Tiefpreis
CHF45.35
Auslieferung erfolgt in der Regel innert 1 bis 2 Wochen.
Kein Rückgaberecht!
In vielen kleinen bis mittelständischen Betrieben und im Bereich prekärer Dienstleistungsarbeit gibt es keine Betriebsräte. Ingrid Artus untersucht die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und ob und wie diese ihre Interessen vertreten. Sie vergleicht die verschiedenen Systeme in Deutschland und Frankreich, benennt Vor- und Nachteile und zeigt, wie sich in den unterschiedlichen Branchen unter schwierigen Rahmenbedingungen zumindest ein Mindestmaß an Mitspracherecht sichern lässt.
Autorentext
PD Dr. Ingrid Artus ist Akademische Rätin am Lehrstuhl für Soziologie der Technischen Universität München.
Klappentext
In vielen kleinen bis mittelständischen Betrieben und im Bereich prekärer Dienstleistungsarbeit gibt es keine Betriebsräte. Ingrid Artus untersucht die Arbeitsbedingungen der Beschäftigen und ob und wie diese ihre Interessen vertreten. Sie vergleicht die verschiedenen Systeme in Deutschland und Frankreich, benennt Vor- und Nachteile und zeigt, wie sich in den unterschiedlichen Branchen unter schwierigen Rahmenbedingungen zumindest ein Mindestmaß an Mitspracherecht sichern lässt.
Leseprobe
3 Das deutsche und das französische Institutionenmodell im Vergleich In den beiden vorangegangenen Kapiteln wurden die Institutionen betrieblicher Interessenvertretung in Deutschland und Frankreich in ihrem historischen Entstehungskontext dargestellt und die Logiken der Institutionenpraxis erläutert. Im Folgenden geht es nun um einen Vergleich derselben. Dabei wird zunächst noch einmal auf die differenten Formen des Institutionenwandels eingegangen, welche die deutsche sowie französische Institutionengeschichte prägen (Kapitel 3.1). Anschließend werden die Institutionenregeln und praktiken summarisch verglichen. Da in den historischen Darstellungen bereits ausführlich auf die länderspezifischen gesetzlichen Regelungen zum Thema betriebliche Interessenvertretung eingegangen wurde, werden im Folgenden nicht die Details dargestellt, sondern es wird ein pointierter resümierender Überblick gegeben (Kapitel 3.2). Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich damit, welche Machtmittel die betrieblichen Interessenvertretungen in beiden Ländern besitzen und typischerweise einsetzen (Kapitel 3.3). Gesondert wird außerdem auf das Verhältnis zwischen betrieblicher Beschäftigtenrepräsentation und Gewerkschaft(en) eingegangen. Unabdingbar ist es dabei, auf die national spezifischen gewerkschaftlichen Organisationsstrukturen und kulturen einzugehen sowie auf die Rolle des Staates im System industrieller Beziehungen (Kapitel 3.4). Das abschließende Kapitel verweist schließlich darauf, dass die Gegenüberstellung national weitgehend einheitlich gedachter Institutionenmodelle unterkomplex ist. Im Zuge des aktuell stattfindenden Prozesses einer Segmentierung industrieller Beziehungen, müssten im Grunde wesentlich systematischer die Institutionenpraktiken in verschiedenen Segmenten der Wirtschaft diskutiert und verglichen werden. Hierzu fehlt es allerdings bislang an den notwendigen Grundlagen empirischer Forschung (Kapitel 3.5). Diese Situation zu verbessern, ist das Anliegen der empirischen Untersuchung im dritten Teil dieser Arbeit. 3.1 Institutionalisierungsprozesse Sowohl das deutsche als auch das französische System betrieblicher Interessenvertretung sind Ergebnis einer langen Geschichte von Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit. Insbesondere in Phasen relativer Schwäche der Unternehmer sowie massiver sozialer Mobilisierungen kam es zu Institutionalisierungsprozessen betrieblicher Interessenvertretungen. Man denke etwa an die ersten Betriebsräte in Deutschland kurz nach der gescheiterten deutschen Revolution, die ersten Délégués du Personnel während der Zeit der Volksfront in Frankreich, die Délégués Syndicaux im Gefolge der Massenproteste von 1968. Auch die beiden Weltkriege spielten in beiden Ländern eine wichtige Rolle als Katalysatoren institutioneller Entwicklung: Im Namen der Kriegswirtschaft wurde eine Kooperation zwischen Kapital und Arbeit als notwendig angesehen. Sie erzwangen bzw. ermöglichten zudem (in national unterschiedlichem Ausmaß) institutionelle Neuanfänge nach Kriegsende. Das Erlebnis der Niederlage in beiden Weltkriegen sowie der nationalsozialistischen Herrschaft desavouierte in Deutschland die herrschenden Eliten allerdings nachhaltiger als in Frankreich. Beispielsweise der Neuaufbau der deutschen Gewerkschaften als Einheitsgewerkschaften nach dem Zweiten Weltkrieg ist sicherlich der Erfahrung der Zerschlagung der Arbeiterbewegung zu verdanken. Institutionen betrieblicher Interessenvertretung der Beschäftigten erscheinen - in beiden Ländern - typischerweise in einem doppelten Zusammenhang auf der historischen Bühne: Erstens verkörpern sie den Anspruch auf demokratische Einflussnahme im kapitalistischen Industriebetrieb, die ansatzweise Einführung von Bürgerrechten auch in der Sphäre der Lohnarbeit. Sie stehen für den Willen zur Emanzipation der Arbeiterklasse. Die alleinige Herrschaft der Betriebsleitungen soll zumindest partiell beschränkt werden. Diese normative Basis erklärt ihre enge Verknüpfung mit emanzipatorisch ausgerichteten, sozialen und gewerkschaftlichen Bewegungen. Zweitens konnten sich betriebliche Interessenvertretungen typischerweise relativ spontan in Situationen eines gesellschaftlichen Regulierungsvakuums und der Infragestellung staatlicher Herrschaftsverhältnisse etablieren (etwa unter der Résistance oder in der so genannten Wendezeit in Ostdeutschland). Dabei übernahmen sie häufig Funktionen der Produktionsorganisierung sowie der Versorgung der Belegschaften. Typisch für die Geschichte in beiden Ländern ist die partielle bis weitgehende Rücknahme der Machtstellung betrieblicher BelegschaftsrepräsentantInnen nach Erstarken der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse und staatlicher Regulierungsmacht. In unterschiedlichem Ausmaß wurden die spontan etablierten Formen repräsentativer Demokratie jedoch auch zur Grundlage eines Institutionenwandels im Bereich betrieblicher Interessenvertretung. Dieser weist in Deutschland und in Frankreich unterschiedliche Geschwindigkeiten und Muster auf: Die gesetzliche Etablierung betrieblicher Repräsentationsinstitutionen erfolgte in Frankreich insgesamt zögerlicher, später und bruchstückhafter als in Deutschland. Dies hängt mit der langsamen und dezentral erfolgenden Industrialisierung und dem Fehlen eines effet de masse bei der gewerkschaftlichen Organisationsbildung zusammen. Die schwachen, dezentral organisierten und zersplitterten Gewerkschaften wurden in Frankreich erst im Zuge der Volksfront als wichtige gesellschaftliche Akteure anerkannt - ein Prozess, der in Deutschland bereits nach dem Ersten Weltkrieg abgeschlossen war. Parallel zur formalen Anerkennung der Gewerkschaften entwickelten sich in Deutschland zudem schon früh auch kooperative Muster der Interessenverhandlung zwischen Kapital und Arbeit, wie dies etwa im Stinnes-Legien-Pakt paradigmatisch zum Ausdruck kam. In Frankreich existierten hingegen relativ lange ausgeprägte Tendenzen eines revolutionären Syndikalismus. Differenzen im gewerkschaftlichen Organisierungsgrad, im gesellschaftlichen Einfluss der Gewerkschaften sowie in ihrer ideologischen Ausrichtung können zumindest teilweise die nationalspezifisch unterschiedlich gefärbten Forderungen zum Thema Belegschaftspartizipation erklären: In Deutschland wird bereits in der Weimarer Republik der Anspruch auf eine umfassende wirtschaftliche Demokratisierung und gleichberechtigte Mitbestimmung der Gewerkschaften (nicht der Betriebsräte!) auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten laut. Das Betriebsverfassungsgesetz und die Mitbestimmungsrechte des bundesdeutschen Betriebsrats sind nur die reduzierte Variante sehr viel weiter gehender Demokratisierungsvorstellungen. Die französische Debatte ist hingegen bis zur Durchsetzung der Délégués Syndicaux (1969) darauf konzentriert, ein Existenzrecht der Gewerkschaften im Betrie…
Tief- preis