Tiefpreis
CHF41.15
Auslieferung erfolgt in der Regel innert 1 bis 2 Wochen.
Kein Rückgaberecht!
Mit einem Vorwort von Aleida Assmann
Nach dem Zerfall Jugoslawiens tobte in den Nachfolgestaaten ein "Krieg um die Erinnerung". Alte Feindbilder aus dem Zweiten Weltkrieg wurden reaktiviert und in Kroatien galt der faschistische "Ustascha-Staat" als Meilenstein auf dem Weg zur kroatischen Unabhängigkeit. Heute steht Kroatien kurz vor dem EU-Beitritt und ist ein Paradebeispiel für die Übernahme europäischer "Erinnerungsstandards" in post-sozialistischen Staaten. Dies ist nicht nur positiv zu bewerten: Unter dem Schlagwort "Totalitarismus" werden die NS- und Ustascha-Verbrechen mit denen des Staatssozialismus gleichgesetzt und "die Serben" als die neuen Faschisten gedeutet. Ljiljana Radonic analysiert anhand von Zeitungsartikeln über die Gedenkstätten Jasenovac und Bleiburg den Wandel der kroatischen Vergangenheitspolitik von 1985 bis heute und bettet diese ein in die Debatten über die "gespaltene Erinnerung" in Ost und West.
Mit einem Vorwort von Aleida Assmann Nach dem Zerfall Jugoslawiens tobte in den Nachfolgestaaten ein "Krieg um die Erinnerung". Alte Feindbilder aus dem Zweiten Weltkrieg wurden reaktiviert und in Kroatien galt der faschistische "Ustascha-Staat" als Meilenstein auf dem Weg zur kroatischen Unabhängigkeit. Heute steht Kroatien kurz vor dem EU-Beitritt und ist ein Paradebeispiel für die Übernahme europäischer "Erinnerungsstandards" in post-sozialistischen Staaten. Dies ist nicht nur positiv zu bewerten: Unter dem Schlagwort "Totalitarismus" werden die NS- und Ustascha-Verbrechen mit denen des Staatssozialismus gleichgesetzt und "die Serben" als die neuen Faschisten gedeutet. Ljiljana Radonic analysiert anhand von Zeitungsartikeln über die Gedenkstätten Jasenovac und Bleiburg den Wandel der kroatischen Vergangenheitspolitik von 1985 bis heute und bettet diese ein in die Debatten über die "gespaltene Erinnerung" in Ost und West.
"...überzeugend erhellte(n) Mechanismen des EU-Annäherungsprozesses, die es erlauben, dass die als 'europäisch' definierten Diskurse in den kroatischen nationalen Kontext eingeflochten und manchmal auch in dessen Dienst genommen werden." Sabine Rutar, Recensio, 07.07.2013 "(Die Autorin) stellt ihre Analyse in den weiteren Kontext über den Zusammenhang von Demokratisierung und Vergangenheitspolitik." Anke Rösener, Portal für Politikwissenschaft, 25.01.2011
Autorentext
Ljiljana Radonic verfasst ihre Habilitation über den "Zweiten Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen" an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und lehrt am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.
Leseprobe
Mein Forschungsgegenstand ist der Wandel der Vergangenheitspolitik (verstanden als der politische, justizielle und diskursive Umgang mit einem verbrecherischen Vorgängerregime) in Kroatien nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens und dem Wahlsieg Franjo Tu?mans und seiner Partei, der "Kroatischen demokratischen Gemeinschaft" (HDZ) 1990. Es geht dabei jedoch nicht um die Analyse der Konstruktion nationaler Geschichte im Allgemeinen, sondern um den Umgang mit jener "verbrecherischen Vergangenheit", die in Kroatien nach 1990 im öffentlichen Diskurs eine zentrale Rolle einnahm: der Phase des Zweiten Weltkrieges und des Ustascha-Regimes (1941-1945). Dort, wo der Umgang mit dem Zweiten Weltkrieg und dem sozialistischen Regime im Zusammenhang miteinander diskutiert werden, etwa wenn die PartisanInnen als die späteren kommunistischen FunktionärInnen kritisiert werden, wird auch die Zeit nach 1945 in die Analyse miteinbezogen. Der Wandel der Vergangenheitspolitik wird entlang der politischen Wenden 1990-2000-2003 verfolgt: Die zentrale Fragestellung ist somit jene nach den Kontinuitäten und Brüchen der Vergangenheitspolitik in Jugoslawien, dem als autoritäres Wahlregime zu verstehenden "Tu?man-Regime" 1990-1999, der sozialdemokratisch regierten Ära nach Tu?mans Tod (2000-2003) sowie dem neuerlichen Wahlsieg einer sich nunmehr als reformiert und europaorientiert darstellenden "neuen HDZ" (2003-2008). Die Fragestellung lässt sich folgendermaßen präzisieren: Wie hat sich der politische und justizielle Umgang mit der Vergangenheit von der jugoslawischen Ära bis heute gewandelt? Dies wird für die Phase bis 1990 vor allem anhand von Sekundärliteratur und für die Phase danach insbesondere anhand von Zeitungsartikeln untersucht, da dazu noch kaum Arbeiten vorliegen. Die Medien dienen somit zunächst als Quelle zur Informationsgewinnung. Wie hat sich ferner die diskursive Vergangenheitspolitik, also das "Feld des Sagbaren" von 1990 bis 2008 gewandelt? Welche Ereignisse lassen sich als diskursive Wenden und Höhepunkte bestimmen? Inwiefern waren die politischen Wendejahre 1990, 2000 und insbesondere 2003 auch Wenden im Diskurs? Mit diesem Hauptteil der Arbeit wird wissenschaftliches Neuland betreten. Hier dienen die Zeitungsartikel nicht mehr der Informationsgewinnung über Straßenumbenennungen oder Gerichtsprozesse, sondern werden einer diskursanalytischen Untersuchung unterzogen. Im Zentrum stehen dabei die jährlichen Debatten um die zwei meistumkämpften Gedächtnisorte Jasenovac und Bleiburg, aber auch der Gerichtsprozess gegen den ehemaligen KZ-Kommandanten von Jasenovac, Dinko aki? 1998/1999. Wie lässt sich darüber hinaus der Zusammenhang zwischen der politischen Entwicklung - vom sozialistischen Jugoslawien über das autoritäre Tu?man-Regime zur konsolidierten Demokratie nach den Wendewahlen im Jahr 2000 - mit der Vergangenheitspolitik in Kroatien bestimmen? Zur Demokratieentwicklung in Kroatien liegt vor allem in der Landessprache bereits umfangreiche Literatur vor. Dieser Aspekt ist zunächst zur Kontexualisierung der Vergangenheitspolitik unverzichtbar und kann am Schluss in Bezug auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Demokratisierung und Vergangenheitspolitik wieder aufgegriffen werden. Wie lässt sich schließlich das Spannungsverhältnis zwischen der "Europäisierung der Erinnerung", in deren Fokus der Holocaust als negativer europäischer Gründungsmythos rückt, mit der konkurrierenden Erinnerung an die staatssozialistischen Verbrechen und der Ansicht vereinbaren, der Ustascha-Staat sei ein "Meilenstein" auf dem Weg zur kroatischen Unabhängigkeit gewesen? Wie wirken sich der in Gedenkmuseen beobachtbare internationale Fokus auf individuelle Opferschicksale und die Verwendung der Holocaust-Terminologie zur Deutung aktueller Kriege ("Rampe von Srebrenica") auf die kroatische Vergangenheitspolitik aus? Mit dieser Frage soll über das kroatische Fallbeispiel und den state of the art der Forschung zu europäischen Erinnerungsstandards und -konflikten nach 1989 hinausgegangen werden. Um diesen Fragen nachzugehen, wird im ersten Kapitel zunächst der theoretische Zugang ausgewiesen, bei dem die Frage nach der identitätsstiftenden Konstruktion der Vergangenheit in Nationalismus- und Gedächtnistheorien sowie bei den Konzepten "Geschichts- und Vergangenheitspolitik" im Vordergrund steht. Danach werden die Methode der theorie- und materialgeleiteten Diskursanalyse von Printmedien (in Anlehnung an Reiner Keller und Siegfried Jäger) und das konkrete Konzept der Analyse zweier kroatischer Printmedien, der staatlichen Zeitung Vjesnik und des unabhängigen Novi list, vorgestellt. Im zweiten Kapitel wird die Untersuchung in den internationalen Kontext der "Europäisierung der Erinnerung", aber auch der Konkurrenz zwischen Holocaust- und Gulag-Gedächtnis eingebettet. Da der Gegenstand der Arbeit der Umgang mit dem Zweiten Weltkrieg ist, wird in Kapitel drei der aktuelle Stand der historischen Forschung über diese Periode, über die Shoa und den Genozid an SerbInnen und Roma im Ustascha-Staat, den Bürgerkrieg und Bleiburg als Symbol für den Massenmord im Mai 1945 dargelegt. Anschließend wird in Kap…