Tiefpreis
CHF38.35
Auslieferung erfolgt in der Regel innert 1 bis 2 Wochen.
Kein Rückgaberecht!
Beiträge zur Historischen Verkehrsforschung des Deutschen Museums
Das Auto spielte im Staatssozialismus in der Sowjetunion, in Rumänien und in der DDR eine wichtige Rolle. Es half unter der rigiden Ostpolitik bei der Bewältigung des Alltags und vermittelte seinen Besitzern die Illusion von Freiheit. Anschaulich demonstriert die Autorin, dass das Auto in der Zeit zwischen Stalins Tod und dem Fall der Berliner Mauer ein Knotenpunkt von Wirtschaft, Lebensgestaltung und politischer Legitimation war.
Autorentext
Luminita Gatejel, Dr. phil., ist wiss. Mitarbeiterin am Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg.
Klappentext
Das Auto spielte im Staatssozialismus in der Sowjetunion, in Rumänien und in der DDR eine wichtige Rolle. Es half unter der rigiden Ostpolitik bei der Bewältigung des Alltags und vermittelte seinen Besitzern die Illusion von Freiheit. Anschaulich demonstriert die Autorin, dass das Auto in der Zeit zwischen Stalins Tod und dem Fall der Berliner Mauer ein Knotenpunkt von Wirtschaft, Lebensgestaltung und politischer Legitimation war.
Leseprobe
Einleitung Kein weiterer Gegenstand löste mehr Faszination aus als das Automobil. Zu Recht wurde das 20. Jahrhundert als das Jahrhundert des Autos (the century of the car) oder als das automobile Zeitalter (the automobile age) bezeichnet. Im Automobil wurde der Traum der Moderne, der Überwindung von Raum und Zeit, des technischen und sozialen Fortschrittes geträumt. Es verwandelte nachhaltig unsere Landschaften, als ein komplexes Netz von Straßen, Autobahnen und Tankstellen gebaut wurde, um einen möglichst ungestörten Verkehrsfluss zu gewährleisten. Mehr als eine Milliarde Autos wurde in den letzten 100 Jahren hergestellt. Der Pkw begleitete seine Besitzer durchs ganze Leben, erste Kindheitserinnerungen, wilde Jugenderlebnisse, sexuelle Erfahrungen, Gehaltserhöhungen oder Familienfeiern werden häufig mit dem Auto in Verbindung gebracht. Von seiner Anziehungskraft ließen sich nicht nur einfache Verbraucher, sondern auch Ingenieure, Stadtplaner, Architekten, Geschäftsmänner und nicht zuletzt Politiker bezaubern. Unzählige Ressourcen und eine enorme Arbeitskraft wurden eingesetzt, um den globalen Siegeszug des Automobils in unseren Gesellschaften voranzubringen. Aber von Anfang an gab es Widerstand gegen seine Ausbreitung. Sein schädlicher Einfluss auf die Umwelt mobilisierte Generationen von Umweltaktivisten, die eine Einschränkung der Motorisierung anstrebten; Anstrengungen, die bis heute anhalten. Und schließlich, obwohl Soziologen sich schon eine Zeit nach dem Auto vorstellen, bleibt dieses außergewöhnliche Artefakt, mit seinen Vorteilen wie mit seinen Nachteilen, weiterhin ein wichtiger Referenzpunkt für unsere Gesellschaften. Der Beitrag der sozialistischen Länder zur automobilen Revolution fällt hingegen eher bescheiden aus. Die individuelle Motorisierung kam in diesen Staaten nur schleppend voran, obwohl einige der berühmtesten Autohersteller der Zwischenkriegszeit, koda, BMW und Horch, ihren Sitz dort hatten. Die automobile Welt im Osten war durch mehrjährige Wartelisten für Individualverbraucher gekennzeichnet, durch Ersatzteilmangel und veraltete Technologie. Sozialistische Automarken wurden häufig in Ländern, in denen der Individualverkehr verbreiteter war, verspottet und belächelt. Aber auch die sozialistischen Bürger selbst schwankten zwischen Zuneigung und Ablehnung ihres eigenen Gefährts, während die meisten von ihnen sich nach einem leistungsfähigeren Auto, meist aus dem kapitalistischen Ausland, sehnten. Sowohl in Zahlen als auch in der Qualität schnitt der Automobilismus der sozialistischen Länder wesentlich schlechter ab als die internationalen Marktführer. Hemmend kam hinzu, dass die Pkw-Industrie, mit Ausnahme der DDR, lange Zeit keine Priorität für die Politiker und Wirtschaftsplaner besaß. Sicherlich trug die Propaganda des Kalten Krieges, die eine östliche Mangelwirtschaft von einer westlichen Überflussgemeinschaft unterschied, zu dieser negativen Wahrnehmung des sozialistischen Erbes auf dem Gebiet der Motorisierung bei. Fakt ist, dass die Unzulänglichkeiten der sozialistischen Autowelt nicht schöngeredet werden können. So fragt sich, wie sich eine historische Studie rechtfertigen lässt, die den Pkw in seiner individuellen Nutzung im Sozialismus in den Mittelpunkt ihres Erkenntnisinteresses stellen will. Der Blick durch die Windschutzscheibe ermöglicht eine andere Sicht auf den Staatssozialismus. Das Automobil als Forschungsgegenstand erlaubt einen Querschnitt durch Politik und Alltag in spätsozialistischen Gesellschaften. In den 1960er Jahren (in der DDR und der Tschechoslowakei mit einem kleinen zeitlichen Vorsprung) wurde der Pkw aus seinem Schattendasein entlassen und trat in der sozialistischen Staatsdoktrin an die erste Stelle. Zeitversetzt und unter veränderten Voraussetzungen folgte das Fortschreiten der Motorisierung in den sozialistischen Ländern dem der kapitalistischen Länder. Dass viele der hehren Ziele auf dem Gebiet der individuellen Motorisierung nur Programm blieben, macht arbeitspraktisch keinen großen Unterschied. Die Fokussierung auf diesen bedeutungsvollen Gegenstand, der unter vielen unterschiedlichen nationalen Kontexten einen Siegeszug durchlaufen hat, bietet die Möglichkeit, die sozialistischen Eigenarten dieses Implementierungsprozesses besonders anschaulich hervorzuheben. Speziell beschäftigt sich diese Studie mit dem Auto als einem Konsumgegenstand im Vergleich von drei Länderbeispielen, der Sowjetunion, der DDR und Rumänien. Das Auto funktioniert als Schnittpunkt zwischen Wirtschaftsplanung, politisch-kultureller Legitimation und Lebensgestaltung. Es steht als ein Zeichen für Mobilität, Wohlstand und modernen Lebensstil. Es wird davon ausgegangen, dass sowohl privat als auch öffentlich genutzte Pkws in erheblichem Maße Prestige transportierten. Daneben kam dem Auto bei der Bewältigung des Alltags und für die Freizeitgestaltung eine grundlegende Bedeutung zu. Als chronologischen Schwerpunkt habe ich die 1960er und 1970er Jahre, die "goldenen" Jahre der Konsumgeschichte im Ostblock gewählt. Dabei wird vor allem der Frage nachgegangen, was sozialistisch war oder besser gesagt, was in der Welt des Automobils dieser Zeit als "sozialistisch" galt. Kann man von einer staatssozialistischen Autowelt sprechen? Oder pointierter formuliert: Muss man von ihr sprechen als einem spezifischen "System der Automobilität", in dem sich Autos, Fahrer, Verteilungskriterien und nicht zuletzt politische Entscheidungen und rechtliche Festlegungen auf eine besondere Art zusammenfügen? Die Wahl der Länder wurde nicht nur aus pragmatischen Gründen getroffen, sondern dahinter steckt die Überlegung, die klassischen Grenzen zwischen den Gebieten der Osteuropaforschung, d.h. Ostmitteleuropa, Südosteuropa und Sowjetunion, aufzubrechen. Ich gehe von der Prämisse aus, dass die drei Länderbeispiele einem gemeinsamen Raum angehören, in dem eine Vielzahl von Transferprozessen stattgefunden hat. Die Akteure (sowohl Staat als auch die Bürger) waren ständig in einen gegenseitigen Beobachtungsprozess involviert und standen dadurch in einem dauerhaften Austausch miteinander. Rückblickend ist festzuhalten, dass die von mir gewählten drei Länder mit einem unterschiedlichen historischen "Gepäck" die sozialistische Autowelt betraten. In der sowjetischen Einflusssphäre trafen sowohl das traditionsreiche Autoland Deutschland als auch das sozialistische Rumänien, das so gut wie keine Erfahrung in diesem Bereich besaß, aufeinander. Es sind genau diese großen Anfangsunterschiede, die den zweiten Grund für meine Länderauswahl ausmachten. Hinzu kommt schließlich ein dritter, der von unterschiedlichen Beziehungen zum Zentrum - die "treue" DDR bzw. das "abtrünnige" Rumänien - ausgeht. Denn trotz der vielschichtigen Differenzen, ungleichen Beziehungen zueinander, andersgearteten …
Tief- preis