ihrer Position erlauben sich nur wenige freie Träger einen Widerspruch und nehmen die ihnen angebotenen Vorschläge der Verwaltung häufig resignierend an. Die Ursachen dafür dürften vielfältig sein. Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist vermutlich, dass die freien Träger einen guten Teil ihrer Arbeit im Ehrenamt ausfüllen, besonders im Hinblick auf die Vorstände und Aufsichtsräte der Organisationen. Darüber hinaus verfügen diese Vorstände zum Teil kaum über Kenntnisse im SGB VIII. Ein weiterer wichtiger Faktor könnte sein, dass eine Mehrzahl der Organisationen sich scheut, einen Rechtsbeistand zu verpflichten und die ihnen vorgelegten Entscheidungen bzw. Intentionen der örtlichen Träger der Jugendhilfe auf Gültigkeit zu überprüfen. Häufig wird diese Scheu mit Kosten begründet, welche die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes nach sich ziehen würde, da man diese Mittel schlicht nicht zur Verfügung habe. Die Entscheidungsträger verlassen sich also lieber auf ihre eigenen, teilweise kaum vorhandenen Kenntnisse der Jugendhilfe und verzichten auf eines der wichtigsten Instrumente zur Wahrung eigener Interessen und der ihrer Klientel, der rechtlichen Prüfung.
In dieser Studie wird untersucht, ob und wie sich die örtlichen Träger des Normensystems des Kinder- und Jugendhilferechts (KJHG) bedienen und in welchen Bereichen sie von den gesetzlichen Standards abweichen bzw. abweichende Interpretationen des KJHG entwickelt haben. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Angemessenheit des Handlungsinstrumentariums der örtlichen Träger gelegt und es wird untersucht, ob die Begründungen der entwickelten Interpretationen gesetzlichen Normen standhalten oder diesen möglicherweise widersprechen.
Autorentext
Maik Friedrich wurde 1964 in Frankenberg geboren. Sein Studium zum Sozialarbeiter an der Hochschule Mittweida schloss der Autor im Jahr 2018 mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen in der Sozialarbeits-Branche. Fasziniert von den vielen unterschiedlichen Interpretationen insbesondere des SGB VIII, befasste er sich intensiv mit den einschlägigen Kommentaren zum SGB VIII und studierte höchstrichterliche Entscheidungen zum Thema. Seine freiberufliche Mitarbeit in einer Anwaltskanzlei motivierte ihn, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
Leseprobe
Textprobe:
Kapitel 3.2 Gesamtverantwortung des örtlichen Trägers der Jugendhilfe
Im
79 SGB VIII ist die Gesamtverantwortung des örtlichen Trägers der Jugendhilfe formuliert. Dieser hat nicht nur die Verantwortung zur Erfüllung der Aufgaben nach SGB VIII sondern darüber hinaus auch die Planungsverantwortung (vgl.
79, Abs. 1 SGB VIII). Das hat zur Folge, dass der örtliche Träger der Jugendhilfe nicht nur verantwortlich für die Planung der entsprechenden Dienste und Einrichtungen ist, sondern diese mit auskömmlichen Mitteln auszustatten hat, um ihren Aufgaben nachkommen zu können (vgl.
79, Abs. 2, Sa. 1 SGB VIII). Dem Grunde nach müsste der Träger der örtlichen Jugendhilfe alle Maßnahmen ergreifen, also auch Räume und Personal zur Verfügung stellen, um die Einrichtungen und Dienste wirksam werden zu lassen. Der örtliche Träger der Jugendhilfe kann sich jedoch zur Erfüllung seiner Aufgaben der Träger der freien Jugendhilfe bedienen und soll auch, sofern Einrichtungen der Träger der freien Jugendhilfe vorhanden sind oder rechtzeitig geschaffen werden können, von eigenen Angeboten absehen. In der Regel wird er dies aus inhaltlichen, finanziellen aber auch gesetzlichen Formulierungen heraus auch tun.
Diese finden Ausdruck in
4 SGB VIII. Formuliert ist dort neben der Maßgabe von eigenen Einrichtungen abzusehen auch, dass die öffentlichen Träger der Jugendhilfe mit den Trägern der freien Jugendhilfe partnerschaftlich zusammen arbeiten sollen (vgl.
4 Absatz 1 u. 2 SGB VIII). Dem folgend überträgt das Jugendamt besonders die offene Jugendarbeit an Träger der freien Jugendhilfe und hat sie demzufolge auch mit den erforderlichen Mitteln auszustatten.
Wie beschrieben obliegt dem Träger der Jugendhilfe die Planungsverantwortung. Daraus lässt sich ableiten, dass nicht nur geplant werden muss, welche Einrichtungen und Dienste zur Verfügung stehen sollen, sondern zusätzlich auch, wie die Inhalte aussehen sollen, mit denen der örtliche Träger der Jugendhilfe seine Aufgaben erfüllen will. Dazu ist auch auf
79a SGB VIII zu verweisen. Hier wird die Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung in der Jugendhilfe geregelt (vgl.
79a S. 1 SGB VIII). Dies steht jedoch scheinbar im Widerspruch zu
4 SGB VIII, der formuliert, dass die Träger der freien Jugendhilfe frei in ihren Zielsetzungen, ihrer Organisation und ihren Aufgaben sind (vgl.
4, Abs. 1 SGB VIII). Für den örtlichen Träger hat das zur Folge, dass er bei der Entwicklung und Formulierung seiner Qualitätsstandards einerseits ein Mindestmaß an Qualitätskriterien entwickeln muss, andererseits aber zu beachten hat, keine Eingriffe in die Organisationshoheit der Träger der freien Jugendhilfe vorzunehmen.
Die Träger der freien Jugendhilfe haben ihre finanziellen Angelegenheiten zunächst selbst zu regeln. Nicht entbunden wird der öffentliche Träger der Jugendhilfe davon, die notwendigen Einrichtungen und Dienste einzurichten. Ebenso wie er einen angemessenen Anteil für die Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen hat (vgl.
79, Abs. 2, Sa. 2 SGB VIII). Dem folgend muss der örtliche Träger entsprechende Einrichtungen und Dienste auch für die offene Jugendarbeit zur Verfügung stellen.
Was als angemessen gilt, ist Aushandlungsprozess auf politischer und gesellschaftlicher Ebene. Die unscharfe Formulierung im SGB VIII führt diesbezüglich zu Spannungen zwischen örtlichen Entscheidungsträgern und Trägern der freien Jugendhilfe. Dennoch verweist Kunkel nicht zu unrecht darauf, dass eine Jugendhilfeplanung nach rein fiskalischen Erwägungen heraus de-facto der Pflichtaufgabe im erforderlichen Umfang nicht mehr gerecht wird (vgl. Kunkel 2016, S. 983).
3.2.1 Die Frage des Ermessens
Diese Frage hat für die Träger der freien Jugendhilfe weitreichende Bedeutung. Ermessen bedeutet im Sinne des Gesetzgebers, dass den Ausführenden, also den Jugendämtern ein Ermessen bei der Erfüllung der Aufgabe eingeräumt wird. Zunächst ist das erst ein